Zu Besuch bei Epyx


Eines der führenden amerikanischen Softwarehäuser ist Epyx, bekannt durch Hitlisten-Stürmer wie »Summer Games« und »Impossible Mission«. Wir besuchten das Hauptquartier von Epyx im kalifornischen Silicon Valley und plauderten mit den Programmierern der Spiele-Hits.

Wer das Hauptquartier von Epyx sucht, muß schon die Augen offenhalten. Es liegt in einem mittelgroßen Haus zwischen hunderten von ähnlichen Gebäuden im Silicon Valley versteckt. Auf den ersten Blick wird hier genauso seriös »Business gemacht« wie in den umliegenden Elektronikfirmen: Empfangsdame. Männer in Anzügen, großzügige Büros und Konferenzsäle bestimmen das Bild. Doch wer etwas tiefer in das Gebäude eindringt, den erwartet eine völlig andere Atmosphäre. Auf einmal werden die Zimmer kleiner, die Schreibtische chaotischer. die Kleidung legerer. Man betritt das Reich der Programmierer von »Winter Games«. »Pitstop II«. »Impossible Mission« und anderen Spiele-Klassikern. Bei unserer Tour durch die Firma wurden wir von Craig Nelson, dem Leiter der Programmierertruppe, begleitet.


Craig Nelson, der Chef der Programmier-Truppe, im Interview

Als erstes trafen wir Scott Nelson, Craigs Bruder. Scott ist der Disketten-Experte bei Epyx. Von ihm stammen die Schnellader aller neueren Epyx-Spiele wie zum Beispiel »Summer Games II«. Er entwickelte auch das »Fast-Load-Cartridge«, ein Schnellade-Modul für den C 64, das in Deutschland aber nie auf den Markt kam

Schon bald wird einem das wichtigste Arbeits-Prinzip von Epyx klar. Jedes Programm entsteht in einem Team, bei dem jedes Mitglied optimal arbeiten kann. Einer der Vielbeschäftigten dieses Teams ist Michael Kosaka, der Chef-Grafiker von Epyx. Zu seinen Meisterwerken zählen »Summer Games II«. Teile von »Winter Games«. »Impossible Mission« und »G.I. Joe«.

Ein Mann für alle Grafiken

Dabei hat Michael vom Programmieren nur relativ wenig Ahnung. Er kennt sich zwar mit Computern aus. ist aber mehr ein Künstler. »Ich weiß, was die einzelnen Maschinen können, und versuche, alles aus ihnen herauszuholen. Ich entwickle nur die Grafik; in die Programme eingebaut wird sie von den anderen.«

In einer sehr eindrucksvollen Demonstration zeigt uns Michael. wie Bilder und Animation von »Summer Games II« entstanden sind. »Alles besteht nur aus geändertem Zeichensatz und Sprites. Dann verwende ich auch keine mehrfarbigen Sprites. sondern überlagere mehrere einfarbige. Der Leichtathlet aus »Summer Games II« besteht aus sieben verschiedenen Sprites. Echte Hi-Res-Grafik verwenden wir nicht mehr, denn die ist viel zu langsam für unsere Zwecke.«

Die Editoren, mit denen Michael seine Grafiken entwirft, haben seine Kollegen für ihn programmiert Sein Arbeitsgerät ist das Koala-Pad. Michael nimmt viele Vorlagen zu Hilfe: »Für Summer Games II' haben wir Zeitlupen-Aufnahmen von Sportlern als Vorlage verwendet«. Zwei neue Projekte werden mit ähnlicher Liebe zum Detail in Angriff genommen Für »Movie Monster« stapeln sich in Michaels Büro Filmposter und Ansichtskarten bekannter Gebäude. Daneben finden sich weitere Stapel von Literatur und Modelle über Kriegsschiffe im zweiten Weltkrieg, die als Anschauungsmaterial für das Spiel »Destroyer« dienen. Zu diesen neuen Produkten später noch mehr.


Grafik-Experte Michael Kosaka bei der Arbeit. Auf dem Monitor sieht man seinen Sprite-Editor, den er auch bei der Arbeit an »Summer Games II« und »Impossible Mission« verwendete.

Ich glaub’, ich werd’ zum Filme-Monster

In einer großen Runde mit mehreren Programmierern plauderten wir über Epyx. Wichtigste Frage: »Was kommt als nächstes?« Craig Nelson hat die Antwort parat: »Nun, Ihr habt ja schon einiges gesehen. Unser nächstes Spiel wird ’ Movie Monster' heißen. Der Spieler muß als Monster in King Kong- und Godzilla-Manier Städte vernichten. Das Spiel erinnert etwas an unser gutes altes ’Crush, Crumble and Chomp'. Wir haben die Idee mehr oder minder bei uns selbst geklaut, aber ein völlig neues Spiel drum herum geschrieben und sehr viel Wert auf Grafik und Action gelegt.« »Movie Monster« soll im April oder Mai erscheinen.

Streng geheim: »Destroyer«

«Über das darauffolgende Projekt darf ich eigentlich noch nichts verraten. Es hat den Arbeitstitel 'Destroyer' und wird eine Kriegsschiff-Simulation sein. Mehr sage ich aber wirklich nicht darüber. Vor diesen beiden Spielen wird aber noch ein Utility-Paket erscheinen. 'The Basic Programmen Toolkit' enthält alles, was ein Basic-Programmierer im Leben so braucht: Grafik-, Zeichensatz-und Sprite-Editor, Programmierhilfen und vieles mehr. Scott arbeitet jetzt schon an einer Fortsetzung. dem 'Disk Tbolkit’. Da werden Kopierprogramme drauf sein, ein Disketten-Monitor und als Höhepunkt unser 'Vorpal-Loader', mit dem beispielsweise 'Summer Games II' ausgestattet ist. Dann kann jeder seine Programme zehn- bis fünfzehnmal schneller laden, ohne irgendeinen Hardware-Zusatz zu verwenden.«


Die Simulation »Destroyer« ist das allerneueste Epyx-Projekt

»Warum macht Epyx jetzt so viele Utilities?« wollen wir wissen. »Wir hatten 1985 einen Riesen-Erfolg mit unserem Fast-Load-Cartridge In Europa ist das Ding zwar nicht so gut angekommen. in Amerika aber war es ein Hit Wir glauben, daß die jungen Programmierer die Tbols haben möchten, mit denen die Profis arbeiten. Deswegen öffnen wir unsere interne Schatztruhe und verkaufen ein paar von unseren, eigentlich für den Eigengebrauch entwickelten Programmen.«

Wir stellen gleich die nächste Frage an Craig: »Und wie sieht die Zukunft für Epyx aus?« »Wir hatten 1985 unser bestes Jahr, und wenn unsere Informationen stimmen, waren wir 1985 die umsatzstärkste Software-Firma. Man ist von uns höchste Qualität gewohnt und deswegen werden wir daran auch festhalten. Wir haben vor, etwa ein dutzend Programme im Jahr zu veröffentlichen. Das ist aber viel schwerer als früher. Da gab es noch Zeiten. wo uns ein Teenager ein selbstgeschriebenes Programm eingeschickt hat und wir damit einen Hit landeten. Heute arbeiten bis zu zehn Programmierer an einem Spiel, wobei jeder seine Spezialgebiete hat. Einer koordiniert dann alles, meistens bin ich das. Sämtliche Konzepte werden hier entwickelt und meistens auch programmiert.«

»Summer-Games«- Nachschub

»Wir haben ein Motto: Inside the fun, outside the work'. Den Spaß, den Entwurf und die Programmierung von Spielen machen wir hier. Mit der Arbeit. Konversionen für andere Computer zu schreiben, werden freie Mitarbeiter oder andere Firmen beauftragt. Wir haben hier knapp zehn feste Angestellte, die mit dem Design beschäftigt sind und etwa dreißig weitere, die sich um Marketing, Kundenbetreuung, Werbung, Buchhaltung. Geschäftsführung und ähnlichen Kram beschäftigen Programmierung und Geschäft sind also klar voneinander getrennt. Dadurch hat das Marketing keine Macht über uns Designer. Daran sind andere Firmen gescheitert, beispielsweise Atarisoft. Deswegen wird es von Epyx auch immer neue, innovative Produkte geben. Wir werden uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen und immer dasselbe programmieren, weil wir damit Erfolg hatten.«

Computer-Kopplung

Genau in diesem Moment trifft Chuck Sommerville. einer der Epyx-Programmierer ein, und fragt scherzend »Hat jemand meine Arbeitsdiskette für Summer Games VII gesehen?«. Craig nimmt das Stichwort »Summer Games« auf: »Das heißt natürlich nicht, daß wir nichts mehr machen, was mit Sportspielen zu tun hat. Wenn wir beispielsweise 'Summer Games III' machen, dann wäre das ein völlig anderes Spiel als die ersten beiden Summer Games-Programme. Wir haben schon Konzepte für Spiele in der Schublade, die Summer Games' ähneln und doch ganz anders und natürlich noch besser sind.«

Ob Craig noch etwas mehr sagen kann über die neuen Konzepte von Epyx? »Eigentlich nicht, das ist noch firmenintern. Na ja. weil ihr es seid — wir wollen Computer verschiedenster Typen koppeln um mit mehreren Computern zu spielen. Das Ganze soll billig und einfach sein. So. jetzt ist aber Schluß. Wenn Bob (er meint Robert Blotch, Vizepräsident von Epyx) erfährt, was ich schon alles ausgeplaudert habe...«


Cineastische Gruselfreuden mit »Movie Monster«

»Mit was für Computern arbeitet man bei Epyx eigentlich?« »Unser Lieblingscomputer ist der C 64. Den kennen wir alle praktisch auswendig. Michael kann aus ihm die schönste Grafik herauskitzeln und Scott kennt das Diskettenlaufwerk bis auf das letzte Byte. Außerdem verkaufen wir am meisten C 64-Programme. Ab und zu arbeiten wir aber auch mit Apple II, Atari XL und Macintosh. Unser Amiga wird auch fleißig benutzt und am Atari ST wird sogar schon programmiert.« »Welche Programme kommen denn von euch für die 16-Bitter?« »Für den ST konvertieren wir gerade 'Winter Games', dann werden weitere Konversionen folgen. Auf dem Amiga wird unser erstes Projekt »Rouge’, ein komplexes Rollen-spiel, sein. Wir werden uns aufs erste mit Konversionen begnügen.«

»Wir können also weiterhin auf Epyx zählen, wenn es um die wichtigsten Heimcomputer geht?« kommt sofort unsere nächste Frage. »Ja, mit einer Einschränkung Mit dem Schneider-Computer. der bei euch drüben sehr erfolgreich ist, haben wir Amerikaner wenig am Hut. Was für den Schneider und für den Spectrum konvertiert wird, kommt nicht von uns, sondern von den Engländern. Damit haben wir recht wenig zu tun und bekommen es sogar in den seltensten Fällen zu sehen. Aber gerade die Commodore 64-Be-sitzer werden sich noch wundern, was wir in der nächsten Zeit alles herausbringen werden!«

(Boris Schneider/hl)



Aus: Happy Computer 05 / 1986, Seite 152

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