BTX - Das kranke Kind der Post?

Btx ist ein neues und leistungsfähiges Medium. Leider hat es noch nicht die von der Post gewünschte Verbreitung gefunden.

Bildschirmtext ist eine neue Kommunikationsform. Sie basiert auf der Idee vorhandene Medien zu kombinieren und dadurch effektiver zu machen. Die Idee wurde im Jahre 1970 in England geboren. Sie basiert auf Kommunikationsmittel, die in fast jedem Haushalt zur Verfügung stehen. Das Fernsehgerät dient als Datensichtgerät, das Telefonnetz stellt die Verbindungsleitungen und ein Computer fungiert als Dateneingabegerät. Das sind die drei Hauptkomponenten. Damit der Computer die Btx-Daten auch in für ihn verständliche Signale umsetzen kann, benötigt man ein Btx-Modul. Dieses Modul überträgt die Daten über einen Akustikkoppler oder ein Modem an das Telefonnetz. Die beiden preiswertesten Computer, für die ein Btx-Modul erhältlich ist, sind der Commodore 64 und der ZX-Spectrum. Mit dieser relativ geringen Hardware ist der Einstieg in ein neues und leistungsfähiges Medium gewährleistet.

Ohne Begrenzung

Btx bietet dem Anwender einige Leistungsmerkmale: Aktuelle Informationen, schnelle Datenübermittlung und ein individueller Dialog mit dem Partner. Ein nicht zu unterschätzendes Merkmal ist die Übermittlung von Text und Grafik. Viele Informationen lassen sich durch diese Kombination einfacher, einleuchtender und attraktiver darstellen. In der europäischen Konferenz der Verwaltung für Post- und Fernmeldewesen, abgekürzt CEPT, haben sich 26 europäische Länder auf einen gemeinsamen Standard geeinigt. Der Datenübermittlung über Landesgrenzen hinweg liegt damit von der Hardwareseite nichts im Wege.

Was bringt's?

Im Oktober 1985 hatte der Btx-Dienst der Post 33861 Teilnehmer. 4500 davon sind Anbieter. Sie stellen Btx-Seiten zur Verfügung, die von allen oder von bestimmten Benutzergruppen abrufbar sind. So bieten zum Beispiel einige große Autofirmen ihren Händlern Informationen über Lagerbestände oder das Bestellwesen über Btx an. Die größte Benutzergruppe ist zur Zeit die Tburistikbranche. Jedes örtliche Reisebüro, daß über Btx verfügt, kann Reservierungen darüber abwickeln. Durch den direkten und schnellen Dialog ist die Bedienerführung wesentlich einfacher, als bei dem guten alten Telex. Die Verbindung zur Zentrale wird über einen Computer realisiert, dadurch ergeben sich fast keine Verarbeitungszeiten. Für den nächsten Teilnehmer an diesem System stehen sofort die aktuellen Daten bereit. Auch für den privaten Teilnehmer gibt es eine Menge an hilfreichen Leistungen über Btx. So bietet der ADAC die Btx-Seiten »Pannenhilfe« und »Fährverbindungen« im Inland an. Für das Ausland stehen die Themen »Richtig versichert« und »Schöne Campingplätze in Europa« zum Abruf bereit. Von der Firma TS-Union kann man sich Informationen über den Wert bestimmter Autotypen holen. Die HUK-Coburg bietet ihren Versicherungsnehmern die Serviceleistung, Schadensfälle über Btx zu melden. In den Katalogen von einigen Versandhäusern kann man über Btx blättern und natürlich auch das Gewünschte bestellen.

Haare in der Suppe

Jeder Btx-Anbieter kann für das Abrufen seiner Seiten Gebühren verlangen, die zwischen 0,05 und 9,99 Mark liegen. Vor dem Abruf bekommt man die Gebühr angezeigt. Danach kann man entscheiden, ob man die Seite trotzdem aufruft. Daß noch Fehler in diesem System stecken, hat auf eindrucksvolle Weise der Chaos Computer Club in Hamburg bewiesen. So bot dieser Computer Club eine kostenpflichtige Btx-Seite an. Durch einen Mangel in dem Datenschutz von Btx konnte sich dieser Club unter der Kenn-Nummer einer Bank anmelden und seine eigene Seite so oft abrufen, wie er wollte. Da man als Eingabegerät einen Computer verwendete, ließen sich Eingabefolgen, die man für den Aufruf einer solchen Seite benötigte, speichern und immer wieder abrufen. Der Preis für einen Abruf betrug knappe 10 Mark. Innerhalb weniger Tage schuldete die Bank dem Chaos Computer Club 115000 Mark für das viele Abrufen seiner Btx-Seite. Damit ist bewiesen, daß die Post an dem System noch einige Verbesserungen vornehmen muß. Die Zukunftsvorstellungen der Post sind mit einem System, daß von einer Handvoll »Hacker« geknackt werden kann, nicht zu realisieren.

Schwerlich ist nach einem solchen Vorfall jemand zu bewegen, sein Bankkonto über Btx zu verwalten.

Ohne Kompaß

Leider ging aber die Post den falschen Weg. Um ein solch teueres Medium weit verbreiten zu können, muß das Leistungsangebot dementsprechend hoch sein. Das heißt: das Angebot an Leistungen, die über Btx besser oder komfortabler erreichbar sind, als mit einem anderen Medium, muß gegeben sein. Erst wenn viele Anbieter interessante Leistungen anbieten, steigen private Benutzer in dieses Medium ein. Im Bereich der privaten Anwender die Zukunft von Btx zu sehen ist richtig. Nur in der Anfangsphase stimmt das nicht. Die Zukunftsaussicht für die Verbreitung von Btx sind nach Aussagen des Btx-Experten eines Herstellers, der Hard- und Software für Btx anbietet, trotzdem gut: »Btx wird in dem kommerziellen Bereich im Jahr 86 einen großen Auschwung bekommen, da viele die große Leistungsfähigkeit dieses Mediums erkennen. Der private Anbieter steigt erst 1989 groß in Btx ein, denn bis dahin ist Btx preiswerter geworden und ein umfassendes Angebot gesichert.« Ob sich diese Aussage erfüllt bleibt abzuwarten. Im Moment scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Zur Zeit verlangt die Post noch keine Verkehrs- und Speichergebühren. Der Termin für das Inkrafttreten dieser Gebühren sollte der 1. Januar 1986 sein. Er wurde auf den 1. Juli 1986 verlegt. Gerade für die Anbieter erhöhen sich die Kosten für Btx dann wesentlich. Ohne leistungsstarke Anbieter von guter Information ist Btx wie die Suppe ohne Salz. Bleibt zu hoffen, daß der Zeitpunkt für die weiteren Gebühren noch weiter verschoben wird, da gerade jetzt preiswerte Btx-Mo-dule für Heimanwender angeboten werden. Nur durch diese breite Streuung in den privaten Anwenderbereich könnte das kranke Kind der Post gesunden. (hb)

Gebühren für Btx
Anschluß- und Änderungsgebühren 65,00 Mark
Monatliche Gebühren
Btx Anschluß 8,00 Mark
Bereithalten einer Kennung 50.00 Mark
Anbieter bundesweit 50,00 Mark
Anbieter regional 50,00 Mark
weitere regionale Leitseiten 15,00 Mark
geschlossene Benutzergruppen GBG 50,00 Mark
Speichergebühren
Informationsseiten bundesweit 7,5 Pfennig Seite/Täg
Informationsseiten regional 1,5 Pfennig Seite/Täg
zurückgelegte abgerufene Dialogseiten 1,5 Pfennig Seite/Täg
Eintrag in \ferteileriisten 0,5 Pfennig Seite/Täg
Eintrag in Listen der GBG 1,5 Pfennig Seite/Täg
Einträge von Mitbenutzem 5,0 Pfennig Seite/Täg
Verkehrgebühren
Benutzung des Eingabesystems 0.02 Mark pro Minute
Sofortiges Einarbeiten von Seiten 0,10 Mark pro Seite
Zeitversetztes Einarbeiten von Seiten 0,05 Mark pro Seite
Bearbeiten von Datenträgern 20,00 Mark pro Datenträger
Abruf von Seiten fremder Regionen 0,02 Mark pro Seite
Absenden von Antwortseiten 0,30 Mark pro Seite
Absenden von Mitteilungen 0,40 Mark pro Seite
Die \ferkehis- und Speichergebühren treten erst am 1. Juli 86 in Kraft


Aus: Happy Computer 02 / 1986, Seite 143

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