Interview David Crane: Ein Gespräch mit dem »Ghostbusters«-Autor

An einem verschneiten Februarmorgen besuchte David Crane unsere Redaktion und unterhielt sich zwei Stunden lang über die neuen Software-Trends, die »Ghostbusters«-Entstehungsgeschichte und vieles mehr mit uns.

David Crane, der Mitbegründer und Top-Programmierer von »Activision«, wurde vor 30 Jahren in Nappanee im US-Bundesstaat Indiana geboren. Heute lebt er mit seiner Frau Cathy in Atherton, Kalifornien.

Er wurde mehrmals zum »Designer des Jahres« gewählt und erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Spiele »Pitfall«, »Pitfall II« und »Decathlon«. Sein jüngstes Programm, »Ghostbusters«, steht an der Spitze aller wichtigen Charts. Weltweit wurden zirka sechs Millionen Spielprogramme von David Crane verkauft.

»Unterhaltung ist nicht nur Spiel«

Happy-Computer: Einige Branchenkenner meinen, daß Computerspiele in Zukunft an Bedeutung verlieren werden und der Trend zu ernsthaften Anwendungen geht. Glaubst Du das auch?

David: Nein. Drei Viertel der Leute benutzen den Computer, um sich in erster Linie zu unterhalten. Der Rest nutzt ihn zum Lernen oder Arbeiten und erst zweitrangig zur Unterhaltung. Ich mache mir überhaupt keine Sorgen um die Zukunft der Unterhaltungs-Software.

Andererseits haben diese Leute nicht völlig unrecht, denn Spiele sind nicht der ganze Unterhaltungs-Markt. In der Vergangenheit waren Spiele die einzige Unterhaltungs-Software. Man hat etwas abgeschossen oder eingefangen und Punkte erzielt. Wir entwickeln nun neue Formen der Unterhaltungs-Software und das sind keine Spiele.

Zwei aktuelle Beispiele sind »The Designer's Pencil« und »The Music Studio«.

Happy-Computer: Ja, mit dem »Designer's Pencil« haben wir schon unsere Erfahrungen gemacht.

David: War es Unterhaltung?

Happy-Computer: Es hat eben Spaß gemacht.

David: Es hat also Spaß gemacht, ohne daß Du Punkte bekommen hast. Genauso wie es Spaß macht, beantwortet es auch die Frage »Ich habe einen Heimcomputer. Was mach ich damit? Gebt mir etwas zu tun.«

In meinem Herz wird immer ein Platz für Spiele sein. Aber ich will auch etwas anderes machen. Das »Music Studio« ist ganz ähnlich wie »The Designer's Pencil«, aber statt Bilder macht man Musik.

Happy-Computer: Welchen Computer hast Du zu Hause stehen?

David: Einen Commodore 64. Die Grafik ist mindestens so gut wie bei anderen Computern und der Sound ist am besten.

Happy-Computer: Ist der C 64 Dein Lieblings-Computer?

»Wir machen Software für alle Heimcomputer«

David: Ja, heute ist es der Commodore und morgen wird es ein anderer sein. Es ist der einzige Computer, den ich zu Hause habe. Ich arbeite zu Hause nicht mit Computern, das mache ich den ganzen Tag bei der Arbeit.

Happy-Computer: Auf der letzten CES in Las Vegas präsentierten Commodore und Atari ihre neuen Computer. Außerdem halten Geräte wie IBM und Macintosh auch in den Privathaushalten Einzug. Für welche Computer wird Activision in Zukunft Software veröffentlichen?

David: Für alle. Wir haben immer Software für alle Computer gemacht, die sich im Heimbereich gut verkauft haben. Wir bringen zur Zeit Software für neun oder zehn verschiedene Modelle heraus. Ich mache meine Programme zuerst auf dem Commodore 64 und dann werden sie auf andere Systeme umgesetzt.

»Zu Hause habe ich den Commodore stehen«

Happy-Computer: Machst Du die Umsetzungen?

David: Nein, die Umsetzungen werden gemacht, während ich schon an was Neuem arbeite.

Happy-Computer: Bleiben wir bei den Computern. Mittlerweile werden die ersten Spiele veröffentlicht, die 128 KByte Arbeitsspeicher brauchen. Wird Activision sich diesem Trend anschließen?

David: Bevor die das tun, machen wir die Diskette voll und lassen einzelne Teile nachladen. Ehe wir ein Spiel machen, das einige nicht haben können, weil ihr Computer nicht genug Speicher hat, trennen wir es in Teile.

Happy-Computer: Die Diskette läuft der Kassette also immer den Rang ab?

David: In den USA hat so gut wie niemand Kassetten. Wir sind halt sehr ungeduldige Leute. Bei uns benutzen 19 von 20 C 64-Besitzern ein Diskettenlaufwerk.

Happy-Computer: Activision wurde vor ein paar Jahren gegründet und begann mit Software für die Videospiel-Konsolen. Kannst Du uns etwas über diese Gründerzeit erzählen?

David: 1979 starteten wir Activision mit dem Grundsatz, daß Videospiele der erste Schritt zum Heimcomputer sind.

Ein Videospiel ist ja auch eine Art Heimcomputer. Es hat halt keine Tastatur, keine Anschlüsse und nicht so viel Speicher. Wir sahen damals, daß der Videospiel-Markt in einen Heimcomputer-Markt wechseln würde. Es ist schon recht lustig, wenn wir heute unseren alten Plan von 1979 lesen, in dem steht, daß Activision Anfang 1985 zur Heimcomputer-Software überschwenken wird. Wir haben eine Menge Veränderungen gemacht. Wir änderten unser Logo, wir änderten unser Image, wir strukturierten die Firma um.

Happy-Computer: Stimmt es, daß alle Gründungsmitglieder von Activision ehemalige Atari-Mitarbeiter sind?

David: Vier von uns waren Spiele-Programmierer bei Atari Wir fühlten, daß es Zeit war für eine unabhängige Software-Firma. Es war niemals in Ordnung, daß Atari der einzige Software-Produzent für das Atari-System war. Und Mattel der einzige Software-Produzent für Intellivision. In beiden Fällen machten die Hardware-Hersteller die eigene Software. Das gibt keinen Sinn, denn Software ist ein kreatives Produkt, dem es egal ist, auf welcher Maschine es läuft.

Das ist wie bei Schallplatten: Du würdest Deine Platten auch nicht nur von der Firma kaufen, von der Du den Plattenspieler hast.

»Ich arbeite bis zu zwölf Monate an einem Programm«

Happy-Computer: Du hattest einige große Erfolge in den letzten Jahren wie »Decathlon«, »Pitfall« und natürlich »Ghostbusters«. Wie lange arbeitest Du eigentlich an einem kompletten Spiel?

David: In der Vergangenheit habe ich zehn bis zwölf Monate an einem Spiel gearbeitet Manchmal habe ich eines der kleineren Projekte auch in sechs Monaten geschafft. Die Projekte sind jetzt größer als sie einmal waren und werden deshalb zeitaufwendiger.

Happy-Computer: Arbeitest Du auch zu Hause?

David: Zu Hause — nein. Ich habe allerdings Geräte daheim. Wenn ich eine Idee mitten in der Nacht habe, stürze ich mich an den Computer und halte sie fest

Happy-Computer: Was machst Du privat gerne?

David: Ich spiele viel Tennis, und ich habe einen großen Garten, in dem ich viel arbeiten muß, egal, ob's mir paßt oder nicht.

Happy-Computer: Bei »Ghostbusters« hat es das erste Mal geklappt, das Spiel zum Film rechtzeitig zu veröffentlichen, während der Film noch in den Kinos läuft. Wie hast Du das so schnell geschafft?

David: Das ist natürlich eine lange Geschichte. Wenn ich ein Spiel mache, habe ich selten eine konkrete Idee. Normalerweise spiele ich herum, mache Bilder oder Musik und so weiter Einige Monate vor »Ghostbusters« begann ich an einem Programm zu arbeiten. Ich hatte keine spezielle Idee, also fing ich mit irgend etwas an. Ich hatte ein Spiel vor Augen, bei dem man ein Auto ausrüstet, wovon dann der restliche Ablauf abhängig ist. Du mußt die richtigen Dinge aufs Auto tun, sonst geht später etwas schief.

Happy-Computer: Du hattest also eine vage Idee zu einem Spiel, wußtest aber nicht so recht, was dabei herauskommen sollte?

David: Genau, ich hatte keine Ahnung, abgesehen davon, daß ich mit einem Auto anfange. Ich machte an diesem Spiel erst mal weiter. Ich sagte mir »Okay, Du hast ein Auto. Was kannst Du damit machen?«. Ein Auto hat zu fahren. Also machte ich das Bild mit der Straße. Dann dachte ich mir, daß man von einem Ort zum anderen fahren muß. Also machte ich die Stadtkarte und darauf ein Symbol, das zeigt, wie weit Du fährst.

Dann gingen meine heutige Frau und ich ins Kino, damals war sie noch meine Verlobte. Wir schauten uns den Film »Ghostbusters« an und ich mochte ihn.

Ich sah ihn, als er gerade anlief und mir hatte noch niemand erzählt, wie gut er sei.

Am nächsten Tag ging ich zur Arbeit und jemand sagte zu mir: »Oh, Du hast 'Ghostbusters' gesehen. Willst Du das Computerspiel dazu machen?« Activision und Columbia Pictures hatten sich gerade über ein Spiel zum Film geeinigt. Das war Anfang Juni 1984. Und die meisten unserer Produkte, die Weihnachten im Handel sind, sind schon im Juli fertig.

»Ich mußte 'Ghostbusters' in sechs Wochen schaffen, um meine Flitterwochen nicht zu verpassen«

Es hätte keinen Sinn gehabt, das Spiel mit zwei Jahren Verspätung herauszubringen. Wenn es bis Weihnachten nicht fertig war, war es zu spät. Es war nur bis dahin zu schaffen, wenn man ein Spiel hatte, an dem bereits die Arbeit von sechs Monaten getan war.

In dieser Nacht schaute ich mir den Film noch mal an und machte Notizen. Wenn das Spiel, an dem ich gerade arbeitete, passen würde, könnte es klappen. Und wie wir alle wissen, sind die Übereinstimmungen phänomenal. In dieser Nacht habe ich das Konzept für das Spiel gemacht und am nächsten Tag das Projekt angenommen. Und ich schaute mir meinen Zeitplan an: Ich hatte in sechs Wochen meinen Hochzeitstermin. Ich mußte ein neues Spiel in sechs Wochen schaffen, um meine Flitterwochen nicht zu verpassen.

»Fortsetzungsspiele sind eine gefährliche Sache«

Von da an arbeitete ich zwölf Stunden am Tag. Es wäre unmöglich gewesen, wenn ich nicht schon die Arbeit von einigen Monaten gemacht hätte. Bei der Programmierung von Spielen arbeite ich meistens allein. Aber da waren eine Menge Dinge, von denen ich wußte, daß ich keine Zeit hatte, um sie zu tun. Der einzige Weg war mit anderen zusammenzuarbeiten.

Als ich das Spiel programmierte, machte ich sehr grobe Bilder, ein Viereck für ein Gebäude zum Beispiel. Eine Grafikerin »malte« dann die endgültigen Bilder. Ein Programmierer arbeitete mit ihr, damit die Bilder auch gleich ins Programm übernommen werden konnten, sobald sie fertig waren.

Happy-Computer: Hat die Musik auch ein Spezialist gemacht?

David: Die Musik wurde ja von Ray Parker jr. komponiert. Die Umsetzung für das Programm habe ich selbst gemacht, was eine Woche dauerte.

Happy-Computer: Werdet Ihr öfters Spiele zu Filmen machen?

David: Seit Activision in der Branche ist, haben wir uns alle Sorten von Filmen angesehen, doch wir haben alle Umsetzungspläne jedesmal verworfen. »Ghostbusters« hingegen war als Computerspiel geeignet. Es paßte.

Happy-Computer: Wahrscheinlich wird es eine Fortsetzung des Films »Ghostbusters« geben. Wie sieht's aus mit einer Fortsetzung zum »Ghostbusters«-Spiel?

David: Fortsetzungen sind gefährlich.

Happy-Computer: Aber Fortsetzungen sind gerade bei Computerspielen sehr erfolgreich. Nimm zum Beispiel »Pitfall« und »Pitfall II«.

David: »Pitfall« und »Pitfall II« mag eine der wenigen Ausnahmen sein. Als ich »Pitfall II« machte, brachte ich Pitfall-Harry zurück — in einem völlig neuen Spiel. Wenn es nicht ein wesentlich besseres Spiel wäre, hätte ich es nicht getan. Vielleicht setzen wir nie wieder einen Film als Spiel um, wir könnten aber auch schon morgen so etwas wieder machen.

Happy-Computer: Wenn »Ghostbusters 2« ein guter Film mit neuen Ideen ist, der sich als Computerspiel eignet, würdest Du es wieder tun?

David: Das ist möglich. Das mußte aber nicht ich machen, vielleicht ein anderer. Es ist noch nicht entschieden, denn es ist immer noch nicht sicher, ob »Ghostbusters 2« überhaupt gedreht wird. Aber ich habe dasselbe Gerücht gehört.

Happy-Computer: Kannst Du unseren Lesern einige Tips zu »Ghostbusters« geben?

David: Natürlich weiß ich einige Tricks, aber ich verrate sie normalerweise nicht. Nur soviel: Auf der Stadtkarte sollte man vorsichtig sein, fahrt nicht zuviel in der Gegend herum. Nehmt immer den kürzesten Weg.

Happy-Computer: Wie sieht es eigentlich in den USA mit Software-Piraterie und Raubkopien aus?

David: Jemand, der Software kopiert, ist sich nicht im klaren darüber, daß er etwas schlechtes tut. Er versteht nicht, daß ein Dutzend Leute zirka dreitausend Stunden an »Ghostbusters« gearbeitet haben und daß so ein Aufwand viel Geld kostet.

»Raubkopien kosten dem Spieler das nächste starke Spiel«

Wenn »Ghostbusters« seine Kosten nicht hereinholt, werden wir sowas nie wieder machen.

Die Kopiererei kostet den Spieler das nächste starke Spiel. Der Kopierer reduziert seine eigenen Chancen, Klasse und Qualität zu sehen. Denn wenn die Piraterie eine Firma viel Geld kostet, werden die nachfolgenden Produkte nicht mehr erstklassig und professionell sein.

Da sind Beispiele wie die Spiele von Lucasfilms. Sie kamen als Raubkopien heraus, lange bevor sie verkauft wurden. Und so beschloß die Firma, sie nicht mehr in den Handel zu bringen, weil die Raubkopien schon herumgingen. Der Markt war nicht mehr da.

Happy-Computer: Welche Spiele magst Du eigentlich privat?

David: Mein Lieblingsspiel ist immer das, an dem ich gerade arbeite. Ich arbeite Tausende von Stunden an einem Spiel und darf das Interesse daran nicht verlieren.

Wenn man den Computer mal ausklammert, ist Tennis mein Lieblingsspiel. Ich spiele es und ich schaue gerne dabei zu. Und ich spiele Bridge — mit richtigen Karten und am Computer.

Happy-Computer: Einige Worte zum lieben Geld. Ich glaube, Activision ist finanziell gesund.

David: Das stimmt. Wir haben mehr Geld als erwartet, denn wir waren die Nummer eins bei Videospielen und sind jetzt auch bei der Computer-Software ganz vorne mit dabei.

Happy-Computer: Wie wird der verhältnismäßig kleine europäische Computer-Markt eigentlich in Amerika gesehen?

»Europa ist den USA zwei Jahre voraus«

David: Der europäische Markt ist für Activision sehr wertvoll, weil er anders ist als der amerikanische. Wenn die Märkte unterschiedlich sind, hast Du auf dem einen ein Hoch während der andere gerade ein Loch hat. Es ist ein sehr guter, stabilisierender Zustand für die Branche.

Aber das Lustigste ist: Mir wurde von Leuten aus Handel, Vertrieb und Marketing gesagt, daß Europa den USA zwei Jahre voraus ist. Der Grund ist unser starkes Wachstum bei den Videospielen, das den Beginn des Computer-Geschäfts verzögerte. Da die Videospiele in Europa nie so richtig einschlugen, entwickelte sich dort bereits eine Computer-Szene.

Happy-Computer: »The Designer's Pencil« war Euer erstes Programm, das kein Spiel war. Wie ist es angekommen?

David: Der »Designer's Pencil« ist sehr populär in den USA. Es ist ein wundervolles Produkt, doch einige Leute werden es ansehen und sagen: »Oh, nur noch so ein Logo.« Oder sie sagen: »Das ist ein Malprogramm. Aber es gibt bessere Malprogramme.«

Wenn du begabt bist und malen kannst, gibt es eine Menge besserer Zeichenprogramme. Doch wenn du mit Deinem Finger auf einem Koala Pad nicht zeichnen kannst, dann ist »The Designer's Pencil« das Richtige für Dich.

Happy-Computer: Fragst Du Deine Frau um ihre Meinung, wenn Du ein neues Programm machst?

David: Ich mache Spiele, die mir und den Leuten um mich herum Spaß machen. Meine Frau schaut auch mal auf den Bildschirm und sagt: »Oh, das ist schön« oder »der Mann da sieht aus wie ein Frosch.«

Happy-Computer: Ist das Dein erster Besuch in Deutschland?

David: Mein zweiter. Letztes Jahr um Weihnachten rum war ich schon mal da. Es wird auch heute bestimmt nicht das letzte Mal gewesen sein.

Happy-Computer: Schön, daß Du für unsere Leser und uns Zeit gefunden hast, David,



Aus: Happy Computer 05 / 1985, Seite 17

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