"Mit so wenig so viel erreichen" (Shiratz Shivji)

Gleich seine erste Schöpfung wurde zum erfolgreichsten Computer aller Zeiten, seine Zweite ist seit einem Jahr das Gespräch der Branche: Shiratz Shivji, Entwickler des Commodore 64 und des Atari ST, gibt seine erfolgreichen Erfahrungen weiter.

Seine Verkaufszahlen schlugen bisher alle Rekorde: Mehr als 2 Millionen C 64 wanderten bisher weltweit über die Ladentische. Und Atari riß mit der ST-Serie für alle privaten Computerfreaks die Preismauer zum 16-Bit-Markt nieder. Die ST-Serie setzte neue Maßstäbe beim Preis/Leistungsverhältnis von Computern und lehrte dadurch vielen Konkurrenten das fürchten, Was hat das miteinander tun? Sehr viel! Beide Computer entwickelte derselbe Mann. Shiraz Shivji ist der geistige Vater sowohl es C 64, wie auch des Atari ST! Mit seiner Intelligenz, seinem Einfallsreichtum und Engagement machte er Computer-Geschichte. Wer ist dieser Mann, der mit seinen Computern einer ganzen Generation neue Impulse verleiht - und damit in aller Stille die Welt nachhaltig verändert? Von seinem Erfolg träumen in den USA weiße Highschool-Studenten in Cambridge und Washington ebenso wie arbeitslose puertorikanische Boys in den Ghettos New Yorks oder Chicagos. Ist sein Erfolg das Ergebnis eines einmaligen Genies oder kann seine Karriere erreichbares Beispiel sein? Wir besuchten Shiraz Shivji in Californien und fragten ihn selbst, Uns erwartete - nein, kein weltfremder Computer-Guru, sondern ein vor Energie strotzender Mann, der uns mit südlicher Herzlichkeit empfing. Von kleiner Statur und dunkelhäutig könnte man ihn gut für einen Inder halten; und hätten wir sein Alter nicht schon gewußt, es wäre uns schwer gefallen, richtig zu raten. Shiraz - an der Westküste der Staaten sind Familiennamen nur unter Feinden üblich - gehört zu den Menschen, an deren Vitalität die Zeit abzuprallen scheint. Sein freundliches Gesicht strahlt, als hätte es die Sonne Californiens selbst aufgesogen, Kein Zweifel: Shiraz paßt in dieses Land wie die zahllosen Legenden vom glücklichen Leben. Aber soviel »sunny feeling« macht uns auch etwas mißtrauisch. Wir sind deshalb gespannt, endlich zu erfahren, wie Shiraz zu seinem Erfolg kam. Hier also seine Geschichte.

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Shiraz Shivji in seinem Büro bei Atari in Sunnyvale

Geboren wurde Shiraz 1947 in Tansania, Ost-Afrika. Seine Muttersprache ist Kisuaheli. In Tansania lebte er mit seinen Eltern bis zu seinem erfolgreichen Abitur, Nach dem Abitur bewarb er sich um einen Studienplatz für Elektrotechnik an der Universität von South Hampton. Diese Universität liegt an der Westküste von England und genießt in Europa einen sehr guten Ruf. Shiraz wurde aufgenommen. Aber schon nach kurzer Zeit ging er nach Amerika. An der Stanford-Universität von Palo Alto, der Elite-Schule für Elektroniker, studierte er von 1969 bis 1973 weiter. Bereits in Stanford erkannte man, was für ein findiger Kopf Shiraz war. Man gewann ihn für die Teilnahme an einem Forschungsobjekt, das sich mit Gleichgewichtsproblemen von Raketen beschäftigte. Seinen Studienabschluß schaffte er mit Bravour. Nach dem Abschluß hatte Shiraz die Nase von Raketen erst einmal voll, und beschloß, sich mehr um Computer zu kümmern. Er ging zu Commodore. Damals war weder ihm selbst noch seinen Freunden bewußt, welche Tragweite dieser Entschluß noch haben sollte. Immerhin öffnete erst diese Stelle die Tür für seine eigentliche Karriere. Als junger Ingenieur war er in der Forschungsabteilung für Mikroprozessoren tätig. Commodore stellte zu dieser Zeit Taschenrechner her. Beeindruckende 64 Bit hatten diese Taschenrechner bereits. Allerdings waren es relativ langsame Single-Process-CPUs. 64-Bit-Register hören sich zwar beeindruckend an, aber die Rechengeschwindigkeit liegt weit hinter derjenigen heutiger Prozessoren zurück. Trotzdem bezeichnet Shiraz dies als einen der wichtigsten Lebensabschnitte. Ihm wurde bei dem hautnahen Kontakt mit der Technik der Mikroprozessoren bewußt, welche Fähigkeiten in so einem Winzling schlummern und daß die Entwicklung noch in den Kinderschuhen steckt. Was reizt ihn aber an einem Computer? Was ist für ihn die Faszination, mit der Computer ihn anziehen? Shiraz formuliert das mit einem kurzen aber aussagekräftigen Satz: »Mit so wenig, so viel erreichen. Es zählt nur sekundär, was ein Computer alles leistet. Wichtiger ist, mit wie wenig Mitteln er das er- reicht. Einen Baustein zu entwickeln, der soviel leistet wie vorher zwei Bausteine, ist eine gute Ingenieur-Leistung. Aber diesen neuen Baustein in ein System zu integrieren, bei dem jede noch so kleine Veränderung zwischen funktionieren oder nicht entscheidet - das verlangt mehr. Computer mit der Leistungsfähigkeit des Atari ST gibt es schon lange. Nur war bisher niemand in der Lage einen Computer mit diesen Leistungsmerkmalen anzubieten, der aus so wenigen Bauteilen besteht. Aus diesen Gründen ist auch eines ganz wichtig: Wer in die Computertechnik einsteigt, sollte ganz unten beginnen. Damit ist nicht das Ausfegen der Werkstatt gemeint - obwohl das auch manchmal nötig ist -, sondern das Arbeiten mit der kleinsten Einheit. Die kleinste und zugleich wichtigste Einheit ist der Mikroprozessor.« Shiraz meint: »Nur wer wirklich versteht, was in dieser Welt des Kleinsten vorgeht und welche Ressourcen darin schlummern, kann gute Computer bauen.« Vorbilder dafür gibt es für ihn viele, zum Beispiel Steve Wozcniak, einer der beiden Begründer von Apple. Auch er war vor seiner Firmengründung in der Entwicklungsabteilung für Prozessoren bei Hewlett-Packard beschäftigt. Shiraz: »Sich mit den kleinen Computern zu beschäftigen bringt für einen Hardwarebastler wesentlich mehr, als sich mit einem Riesen-Computer auseinanderzusetzen.« jeder Computer besteht aus vielen Einzellösungen, die wie die Glieder einer Kette zusammenhängen. Eine Kette ist aber nur so stark wie sein schwächstes Glied. Ein schneller Computer wird zum Beispiel durch eine langsame Diskettenschnittstelle in seiner Arbeit behindert. So hat jede Änderung eines Details Auswirkungen auf das ganze System. Shiraz rät deshalb, bei Änderungen immer das ganze Computer-System kritisch zu beobachten und nicht nur Teile davon. jede noch so kleine Änderung hat immer Auswirkungen auf das ganze System. »Schau dir den Wald an, nicht nur den Baum«, meint er bildhaft.

Um sich mit einem Mikroprozessor vertraut zu machen ist der 68000er nach Shiraz Meinung ganz besonders gut geeignet. Dabei betont er, daß er mit dieser Aussage keine Werbung für den Atari ST machen will. Es sei einfach seine Überzeugung. Eine andere wichtige Vorbereitung auf den Berufseinstieg habe ihm sehr geholfen: In vielen Universitäten gibt es Arbeitsgruppen. Auch Shiraz arbeitete in Stanford in solchen Arbeitsgruppen mit. Daraus wurde später sogar ein großer Forschungsauftrag. Ein Geldsegen sei zwar nicht zu erwarten, aber man habe bei der Arbeitsplatzsuche bereits praktische Erfahrung vorzuweisen, Shiraz: »Wie in vielen anderen Berufen möchten Computerhersteller gerne Leute mit praktischer Erfahrung. Der Bücherwurm hat in den Staaten geringe Chancen. Schaltungen funktionieren nach dem Schaltplan immer, aber baut man sie dann auf, stellen sich Fehler heraus. Aus diesem Grund ist der Praktiker gefragt.« Shiraz rät, sich mit viel persönlichem Engagement in die Arbeit zu stürzen. Er ist überzeugt, daß dies die besten Voraussetzungen für den Erfolg im späteren Beruf sind. Und er muß es schließlich wissen!


hb
Aus: Happy Computer 09 / 1986, Seite

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