Amiga: Spiele-Premiere

Commodores Super-Computer Amiga ist der Traum aller Spiele-Freaks. Diese Maschine setzt in der Grafik, im Sound und bei der Geschwindigkeit einen neuen Maßstab. Die ersten Amiga-Spiele kommen Anfang 1986 — wir stellen sie Ihnen heute schon vor.

In dem renommierten Softwarehaus Electronic Arts (ECA) ist das Amiga-Fieber ausgebrochen. Mehr als 30 Personen arbeiten derzeit an Projekten für den neuen Commodore-Computer, zwölf Titel werden demnächst erscheinen. Sieben davon sind Umsetzungen von bekannten Programmen, die anderen fünf sind Neuentwicklungen, speziell für den Amiga. Bei einem Besuch im Hauptquartier von ECA zeigte uns David Gardner die ersten Versionen der neuen Programme.

»Mit dem Amiga haben wir eine Maschine, die in Verbindung mit der richtigen Software den Leuten den Atem rauben wird«, meint William M. »Trip« Hawkins, der 31jährige Gründer und Präsident von Electronic Arts. Trip arbeitete nach seinem Studium bei Apple, wo er Kontakte zu Programmierern und anderen Größen der Szene knüpfte, die sich später als nützlich erweisen sollten. 1982 kam es zur Gründung von Electronic Arts. Heute hat das Unternehmen seinen Hauptsitz in San Mateo, Kalifornien, in der Nähe von San Francisco, und besitzt eine Tochterfirma in Roseville. Im Hauptgebäude findet man lediglich Büro- und Sitzungsräume, die Vervielfältigung der Programme erfolgt in speziellen Kopierzentralen.

Der Erfolg hält an

ECA ist eine der wenigen Softwarefirmen im Heimcomputersektor, die ständig Gewinne verbuchen kann und hat etwa 75 Angestellte. Auch Steve Wozniak, legendärer Mitgründer von Apple, hat in ECA investiert und nimmt sogar einen Direktorensessel ein.

Die »Talent-Abteilung« (»Talent-Department«) von Electronic Arts sucht interessante Autoren aus und macht mit ihnen Verträge; die Honorierung erfolgt gewöhnlich in Form einer Umsatzbeteiligung. Durch diese Abteilung werden die Autoren in ihrer Arbeit auch unterstützt. Technische Unterlagen werden gestellt, Grafik-Designer und Musiker helfen, daß das Programm in Sachen Optik und Akustik optimal wird oder es werden gar ganze Teams gebildet, die ein Programm natürlich noch schneller und perfekter ausarbeiten können. Hierbei spielen die »Producers« eine entscheidende Rolle. Ein Producer ist eine Mischung aus Regisseur, klugem Kopf für alle Fälle und Produkt-Manager.

Gewöhnlich hat ECA immer um die 70 Programmierer unter Vertrag stehen. Viele dieser »Software-Künstler« (bei Electronic Arts spricht man von »Software-Artist«, was sehr gut zum Firmennamen paßt) treffen sich jeden Freitag zum »August«-User-Gruppentreff. Wer würde nicht gerne einmal an einer Sitzung dieses Kreises teilnehmen und mit den Programmierern von »Hard Hat Mack« und »Archon« etwas fachsimpeln?

In diesem exklusiven Club steht der Amiga hoch im Kurs. Schon als die ersten Prototypen dieses Computers im September 1984 auftauchten, wollte man Software entwickeln. Ein großes Problem war, daß Amiga-Entwicklungssysteme (wie das von SUN, auf dem David Snider gerade den »Print Shop« für den Amiga umschreibt) sehr teuer sind. Bei über 30 Personen, die an Amiga-Projekten arbeiten wollen, geht das natürlich gewaltig ins Geld. So krempelte man die Ärmel hoch und entwickelte ein eigenes Entwicklungssystem, das auf einem IBM-PC/AT basiert und diverse Hard-und Software-Erweiterungen mit einer Sammlung von allerlei Routinen beinhaltet. Dieses Entwicklungssystem heißt »Artist Workstation« (Arbeitsplatz des Künstlers) und ist sogar schneller als das SUN-System.

Mike Wallace von Electronic Arts an einem Amiga-Entwicklungssystem

Action-Adventure mit Zeichentrick-Grafik: »Return to Atlantis«

»Archon« hat an Schnelligkeit gewonnen

Vor kurzem ist auch die Datenfernübertragung in ECAs elektronische Hexenküche eingezogen. Es wurde ein großes, elektronisches Nachrichten-Netzwerk installiert, mit dem alle Computer in der Zentrale verbunden sind Selbstverständlich können auch die Programmierer von außerhalb per Telefon mit dem Netzwerk in Kontakt treten und sich zum Beispiel die neuesten Grafikroutinen der Kollegen in ihre Maschinen holen oder dem Producer eine Nachricht hinterlassen. Trip Hawkins ist vom Nutzen dieser Einrichtung überzeugt: »Jeden Tag nehmen wir elektronischen Kontakt mit unseren Programmierern auf.«

Die ersten Amiga-Prototypen wurden noch in »Handarbeit« hergestellt und die damals noch nicht verfügbaren Spezialchips von Schaltkreisen simuliert, allerdings mit etwas Geschwindigkeitsverlust.

Die Arbeit mit den Prototypen hat sich aber gelohnt. Kaum wurde der Amiga in Amerika offiziell auf dem Markt eingeführt, präsentierte ECA auch schon die ersten fertigen Programme, die wir Ihnen jetzt der Reihe nach vorstellen.

»Archon« ist die Umsetzung des bekannten Hits, der bereits für C 64, Atari XL/XE und Apple II vorliegt. Grafik, Animation und Sound wurden der Leistungsfähigkeit des Amiga angepaßt und der gesamte Spielablauf ist schneller geworden. Für Spieler, die auf den Amiga umsteigen und »Archon« schon haben, lohnt sich der Kauf der neuen Version aber kaum, da sich die spielerischen Unterschiede sehr in Grenzen halten.

Amiga macht's schneller

Ähnliches kann man auch zur Amiga-Version der Basketball-Simulation »One-on-One« sagen. Die Grafik ist etwas farbiger, wirkt aber leider immer noch recht abstrakt. Der Sound nutzt die Amiga-Fähigkeit. Töne zu digitalisieren: Das Dribbelgeräusch klingt wie bei einem echten Basketball-Match.

Das Entdeckerspiel »Seven Cities of Gold« ist inhaltlich mit den bekannten Versionen identisch, allerdings wurde die Grafik stark verbessert. Ein weiterer Vorteil der Amiga-Version ist das schnelle Diskettenlaufwerk, was sich beim Kartengenerator von »Seven Cities of Gold« sehr positiv bemerkbar macht.

Die Freunde von Actionspielen dürfen sich auch freuen, denn die Amiga-Version von »Skyfox« ist auch schon da. Die sehr guten Apple- und Commodore 64-Versionen wurden noch übertroffen, insbesondere in Bezug auf Geschwindigkeit, Grafik und Sound. »Skyfox«-Fans werden angesichts dieser sehr guten Umsetzung aus dem Häuschen geraten. Es wird demnächst noch zwei weitere Adaptionen bekannter Programme geben, die allerdings noch nicht vorgeführt werden konnten: »Archon II: Adept« und »Adventure Construction Set«.

»Arcticfox« heißt ein Panzerspiel, das speziell für den Amiga geschrieben wurde. Der Spieler befindet sich im Cockpit eines Panzers mit dem Namen »Arcticfox«. Wie üblich, geht es darum, Feinde ausfindig zu machen und zu vernichten. Der Pfiff des Spieles liegt in der fantastischen Grafik. Das Instrumentenbrett ist übersät mit allen möglichen Bedienungselementen. Außerdem hat man auch noch die zwei Hände des Fahrers im Blickfeld. Mit der rechten wird gesteuert, mit der linken werden zahlreiche Geräte wie das Radar bedient. Die Steuerung erfolgt mit einem Joystick, der immer eine Hand bewegt. Zwischen linker und rechter Hand kann auch auf Doppeldruck am Feuerknopf umgeschaltet werden.

Die Sicht aus dem Cockpit-Fenster ist beeindruckend. Verschiedene Landschaftsarten und sogar zufällig erzeugte Berge rauschen am Panzer vorbei. In der Vorführversion war der Sound leider noch nicht fertig, doch der soll es in sich haben und mit Stereo-Effekten ausgestattet sein. Auch Regeln der Physik wie die unterschiedliche Haftung der Panzer-Ketten auf verschiedenen Oberflächen werden berücksichtigt.

Rein in den Panzer

Das Action-Adventure »Return to Atlantis« besticht ebenfalls durch die tolle Ausnützung der Amiga-Fähigkeiten. Man schlüpft in die Rolle eines Agenten, der sich in die Tiefen des Meeres begibt, um eine sagenumwobene Stadt zu finden. Die hohe Auflösung, die Vielzahl der Farben und die gelungene Animation machen es zu dem wohl besten Spiel der neuen Amiga-Programme von ECA. Mehrere Grafik-Ebenen (Vordergrund scrollt schnell, Hintergrund scrollt langsam) erinnern an einen guten Zeichentrickfilm.

Das »Video Construction Set« ist ein Animationsprogramm, das sich vor allem durch die einfache Handhabung mit Bildsymbolen (»Icons«) und verblüffende Soundeffekte wie Reifenquietschen und Büchsenklappern hervorhebt. Selbst ohne großes künstlerisches Geschick erzielt man tolle Trickfilme. Das Schneiden des Films funktioniert einfach und übersichtlich mit Hilfe eines schematischen Drehbuchs. Der Film kann dann mit der Maus editiert werden.

»Instand Music« heißt ein neues ECA-Musikprogramm speziell für den Amiga. Statt mit der üblichen Notation arbeitet man mit farbigen Rechtecksymbolen. Das Programm ist speziell auf die musikalischen Laien zugeschnitten. So sind auch schon einige Rhythmen wie Rock and Roll und Country zur Demonstration vorhanden. Das Programm arbeitet mit digitalisierten Instrumentenstimmen.

Das »Deluxe Music Construction Set« wurde gerade für den Macintosh von Apple vorgestellt und wird nun auch für den Amiga erscheinen. Es zeichnet sich durch einfache Bedienung aus und macht von der Window-Technik Gebrauch. Selbstverständlich ist der Ausdruck der Kompositionen vorgesehen, so daß man mit einem Amiga in Verbindung mit einem der beiden Musikprogramme und einem Drucker ein hochwertiges Kompositions-Werkzeug besitzt. Die besonderen Soundfähigkeiten des Amiga werden selbstverständlich voll ausgenutzt.

Die größte Überraschung ist jedoch die Ankündigung einer Amiga-Version von »Marble Madness«, einem Spielhallen-Renner in den USA. »Marble Madness« zeichnet sich durch hervorragenden Spielwitz, Grafik und vor allen Dingen Sound aus. Der Spieler steuert eine Murmel durch ein dreidimensionales Gebilde. Überall lauern Gefahren wie Abgründe, Monster, Riesenstaubsauger, feindliche Murmeln und vieles mehr. Es steht außer Zweifel, daß »Marble Madness« den besten Sound besitzt, den ein Spielhallengerät jemals hatte. Dieser Stereo-Sound wird von Yamaha-Sound-Chips erzeugt.

Deutschland-Start 1986

Laut ECA soll die Amiga-Version des Programms mit dem Automatenspiel völlig identisch sein. Erscheinungstermin für »Marble Madness« ist Januar 1986. Es sind auch Umsetzungen für C 64, Apple II und Atari ST geplant, die allerdings nicht die Qualität der Amiga-Version erreichen werden.

»Archon«, »Seven Cities of Gold«, »One on One« und »Skyfox« sind schon seit September in den USA erhältlich, die anderen Programme sollten bis Anfang 1986 in den Regalen stehen. Die Verkaufspreise der Programme reichen in den USA von 35 bis 50 Dollar. Der deutsche ECA-Vertriebspartner Ariolasoft will die Programme demnächst auch in Deutschland anbieten. Wenn der Amiga bei uns auf den Markt kommt, wird es also gleich erstklassige Software für den Supercomputer geben.

Die Electronic Arts-Software setzt den ersten Maßstab für Amiga-Pro-gramme. Vor allem die brandneuen Titel wie »Arcticfox« und »Return to Atlantis« konnten voll überzeugen, während die Adaptionen älterer Spiele vor allem von der hohen Verarbeitungsgeschwindigkeit profitieren. Grafik und Sound wurden natürlich auch verbessert, während sich inhaltlich bei »Archon* & Co. nur wenig geändert hat. Die ersten ECA-Programme zeigen deutlich, daß der Amiga die perfekte Spielmaschine ist. Spiele-Freaks mit dem nötigen Kleingeld werden kaum an diesem Computer vorbeikommen.

(Frank Mathy/hl)

»Instant Music« nutzt die Synthesizer-Talente des Amiga voll aus

Der Basketball-Klassiker »One on One« mit mehr Farben

Panzerspiel mit Edelgrafik: »Arcticfox«



Aus: Happy Computer 12 / 1985, Seite 161

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