Abitur — was nun?

Allein in München hat sich die Zahl der Informatikstudenten in vier Jahren auf mehr als 420 verdoppelt. Werden in den nächsten Jahren viele Informatiker arbeitslos sein?

Nein, denn der Computer dringt immer tiefer in alle Bereiche unseres Lebens ein, der Bedarf an EDV-Fachleuten wächst und wächst. Hauptsächlich im Berufsleben findet man den elektronischen Zeitgenossen. Der Umgang mit ihm erleichert viele Arbeiten, erfordert aber oft genaue Kenntnisse des Aufbaus und der Programmierung dieser Maschinen. Gerade beim wissenschaftlichen Arbeiten eines Ingenieurs (egal welcher Fachrichtung) ist der Einsatz eines Computer nicht mehr wegzudenken.

Der Studiengang, der sich daher zur Zeit größter Beliebheit erfreut, ist die Informatik. Unsere drei Studenten (Bettina, 21, Ute, 25, und Steffen, 21) belegen diesen Studiengang an drei verschieden Hochschulen im Bundesgebiet. Ihre Erfahrungen zeigen, daß das Studium trotz der verschiedenen Bundesländer im großen und ganzen gleich ist.

Unsere drei Gesprächspartner haben eines mit vielen anderen Studenten gemeinsam: durch das Studium wurden sie vom Elternhaus getrennt. Für viele beginnt mit dem Einschreiben an einer Universität ein neuer Lebensabschnitt mit fremder Umgebung, neuen Gesichtem und anderen Lehr- und Lernmethoden. Um sich ein tägliches Pendeln zur Universität zu ersparen (was ohnedies nur viel Zeit kostet, die man besser verwenden kann), sucht man sich am besten ein Zimmer, privat oder im Wohnheim. Doch in den Wohnheimen ist es oft so, daß die »Neuen« die schlechtesten Zimmer oder gar eine Doppelbelegung bekommen. Bettina mußte sich die ersten zwei Semester mit einer Mitstudentin das Zimmer teilen. Zudem

sind die Zimmer häufig teuer oder recht knapp, so daß man sich am besten schon geraume Zeit vorher (am besten ist es, sobald man sich über den Studienort im klaren ist) auf die Suche nach einer Unterkunft macht. In München zum Beispiel ist es keine Seltenheit, daß Studenten ein volles Jahr auf der Suche nach einer Unterkunft sind.

Problem Zimmersuche

Steffen hatte Glück. Schon nach kurzem Suchen in der Zeitung fand er ein kleines Appartement in der Nähe der Karlsruher Universität. Allerdings machte sich die Nähe zur Uni in der Miete bemerkbar.

Andere Schwierigkeiten schafft die Trennung von zu Hause. Man ist plötzlich auf sich alleine gestellt. Das fängt beim Kochen an und hört beim Waschen und Putzen auf. Vielen fällt auch die Trennung von ihren Freunden nicht leicht. Da es aber den meisten so geht, findet man sehr schnell Anschluß, besonders in einem Wohnheim ist dies der Fall. Es gibt aber auch andere organisierte Studentenvereinigungen, angefangen von den konfessionellen Organisationen über zweckorientierte Sportvereine bis hin zu den politischen Studentenverbänden.

Diese Anfangsschwierigkeiten — eigentlich unabhängig vom Studiengang — lassen sich aber leicht meistern. Anders sieht es mit der finanziellen Situation am Beginn des Studiums aus. Abhängig von den Einkommensverhältnissen der Eltern kann man aber auch BaFöG (eine finanzielle Unterstützung des Staates nach dem Begabten-Förderungs-Gesetz) beantragen. Den Antrag muß man beim Studentenwerk stellen, das auch Informationsmaterial dazu herausgibt. Diese Beihilfe beträgt etwas mehr als 500 Mark im Monat, wird aber nur mehr auf Darlehensbasis gewährt. Das heißt sobald man einen Beruf ergriffen hat, muß der Betrag Stück für Stück zurückgezahlt werden. Neben dieser staatlichen Förderung gibt es aber eine Vielzahl von Stipendien, vor allem von konfessionellen Organisationen und Kirchen, gesellschaftspolitischen Organisationen, wie zum Beispiel den Gewerkschaften und Industrieverbänden. Auch Firmen aller Größenordnungen bieten Stipendien oder Studienpatenschaften an. Auskunft über das wie, wer und wo gibt auch hier das Studentenwerk. Umhorchen in dem Bereich, in dem man später einmal arbeiten will, schadet aber nicht. Die Bedingungen für ein Stipendium sind so unterschiedlich wie die Mäzene, von einer bestimmten Religionszugehörigkeit über eine gesellschaftspolitische, wissenschaftliche Arbeit, bis hin zu Verpflichtungen, nach dem Studium bei der fördernden Firma eine Zeitlang zu arbeiten. Eines ist allerdings nahezu allen Stipendien gemeinsam: die Forderung nach regelmäßigen Leistungsnachweisen. Kein Weg für Bummelstudenten also.

Klappt das alles nicht, müssen die Eltern für die Miete und den Unterhalt aufkommen, denn am Anfang des Studiums ist von Nebenbeschäftigungen (die sowieso recht selten sind) abzuraten, da dabei häufig das Studium zu kurz kommt. Besonders die Umstellung auf selbständiges Lernen hat es in sich. Steffen: »Es gibt keine Lehrer mehr, die ihre Schüler mit Zetteltests oder Überraschungsklausuren zum Arbeiten an-halten.«

Es gibt also keine zwingenden Leistungskontrollen wie die Klassenarbeiten in der Schule. Zur eigenen Leistungskontrolle werden zu den wichtigsten Vorlesungen Übungsblätter ausgegeben. Diese kann man dann alleine oder in einer Arbeitsgruppe lösen.

Gemeinsam geht es besser

Das Arbeiten in der Gruppe ist auf jeden Fall zu empfehlen, wenn es auch eine große Gefahr birgt. Bettina: » Beim Arbeiten in der Gruppe läßt man allzuleicht seine Kommilitonen die Aufgaben lösen, die man selber nicht beherrscht. Und irgendwann stellt man dann fest, daß man wichtiges nicht kann.«

Auch die Art, wie der Stoff in der Vorlesung präsentiert wird, ist gewöhnungsbedürftig. Während des Vortrags bleibt kaum die Zeit, das Gesagte auch noch zu verstehen. Aus diesem Grund muß man sich neue Arbeitsmethoden einfallen lassen. Ist man im Besitz eines Diktiergerätes, kann man die Vorlesung mitschneiden. Dies scheitert jedoch oft an den Umgebungsgeräuschen, die lauter als die Stimme des Dozenten sind. Außerdem muß dieser vorher seine Zustimmung geben. Auch Stenografie erleichtert die Arbeit. Daheim muß allerdings alles nochmal ins Reine geschrieben werden. Viele Dozenten haben Bücher veröffentlicht, auf denen ihre Vorlesungen basieren. Die Anschaffung eines solchen Buches erweist sich als sehr lohnend. Trotz aller Hilfsmittel erfordern die wichtigen Vorlesungen eine Nachbereitung, mindestens aber ein sorgfältiges Durchlesen des Mitschriebs. Erfahrungen haben gezeigt, daß sich eine Arbeitsteilung mit befreundeten Kommilitonen bestens bewährt. So kann man wenigstens einem Teil der Vorlesung ungestört zuhören, während der Studienfreund schreibt.

Am Ende einer Vorlesungsreihe steht dann in der Regel eine schriftliche oder mündliche Prüfung. An den Universitäten existieren sehr oft die gesammelten Muster- und Prüfungsaufgaben der letzten paar Jahre mit ihren Musterlösungen. Oft halten auch die älteren Semester komplette Mitschriebe der Vorlesungen parat.

So ein Semester geht schneller vorbei als man denkt. Dann beginnt die vorlesungs-, aber nicht arbeitsfreie Zeit. Viele Studenten nutzen sie, um sich ein wenig Geld zu verdienen. Während dieser Zeit sollte man allerdings auch ab und zu mal in seine Unterlagen schauen, sonst kann es passieren, daß man den Anschluß im nächsten Semester verpaßt. Ute: »Wichtig ist Disziplin für die vorlesungsfreie Zeit, denn sonst läßt man allzuviel schleifen.« Ist denn das nur beim Informatikstudium so? Die Antwort lautet nein. Alle anderen Ingenieurwissenschaften, wie zum Beispiel Elektrotechnik oder Maschinenbau, weisen eine ähnliche Struktur auf.

Wir fragten unsere drei angehenden Informatiker, welche Gründe es waren, die zur Entscheidung geführt haben Informatik zu studieren. Wurden Erwartungen erfüllt?

Bettina: »Schon in der Kollegstufe belegte ich den Mathe-Leistungskurs. Mein Interesse am Computer wurde durch den Informatikkurs geweckt. Ich bin mit dem Studium zufrieden.«

Ute entschied sich während eines Praktikums, in dem sie mit den Programmiersprachen Basic und Pascal das erste Mal Kontakt hatte, für ein Studium der Informatik. Eine feste Vorstellung von einem späteren Beruf haben nur die allerwenigsten, meist kann man aber sein Berufsbild formulieren, wenn man im Praktikum (dies ist eine fachbezogene Tätigkeit in einem Betrieb und in manchen Studiengängen vorgeschrieben) oder in den Semesterferien bei einer Firma gearbeitet hat. Durch solche Jobs kann man auch für später wichtige Beziehungen knüpfen.

Welche Voraussetzungen braucht man nun? Kann man seine in der Schule oder durch das Hobby erworbenen Computerkenntnisse ersetzen?

Dazu meint Steffen: »Es ist richtig, daß Vorkenntnisse das Arbeiten erleichtern, es wäre aber falsch, sich mit einem Mathematik-und Computerintensivkurs auf das Studium vorzubereiten.«

»Spätestens nach ein, zwei Semestern ist das privat oder in der Schule angeeignete Wissen ein-, wenn nicht sogar überholt«, sagt Ute.

Eine wichtige Voraussetzung, und hierin sind sich alle drei einig, ist zum einen die Bereitschaft, sich mit (viel!) Neuem auseinanderzusetzen und zum anderen Freude an der Mathematik und den dort verwandten Formalismen.

All die erwähnten Punkte gelten natürlich nicht nur für den Studiengang Informatik, das Gesagte läßt sich auch auf alle anderen Studiengänge übertragen.

(Udo Reetz)



Aus: Happy Computer 09 / 1986, Seite 26

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