Interview mit den »Print Shop«-Machern

Das Druckprogramm »Print Shop« ist ein Hit: Sogar Apple-Gründer Steve Wozniak hat es zu Hause im Regal stehen. In ihrem Bungalow in Berkeley bei San Franzisko erzählten die Programmierer Martin Kahn, David Balsam und Corey Kosak unserem Mitarbeiter Frank Mathy die Entstehungsgeschichte des Bestsellers.

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Keep smiling: Das Erfolgsgespann Balsam. Kosak und Kahn

Kaum ein anderes Programm hat je für so viel Schlagzeilen gesorgt wie »The Print Shop«. Es ist der große Sieger der Software-Saison, seit nunmehr 18 Wochen unangefochten an der Spitze der Billboard-Charts, ausgezeichnet mit sechs bedeutenden Preisen, darunter der CES-Software-Award. Artikel und Besprechungen in unzähligen Zeitschriften, sogar in »Playboy« und »Omni«, zeigen, wie gut das Programm ankommt. Die Idee des »Print Shop«, der für C 64, Apple II und Atari XL/XE für 130 Mark veröffentlicht wurde, ist ebenso einfach wie gut: Er druckt individuelle Glückwunschkärtchen, Briefköpfe und Poster, und ist dabei sehr einfach zu handhaben. Vor allem auf die Bedienerfreundlichkeit legten die Schöpfer des Programms großen Wert.

»Wir können dem Anwender nicht ein völlig offenes Programm vorsetzen, er würde nicht damit klarkommen, und der Spaß würde bald der Frustration weichen«, erläutert David Balsam, der zusammen mit Martin Kahn das »Pixellite Computer Products«-Team bildet. Martin, geboren in Los Angeles, kam das erste Mal während seiner Studentenzeit mit Computern in Kontakt, als er zwei Sommerkurse in Fortran und Assembler besuchte. In der darauffolgenden Zeit verdiente er seine Brötchen als Programmierer und landete zunächst als Teilzeit-kraft bei Brøderbund.

Martin ist begeisterter Künstler; eine ganze Weile machte er Computergrafiken auf seinem Northstar-Computer, druckte die Kunstwerke dann aus und colorierte sie von Hand. 1981 wurde sogar ein Buch mit seinen besten Werken veröffentlicht.

Der Maler und der Musiker

Diese Kunstbegeisterung war letztlich auch der Anstoß für die Freundschaft mit David, den Martin 1981 auf einer Party in seinem Haus kennenlernte. David war sehr von Martins Kunstwerken beeindruckt, die überall an den Wänden hingen: »Was mich besonders faszinierte, war der mathematische Charakter seiner Bilder. Sie sind alle mit Rechenformeln erzeugt, aber dennoch unheimlich detailreich. Ich wußte, daß sich Martins Talent kommerziell nutzen lassen müßte.«

David Balsam, geboren in Queens und aufgewachsen in New York, ist seit seinem 5. Lebensjahr begeisterter Musiker. Er spielt Gitarre, Schlagzeug und Keyboards. »Momentan stehe ich sehr auf Reggae und elektronische, rhythmisch orientierte Musik. Ich mag auch einiges, was aus Deutschland kommt. Einer meiner Träume ist, für einige Monate nach Deutschland zu kommen, die dortige Musikszene kennenzulernen und mit Leuten wie Klaus Schulze zusammenzutreffen.«

In einer der experimentellen »Alternative City Schools« in New York City kam David das erste Mal mit Computern in Berührung, wo er an einem Olivetti herum-experfmentierte. 1977 zog er dann nach Berkeley, um in einer Band zu spielen.

David wechselte oft seine Arbeit, er jobbte in Büros von verschiedenen Firmen und hatte eigene kleine Geschäfte. Dann besuchte er einige Computerkurse und verdiente sich sein Brot als Software-Spezialist.

Martin und David wurden bessere Freunde und begannen nach einiger Zeit ihr erstes Programmprojekt, »Perfect Occasion«, das man als »Gruß-Disketten-Programm« bezeichnen könnte. Mit dem Programm bespielte man eine Gruß-Diskette, die der Empfänger in sein Laufwerk steckte und dann die Grußbotschaft, mit diversen Grafikeffekten und Musik unterlegt, auf dem Monitor sah. Leider hatte das Programm keinen Erfolg. Beide Softwarehäuser, denen es vorgeführt wurde, Brøderbund und Electronic Arts, waren nicht interessiert. Sie fanden zwar die Idee originell, sahen aber einen großen Nachteil des Programms darin, daß sowohl Sender als auch Empfänger Computer gleichen Typs besitzen mußten, was sie zu der Bemerkung veranlaßte: »Nicht jedermanns Großmutter hat ihren Apple«.

Erst wurde abgelehnt

Trotz dieser Enttäuschung setzte sich das Team zusammen und verfeinerte das Konzept. Der nächste Schritt war, daß Martin Hardco-pies der »Perfect-Occasion«-Screens machte, die je eine halbe Seite lang wurden. Druckte man zwei solcher Hardcopies hintereinander aus und faltete das Blatt dann in der Mitte, entstand eine Art Mammut-Grußkarte. Dies brachte die beiden auf das Konzept des Kärtchens. David knobelte die Methode aus, die Karten so zu falten, wie wir es heute vom »Print Shop« gewohnt sind. Später stellte sich heraus, daß das Verfahren schon lange in der Industrie unter dem Namen »French Folder« bekannt war. Auf Martins Northstar-Computer wurde dann ein Prototyp der Grußkarte entwickelt — dies war die Geburtsstunde des »Print Shop«.

Mit diesem Knüller in der Tasche gingen die beiden wieder zu Brøderbund, wo man sich nun entschloß, das Programm zu veröffentlichen. Martin beendete seine Teilzeittätigkeit, und das Team bekam finanzielle Unterstützung von Brøderbund — »Gerade genug zum Überleben.«

Zu dem Grußkartenmodus, dem Kern des Programms, gesellte sich bald das Unterprogramm »Sign«. Ein Schild ist einfach die vergrößerte Frontseite einer Grußkarte. Die Idee zur Briefkopf-Routine ist dem Brøderbund-Angestellten Gerry Carlston zu verdanken, Martin war zunächst von dieser Idee gar nicht begeistert. Wieder mußte genau analysiert werden, woraus ein Briefkopf eigentlich besteht und das Ganze in ein anwenderfreundliches Programm umgesetzt werden.

Auch die Idee zu den »Banners« stammt nicht wirklich von Martin oder David. Auf dem Apple-Fest im Oktober 1983 in San Franzisko sahen sie ein Bannerdruckprogramm, das sie auf die Idee brachte, ihr Programm um den Bannermodus zu bereichern. »Als ich mich erst einmal dazu entschlossen hatte, dies zu tun, war es nur relativ wenig Arbeit.«

Zu »Screen-Magic« meint David: »Viele Leute denken, 'Screen-Magic' passe nicht in das Print-Shop-Konzept. Der Grund dafür ist. daß es von dem Gruß-Diskettenprogramm stammt.«

Inspiration und Umsetzung

Ein ganzes Stück Arbeit war das Schreiben der zahlreichen Drucker-Routinen. Brøderbund konnte zum Glück einige Drucker und Interfaces zur Verfügung stellen. Um an die restlichen Geräte heranzukommen, wurden Anzeigen in Apple-Zeitschriften herausgebracht und die Firmen angeschrieben. Einige Hersteller stellten Geräte im Tausch gegen Brøderbund-Software, andere liehen dem Team ihre Hardware. »Heute schicken uns die Leute ihre Drucker mit der Bitte, den 'Print Shop' daran anzupassen.«

Die ganze Arbeit, die übrigens mit einem Apple II plus mit zwei Laufwerken und einem Monitor gemacht wurde, erstreckte sich über einen beträchtlichen Zeitraum. »Jedermann meint, man müsse um jeden Preis schneller als die Konkurrenz sein, um sich auf dem Markt zu behaupten. Ich halte das für eine kurzsichtige Betrachtung der Sachlage, denn man muß seiner Kreation viel Liebe und Aufmerksamkeit widmen. Und Brøderbund ließ uns genug Zeit dafür.«

Nachdem die Apple-Version des Programms veröffentlicht war und die Verkaufszahlen in die Höhe gingen, mußten die Umsetzungen für C 64 und Atari gemacht werden. Martin setzte sich zunächst allein an die Commodore-Version. Für die Atari-Version wurde der erst 19 Jahre alte Jungprogrammierer Corey Kosak aus Novato beauftragt. In der 6. Klasse kam er zum Computer, als seine Junior-High-School einige Commodore-PETs anschaffte. Nachdem Radio-Shack (Tandy) auch Computer herausbrachte, wurde er dort Stammgast und sammelte Erfahrungen durch intensives Arbeiten mit den Maschinen. Es folgten einige kleine Programmierjobs. Zusammen mit David Fox, Direktor eines Computer-Lern-Zentrums, schrieb er die Applesoft-Basic-Erweiterung »Apple-Spice*. Als sie auf dem »Apple-Core-Meeting« in San Franzisko ihr Programm vorführten, machte Corey die Bekanntschaft von Doug Carlston von Brøderbund. Kurz darauf besuchte er ihn in seinem Büro und erreichte, daß er an den Computern von Brøderbund arbeiten durfte. Später bekam er sogar ein System geliehen. Das erste Projekt war ein Grafik-adventure mit dem Arbeitstitel »Deadly Secrets«, das immer noch unvollendet ist.

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Links sieht man die Glückwunschkarte, mit der Brøderbund den Programmierern mitteilte, daß der »Print Shop« angenommen sei

Mit 19 Jahren Top-Programmierer

Dann kam die Atari-Version von »The Print Shop«, doch die Arbeiten wurden mittendrin unterbrochen, da Brøderbund die C 64-Version für vorrangig hielt. Martin hatte inzwischen die Commodore-Version für die Epson-ähnlichen Drucker beendet, doch Brøderbund wollte das Programm erst verkaufen, wenn es mit den Commodore-MPS-Druckern liefe. So wurde Corey diese schwere Aufgabe anvertraut. Das Hauptproblem war, daß das ganze Programm an die geringere Grafikauflösung dieser Drucker angepaßt werden mußte.

Im August wird ein neues Programm folgen, das sich auch zum Hit entwickeln dürfte; »Print Shop-Companion«. Es ist ein Ergänzungsprogramm für den »Print Shop« zum Erzeugen von eigenen Zeichensätzen und Zierrändern, das auch einen wesentlich verbesserten Grafik-Editor hat. Das Programm wird zunächst für Apple und dann für Commodore verfügbar sein, ob es eine Atari-Version geben wird, ist noch unklar.

Es dürfte sich inzwischen schon herumgesprochen haben, daß es bald »Print Shop«-Versionen für Macintosh und IBM geben wird. Doch eine sensationelle Neuigkeit ist, daß man bereits an einer Amiga-Version arbeitet.

Für 1986 steht die Veröffentlichung eines »Print Shop«-Nachfolgers ins Haus. Corey arbeitet gerade an diesem Projekt, das für dieselben Computer verfügbar sein wird, wie der Vorgänger. Alle weiteren Informationen sind (leider) noch top secret!

Jedem Print-Shop-Käufer ist bestimmt das schöne, bunte Druckerpapier aufgefallen, das dem Programm beigefügt ist. Diese Idee stammt auch von Martin und David. Ihre Firma »Pixellite Computer Products« hat heute 20 Angestellte, Sitz ist ein Büro im alten Synapse-Ge-bäude in Richmond. Pixellite vertreibt Druckerpapier, Umschläge und Farbbänder . in verschiedenen Farben. Der Vertrieb begann zunächst im eigenen Haus. »Das Eßzimmer war unsere Versandabteilung, gefüllt mit Bergen von Kartons. Später wurde auch unser Wohnzimmer belegt.« Inzwischen versucht Pixellite, Kontakt zu Händlern in aller Welt zu finden. Insbesondere sucht man in Europa nach Verbindungen.

David und Martin sehen viele neue Anwendungsgebiete für Computer: »Wir haben nur an der Oberfläche gekratzt.« Martin möchte nächstes Jahr keine konkreten Projekte auf dem Tisch haben, er will mit neuen Anwendungen experimentieren. Zur Zeit setzt er auf C, in Verbindung mit Maschinensprache.

David verdeutlicht die Veränderung im Softwaremarkt am Beispiel Brøderbund; »Brøderbund steckt gerade in der Umwandlung vom Anbieter von Spielen zum Softwarehaus für Anwendungssoftware. 'Print Shop' war dabei so etwas wie der Wendepunkt.«

Nun wird sich der eine oder andere Leser sicher fragen, wie man in diese Branche einsteigt. Hier einige Hinweise von den »Print Shop-Schöpfern, die ja auch am Nullpunkt begonnen haben: »Leider ist im Softwaregeschäft aller Anfang schwer und oft enttäuschend. Zunächst einmal muß man das Programmkonzept erarbeiten und das Programm so weit vollenden, daß es kein allzu großer Schritt mehr zum marktreifen Produkt ist. Man kann dem Softwarehaus durchaus seine noch nicht im Programm realisierten Pläne zusenden, doch müssen sie schon sehr detailliert ausgearbeitet sein. Man wird dann die Meinung des Softwarehauses über das Konzept erfahren, doch eine Zusage zur Veröffentlichung erhält man unserer Erfahrung nach erst, wenn man in dem Programm sehr weit fortgeschritten ist. Nach dem ersten Kontakt mit der Softwarefirma bekommt man dann ein sogenanntes 'Nondisclosure-Agreement' angeboten, das einen gegen das Abkupfern der Idee sichert.«

Martin empfiehlt, sich nicht gleich von einer negativen Antwort einschüchtern zu lassen: »Mindestens zweimal lehnte Brøderbund das Spiel 'Lode Runner' ab, denn die Grafik war anfangs wirklich schlecht. Der Programmierer Doug Smith setzte sich wieder an das Programm und verbesserte es; schließlich nahm Brøderbund an und es wurde ein Riesenhit.«

David geht auf das Ortsproblem ein: »Es ist ein großer Vorteil, hier im Zentrum der Software-Industrie, der San-Francisco-Bay-Area. zu wohnen, da Firmen wie Brøderbund viele Programmangebote per Post zugeschickt bekommen. Es ist immer besser, wenn man persönlich in die Firma gehen und das Programm vorstellen kann. Aber wenn die Firma einmal ein Programm zur Veröffentlichung angenommen hat, beginnt erst die richtige Arbeit. Oft wird gewünscht, daß der Programmierer kommt und mit jemandem aus der Firma an dem Programm arbeitet. Zum Beispiel wurde der Programmierer von 'Karateka', der an der 3000 Meilen entfernten Ostküste lebt, für letzten Sommer eingeflogen, um an dem Projekt zu arbeiten.



Aus: Happy Computer 08 / 1985, Seite 14

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