Pascal-Toolbox

Nicht jeder soll das Rad neu erfinden müssen!" Das ist der Gedanke, der hinter der "Pascal Toolbox" von Semiotic Soft steht. Diese Sammlung von über 400 Unterprogrammen soll dem Pascal- Programmierer die Arbeit erleichtern. Die auf drei Disketten gelieferten Include-Dateien und Module wurden mit dem ST-Pascal-Plus-System von CCD entwickelt. Wer über diesen Compiler in einer Version ab 2.00 verfügt, kann die vorhandenen Bibliotheken direkt in, ein Programm einbinden.

Für Benutzer anderer Systeme sind alle Routinen als Sourcecode vorhanden. Da die meisten Unterprogramme vorwiegend in Standard-Pascal geschrieben sind, sollte die Portierung auf andere Pascal-Compiler keine Schwierigkeiten bereiten. Wenn man auf die Routinen verzichtet, die speziell auf die Hardware des ST zugeschnitten sind (z.B. in den BIOS-, GEMDOS- und Grafikmodulen), lassen sich Unterprogramme dieser Toolbox auch auf anderen Rechnersystemen verwenden.

Die Include-Dateien werden mit Hilfe der Compiler-IncludeOption in ein Pascal-Programm eingebunden oder mit dem Editor zum Quelltext hinzugeladen. Auf diese Weise wurden GEMRoutinen, Mathematikalgorith- men, Menüroutinen, Such- und Sortieralgorithmen, abstrakte Datenstrukturen sowie ISAMDateiverwaltungs- und TOSRoutinen implementiert. , Bei den Such- und Sortieralgorithmen hat man weit verbreitete wie Quick- Sort, Shell-Sort, Heap-Sort und binäres Suchen verwendet. Auch für die abstrakten Datenstrukturen sind bekannte Begriffe wie AVL-Bäume, binäre Bäume und Keller bearbeitet worden. Neben ihrem praktischen Nutzen haben diese Algorithmen und Datenstrukturen gerade für Programmieranfänger einen sehr großen didaktischen Wert. Die Dateien sind meist so strukturiert, daß sich der Grunddatentyp den Wünschen des Pro- grammierers entsprechend ändern läßt.

Bei den Modulen handelt es sich um Objectcode-Dateien, die erst vom Linker in das Programm eingebunden werden. Sie machen den größeren Teil der "Pascal Toolbox" aus. Sie sind zu den Themengebieten Dateiverwaltung, GEM, Funktionsgraphen, komfortable Eingabe, Mathematik, Numerik, Tools, Menü, Turbo Pascal und Hardcopy vorhanden.

Die Unterprogramme in den GEM-Modulen erleichtern die Entwicklung von GEM-Programmen. Besonders nützlich ist der Window-Manager, mit dem sich einfache Fenster, die maximal eine Bildschirmseite enthalten, erzeugen lassen. Die Verwaltung von Inhalt und Bewegung des Windows wird durch diese Routine vollständig abgedeckt. Auch der Dialog-Manager nimmt dem Programmierer viel Verwaltungsarbeit bei der Erstellung von Dialogobjekten ab.

Leider hat es den Anschein, daß einige dieser Routinen, um den Zeit- und Programmieraufwand zu minimieren, hardwarespezifisch implementiert wurden. Dies hat zur Folge, daß Programme eventuell nicht mit Hardware- Erweiterungen, beispielsweise einem Ganzseitenmonitor, zusammenarbeiten. Der Grund ist vor allem aber auch darin zu sehen, daß die Implementation von GEM auf dem Atari zu langsam ist. In vielen Programmen wird deshalb die Hardware-Unabhängigkeit der Grafikausgabe aufgegeben, um eine höhere Ablaufgeschwindigkeit zu erzielen.

Das Turbo-Pascal-Modul enthält einige Unterprogramme, die Turbo- Pascal-Befehle imitieren. Die Routinen dieses Moduls er- leichtern die Portierung von entsprechenden Programmen auf den Atari ST. Da mit Turbo Pascal aber auch sehr häufig im Informatikunterricht an Schulen oder in Programmierkursen gearbeitet wird, kann der Pascal- Anfänger auch auf dem eigenen Rechner Aufgaben und Beispielprogramme bearbeiten, ohne diese jedesmal in einen anderen Pascal-Dialekt übersetzen zu müssen.

Um einen Überblick über eine solche Vielzahl von Routinen zu gewinnen, benötigt man natürlich einige Zeit, aber auch eine detaillierte Beschreibung. Das ca. 100seitige Handbuch wird dieser Anforderung leider nicht gerecht. Die einzelnen Routinen sind oft nur sehr knapp beschrieben. Die Häufigkeit von Tippfehlern läßt zudem vermuten, daß unter Zeitdruck gearbeitet wurde. Ein Index, mit dessen Hilfe man einzelne Funktionsdefinitionen nachschlagen könnte, ist auch nicht vorhanden.

Auf eine Dokumentation des Sourcecodes hat man vollständig verzichtet. Änderungen, die bei der Anpassung der Bibliotheken an andere Compiler nötig sein könnten, werden damit unnötig erschwert. Auch der didaktische Wert dieser Unterprogrammsammlung ist durch das Fehlen von Erläuterungen stark beeinträchtigt. Um einen Einblick in die strukturierte Programmierung zu erhalten, wäre eine kommentierte Algorithmensammlung dieses Ausmaßes sicher sehr nützlich.
Dem erfahrenen Pascal-Programmierer steht mit dieser Toolbox ein Hilfsmittel zur Verfügung, das den Arbeitsaufwand bei der Entwicklung von Programmen deutlich zu reduzieren vermag. Besitzern des Pascal-Compilers von CCD kann man dieses Software-Produkt durchaus empfehlen. Trotz der Mängel, welche die "Pascal Toolbox" aufweist, ist ihr Preis von 99.DM als günstig zu betrachten.


Bernd Barsuhn
Aus: Atari-Magazin 09 / 1989, Seite

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