Totgesagte leben länger: Die Videospiele kehren zurück! Zwei namhafte Hersteller stellen neue Konsolen vor, die zum Weihnachtsgeschäft die Kassen zum Klingeln bringen könnten. Was soll sich der Spiele-Freak anschaffen: einen Heimcomputer oder eines der beiden neuen Videospiel-Systeme?
Viele unserer Leser, die heute einen Heimcomputer besitzen werden sich noch gut an die Videospiel-Ära erinnern. Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre, als Heimcomputer vor allem wegen ihrer saftigen Preise noch ein Schattendasein führten, waren Videospiel-Konsolen die großen Renner. Das Atari-2600-System brachte seinem Hersteller den Aufstieg zu einem weltweit aktiven Konzern. Im Schatten des Marktführers tummelten sich noch die Colecovision-, Vectrex- und Intellivision-Konsolen (Insider erinnern sich noch an das seinerzeit konkurrenzlose Fußballspiel).
Dann wurden die Heimcomputer besser und preiswerter. Außerdem waren die Spiel-Talente der neuen Modelle besser als die der Videospiel-Konsolen. Bis auf das Atari 2600-Modell starben alle Systeme wie die Fliegen. Doch jetzt könnte sich das Blatt wieder wenden: Zwei neue Systeme werden auf deutschen Markt angeboten.
Der Name Sega dürfte Besuchern von Spielhallen geläufig sein. Die Japaner haben nämlich eine ganze Reihe erfolgreicher Automaten von »Zaxxon« bis »Spy Hunter« entwickelt und sich so einen guten Namen bei Action-Fans gemacht. Das sogenannte Master System ist der erste Versuch, im Videospiel-Geschäft mitzumischen.
Für 298 DM kommt man in den Besitz dieses Systems. Für diesen Betrag erhält man nicht nur die Konsole, die im eleganten High-Tech-Design eine ausgesprochen gute Figur macht. Mit dabei sind auch zwei Steuerregler, allerdings keine Joysticks. Der Hersteller setzt nämlich auf die Joypads, die man als eine Art aufgemotzten Cursorblock am Kabel bezeichnen kann. Mit einem Joypad steuert man in acht Richtungen und sorgt durch zwei Feuerknöpfe für Action. Außerdem im Lieferumfang enthalten sind Kabel für TV und Monitor-Anschluß, Umschalter, Netzteil und das Motorrad-Spiel »Hang on«.
Die Konsole hat zwei verschiedene Modulschächte und verarbeitet dadurch zwei Cartridge-Sorten: Die scheckkartengroßen, extraflachen Sega-Cards und etwas größere Module, die in der Größe etwa den Cartridges für MSX-Computer entsprechen.
Eine nützliche Besonderheit ist der »Pause«-Schalter. Er hält jedes Spiel an einer beliebigen Stelle an und setzt es nach erneutem Druck wieder fort. Wenn mal das Telefon klingelt oder das Essen auf dem Tisch steht, kann man das Spiel also bequem unterbrechen.
Die technischen Daten des Master Systems können sich sehen lassen. Es hat 128 KByte RAM und 128 KByte ROM, eine maximale Grafikauflösung von 256 x 192 Bildpunkten und 64 Farben. Der Hauptprozessor ist eine Z80A-CPU, die mit 4 MHz getaktet wird. Für den Sound sorgen drei Tonkanäle, mit je einem Umfang von vier Oktaven, und ein Rauschkanal.
Zur Markteinführung sollen gleich 18 Spiele erhältlich sein. Sechs davon erscheinen als Sega-Cards (Preis; je 69 DM), die anderen zwölf als Mega-Cartridges (je 79 DM). Die maximale Speicherkapazität eines Spiels auf Sega-Card beträgt 256 KByte. Auf einem Mega-Cartridge bringen die Programmierer sogar, der Name läßt es schon erahnen, ein ganzes MByte unter!
Soviel Speicherpracht ist durchaus sinnvoll, obwohl das Videospiel nicht mehr als 256 KByte auf einmal verarbeiten kann. Durch Bankswitching kann das Master System aber in Sekundenschnelle im Cartridge »umherspringen«. Ohne spürbare Verzögerungen wird so quasi nachgeladen.
Die ersten Spiele, die wir unter die Joypads bekamen, ließen unsere Action-Fans mit der Zunge schnalzen. Es gibt zum Beispiel eine aufgemotzte Version des Klassikers »Choplifter«, der sich seit kurzem auch als Spielhallen-Automat mit drei unterschiedlichen Levels zeigt. Die Grafik ist farbenprächtig und sehr schnell. Dabei macht das Modul noch nicht einmal bis zum letzten Bit vom Bankswitching Gebrauch. Wenn sich die Programmierer anstrengen, kann man also noch Erstaunlicheres aus der Maschine herausholen.
Vor allem in Sachen Grafik läßt das Master System die meisten Heimcomputer arm aussehen. Das Videospiel ist prädestiniert für schnelle Bildschirm Action, da das RAM fast ausschließlich für die Grafik zur Verfügung steht. Der Ton reißt nicht vom Hocker. Mit dem musikstarken C 64 kann es das Master System nicht aufnehmen, aber für knackige Soundeffekte und zündende Rhythmen reicht es allemal.
Die Software-Zukunft für das Master System sieht ganz gut aus. Bis Mitte nächsten Jahres sollen etwa drei Dutzend Titel erscheinen. Als erster namhafter Anbieter von Heimcomputer-Software hat Activision einen Lizenzvertrag mit Sega unterzeichnet, um Umsetzungen der stärksten Activision Titel für das Master System zu programmieren.
Außerdem sind zwei Peripherie-Geräte für das Master System angekündigt: Rechtzeitig zu Weihnachten sollen ein Grafik-Tablett und eine Pistole erscheinen. Letztere spuckt natürlich keine blauen Bohnen, sondern wird anstelle eines Joypads an die Konsole angeschlossen. Für 169 DM erhält man neben der Pistole ein Mega-Cartridge, auf dem drei Spiele enthalten sind, bei denen man mit der Plastik Knarre herumballern kann. Weitere »Pistolenkompatible« Programme sollen folgen.
Für Fans von Actionspielen ist das Videospiel eine lohnende Anschaffung. Schade nur, daß man die meisten Spiele mit den gewöhnungsbedürftigen Joypads steuern muß und nicht den Lieblings-Joystick einsetzen kann.
Sehr überraschend und mit zwei Jahren Verspätung erscheint das Atari-7800-System im Januar 1987 in Deutschland. Diese Videospiel-Konsole wurde bereits 1984 auf der Winter-CES vorgestellt. Eine Veröffentlichung in Europa war ursprünglich nie angestrebt worden.
Das plötzliche Umdenken des Herstellers hat seine Gründe. Das Geschäft mit dem alten Videospiel 2600, das noch ein Relikt aus den siebziger Jahren ist, lief lange Zeit überraschend gut. Mittlerweile liegen die Produktionskosten für das neue 7800-System nicht über denen für den Oldie 2600. Das 7800 ist als Nachfolger zum 2600 gedacht, da es sehr preiswert und voll kompatibel zu seinem Vorgänger ist. Das bedeutet im Klartext, daß alle 2600-Spiele auch auf dem 7800 laufen.
Das Testmuster, das wir erhielten, stammte aus den USA und entsprach der amerikanischen Fernsehnorm NTSC. In Deutschland werden natürlich nur Konsolen nach der hiesigen PAL-Norm verkauft. Da die PAL-Norm eine höhere Auflösung hat als NTSC, dürfte die Bildqualität der Spiele geringfügig schärfer als auf den Bildschirmfotos sein, die wir Ihnen auf diesen Seiten zeigen.
Die Konsole sieht sehr elegant aus und macht selbst im stilvoll eingerichteten Wohnzimmer eine gute Figur. Im Lieferumfang ist ein Joystick enthalten, der recht gut in der Hand liegt und zwei Feuerknöpfe hat. Mit dem Joystick kann man leben; besonders gut ist er aber nicht. Da keine Mikroschalter eingebaut sind, hält sich die Präzision beim Steuern in Grenzen. Außerdem beginnt die Joystick-haltende Hand rasch zu ermüden, wenn man ein schnelles Actionspiel bedient. Man kann den Joystick auch gegen jeden persönlichen Lieblingsknüppel auswechseln, der die übliche neunpolige Anschlußbuchse hat. Bei den meisten Spielen wird der zweite Feuerknopf ohnehin nicht benötigt.
Die Innereien des 7800 entsprechen im wesentlichen denen des 800 XL. Es gibt aber einen neuen Grafik-Chip, der mehr Sprites auf den Bildschirm bringen kann. Genauere technische Daten lagen uns leider noch nicht vor.
An der linken Gehäuseseite findet man eine Erweiterungsbuchse. In den USA wird nämlich eine Zusatztastatur angeboten, mit der man das 7800 zu einem Heimcomputer aufrüsten kann. Angesichts der Tatsache, daß der Atari-Computer 800 XL momentan für ein paar Mark weniger erhältlich ist als das 7800-System, ist es nicht verwunderlich, daß diese Tastatur in Deutschland nicht angeboten wird.
An der Frontseite ist die Konsole mit vier Knöpfen bestückt. Mit »Power« setzt man das Gerät in Betrieb, mit »Select« wählt man eine Spielvariante und durch »Reset« unterbricht man ein laufendes Spiel und kehrt wieder an den Anfang zurück. Wie schon beim Master System findet man auch hier eine praktische »Pause«-Taste. Im Lieferumfang sind die Konsole, der Joystick, ein Netzteil, ein TV-Anschlußkabel und ein Antennenumschalter enthalten. In den USA wird das 7800 außerdem mit dem Spielmodul »Pole Position« ausgeliefert. Zum Zeitpunkt unseres Tests stand noch nicht fest, ob das Programm auch in Deutschland mit in der Packung sein wird.
Wir konnten sieben Spiele auf dem 7800 ausprobieren, die teilweise einen recht betagten Eindruck machten. So ist die Version des Spielhallen-Oldies »Asteroids« grafisch recht eindrucksvoll gelungen, aber spielerisch veraltet. Ähnliches gilt für »Ms Pac Man«, »Centipede«, »Dig Dug« und »Robotron«: Allesamt Umsetzungen altbekannter Spiele.
Relativ neu waren lediglich zwei der sieben Module. »Galaga« ist die recht saubere Adaption eines Spielhallen-Oldies, der spielerisch eine Kreuzung aus »Space Invaders«, Phoenix« und »Galaxians« darstellt; ein Ballerspiel von vorgestern. »Xevious« hat uns noch am besten gefallen. Es fehlen zwar viele Level des Spielhallen Vorbilds, doch grafisch ist die 7800 Version recht anständig gemacht. Freilich wird auch hier andauernd geballert.
Zum Start sollen acht bis zehn Module für das 7800 erhältlich sein. Die genauen Preise standen bei Redaktionsschluß noch in den Sternen, dürften aber je Modul zwischen 60 DM und 80 DM liegen. Längerfristige Prognosen zur Software-Entwicklung konnte der Hersteller leider nicht abgeben.
Wenn man die Spielfähigkeiten des 7800 ganz grob beschreiben will, kann man es ruhigen Gewissens mit einem 800 XL-Computer vergleichen. Die Spiele sind alle schnell und für Actionfans bestimmt interessant, aber man sieht nichts, was es nicht schon in ähnlicher Qualität für einen Heimcomputer gäbe. Da drängt sich ein schönes Rechenbeispiel auf: Das 7800-System kostet zusammen mit dem Joystick 198 DM. Der 800 XL-Computer hat so ziemlich die gleichen Spiele Talente wie das 7800 und ist mittlerweile sogar für 180 DM erhältlich. Um mit diesem Gerät spielen zu können, muß man sich nur noch einen Joystick für 20 DM kaufen und kann gleich loslegen, denn für den 800 XL gibt es auch einiges an Spiele-Modulen. Wenn man noch einmal zirka 120 DM für einen Recorder oder 400 DM für eine Diskettenstation ausgibt, hat man sogar ein vollwertiges Computersystem, mit dem man viel mehr anstellen kann als » nur« spielen. Das Atari 7800 zu empfehlen, fällt angesichts der Konkurrenz im eigenen Hause recht schwer. Vor allem die eher durchschnittlichen Spieletalente des Geräts lassen etwas zu wünschen übrig.
Das Sega-Master System kostet zwar einen Hunderter mehr, bietet dafür aber bessere Grafik- und Sound-Effekte und fortschrittlichere Technik. Selbst Spiele-Fans, die bereits einen Heimcomputer besitzen, sollten sich das Master System einmal ansehen. Das Atari 7800 empfiehlt sich nur für sparsame Zeitgenossen, die unbedingt ihre alten 2600-Cartridges weiterverwenden wollen. An den momentan besten Spiele-Computer, den Amiga, kommt allerdings keines der beiden Systeme heran, der mit seinem Preis von knapp 4000 DM allerdings für viele Spielefans nicht erschwinglich ist. Im vielzitierten Preis-/Leistungsverhältnis schneidet das Master System aber sehr gut ab.
Heinrich Lenhardt
Die längst totgesagten Videospiele kehren zurück und drohen, den Heimcomputern Marktanteile abzuluchsen. Vor allem für den Fachhandel ergibt sich nun eine Zwickmühle, denn jahrelang hat man Heimcomputer als unschlagbare Alleskönner propagiert. Harry Cantin, zuständig für den Zentraleinkauf des Großversandhauses Quelle, nimmt zu dieser Problematik im folgenden Interview Stellung.
Happy: Sie geben den Videospielen eine gute Marktchance, sonst hätten Sie diese wohl kaum in Ihr Angebot aufgenommen. Wo sehen Sie die Zielgruppe?
Cantin: Ausgesprochene Programmier-Freaks kommen als Käufer sicher nicht in Frage. Wir sind aber der Überzeugung, daß sich ein hoher Anteil der Heimcomputer-Besitzer ein Videospiel zulegen wird. Man kann auf dem Master System Spiele in einer Qualität programmieren, die man bei C 64, Schneider CPC & Co. nie erreichen würde.
Happy: Die Grundkonsolen sind ja recht preiswert, doch die Spiele selbst kosten über 50 DM.
Cantin: Eine wichtige Voraussetzung, um Videospiel-Konsolen zu verkaufen, sind natürlich attraktive Programme zu erschwinglichen Preisen.
Man kann hier nur an die Softwarehersteller appellieren, knallhart zu kalkulieren. Es ist sicherlich genauso wichtig, die europäischen Spitzenprogrammierer für die Videospiele zu begeistern und sich nicht auf Importe aus Japan und den USA zu verlassen.
Happy: Nehmen Videospiele und Heimcomputer sich nicht gegenseitig wichtige Marktanteile weg?
Cantin: Einen Verdrängungswettbewerb wird es unserer Auffassung nach nicht geben. Eher ist eine gegenseitige Befruchtung denkbar.
Happy: Herr Cantin, wir danken Ihnen für diese Stellungnahme.