Easy-Draw Supercharger (ST)

Wer seinen ST schon etwas länger besitzt, kennt vielleicht auch "Easy-Draw". Die ersten Fassungen dieses objektorientierten Zeichenprogramms wurden bereits recht bald nach Erscheinen des ST vorgestellt. Mittlerweile liegt nun mit der Version 2.3 ein überarbeitetes Programm vor, das für den deutschen Sprachraum von Markt & Technik vertrieben wird. Es nennt sich "Easy-Draw SuperCharger":

"Easy Draw" ähnelt sehr dem bekannten "GEM-Draw", das ja auch für unter GEM betriebene PCs erhältlich ist. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei "EasyDraw" (und auch bei "GEMDraw") um objektorientierte Zeichenprogramme. Dies bedeutet, daß Zeichnungen nicht mit Pinseln, Stiften und Sprühdosen auf einem Blatt Papier erstellt, sondern aus zahlreichen Objekten zusammengesetzt werden. Diese bestehen meist aus geometrischen Formen wie Kreisen, Rechtecken, Kreissegmenten oder Vielecken. Sie werden jedoch nicht einfach auf ein Arbeitsblatt gestempelt, sondern aus einem Blatt Papier ausgeschnitten und lediglich auf die Arbeitsseite gelegt. So ist es dann auch jederzeit möglich, ein Objekt, das durch andere ganz oder teilweise verdeckt wird, wieder hervorzuholen und obenauf zu legen, zu verschieben, mit einer neuen Farbe auszumalen usw.

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Zwar ist "Easy-Draw" objektorientiert, dennoch können Bit Image-Bilder eingelesen werden

Noch interessanter wird das Ganze durch die Fähigkeiten des Computers, einzelne Objekte beispielsweise zu vergrößern, zu verkleinern, zu vervielfältigen und zu drehen. Ein aus mehreren Grundformen bestehendes Teil läßt sich auch zu einem neuen verbinden. Aus einem Kreis und ein paar Bogenlinien entsteht dann z.B. ein Gesicht. Hat man die entsprechenden Formen vereinigt, werden beim Vergrößern oder Verkleinern alle enthaltenen Objekte im richtigen Verhältnis mitbearbeitet. Dank dieser Technik läßt sich leicht eine Bibliothek mit häufig benötigten Symbolen anlegen. Da "Easy Draw" auch zwei gleichzeitige Arbeitsblätter erlaubt, kann man den Zweitbildschirm sehr gut als Lager für bereits definierte Objekte verwenden.
Die Einsatzbereiche objektorientierter Zeichenprogramme liegen also erst in zweiter Linie im künstlerischen Bereich. Man nutzt sie vielmehr für technische Zeichnungen und ähnliche Anwendungen. Hier sind sie auch deshalb besonders interessant, weil sich die erstellten Zeichnungen sehr einfach mit Pfeilen, Text und ähnlichem versehen lassen.

Außer den gewohnten GEM-Grundformen, die eigentlich in allen objektorientierten Grafikprogrammen zur Verfügung stehen (z.B. Kreis, Ellipse, Rechteck, Linie, Linienzüge und Kreissegment), können nun endlich auch Kreisbögen gezeichnet werden, wobei sich Start- und Endwinkel über die Cursor-Tasten beliebig abwandeln lassen, Die Möglichkeit, eine Größenänderung nur im richtigen X/Y-Verhältnis zuzulassen, trägt ebenso wie die wahlweise Bemaßung in Zoll oder Zentimeter dazu bei, schnell und effektiv zu konstruieren. Natürlich können auch bei "Easy-Draw" die GEM-üblichen Füllmuster inklusive eines frei editierbaren verwendet werden. Bei den Linienstärken, -Stilen und -endungen bedient man sich ebenfalls der GEM-Routinen. Unüblich, jedoch sehr praktisch ist das stufenlose Zoomen von Details. Der gewünschte Ausschnitt läßt sich mit einer Gummiband-Box wählen und wird dann bildschirmfüllend dargestellt.

"Easy-Draw" ist also sehr vielseitig. Es kann für Baupläne, Schilder, Schalt- und Programmablaufpläne, technische Zeichnungen und vieles mehr eingesetzt werden. Die Distributoren des Programms gehen sogar so weit, ihr Produkt als preiswerte Alternative zum Desktop-Publishing anzupreisen. Tatsächlich bietet "Easy-Draw" die Möglichkeit, ASCII-Texte zu laden und sogar im Blocksatz in eine Box zu packen, wobei sich natürlich beliebig Grafiken, Rahmen, Symbole usw. hinzufügen lassen. Verschiedene Zeichensätze sind selbstverständlich in mehreren Größen mit den gewohnten Textattributen (fett, kursiv usw.) möglich. Das WYSIWYG-Prinzip wurde ebenfalls verwirklicht. Die Handhabung von Texten ist allerdings recht unkomfortabel. Für Dokumente, die über ein einfaches Plakat hinausgehen, ist man dann doch auf DTP oder gute Textverarbeitungen angewiesen.

Für die Ausgabe kommt eine Version von OUTPUT.PRG zum Einsatz (in der deutschen Fassung entsprechend AUSDRUCK.PRG), die durch einen Eintrag in der "Easy-Draw"-Menüleiste aufgerufen wird. Es handelt sich also um ein eigenständiges Programm, das über die GEM-Treiber jedoch auch auf unterschiedlichen Geräten ausgeben kann! Angeboten werden hier (Matrix-)Drucker, Plotter, Kameras und der Bildschirm. Nutzt man die Möglichkeit, die auszugebenden Bilder in der gewünschten Reihenfolge in eine Bearbeitungsliste einzutragen, läßt sich AUSDRUCK.PRG auch als Bilder-Show auf dem Monitor verwenden. Der Nachteil eines separaten Ausgabeprogramms liegt jedoch im notwendigen Wechsel der Disketten, wenn man nur über ein Laufwerk verfügt. Vor allem fehlt dann die Benutzerführung für den Wechsel im rechten Moment.

Die Ausgabequalität von Grafiken ist sehr gut, entspricht bei Text aber noch nicht ganz dem, was möglich und wünschenswert wäre. Zumindest auf 9-Nadel-Druckern ist es nichts mit der Aussage: DTP mit "EasyDraw". Dies liegt vor allem an den recht unregelmäßigen Buchstabenabständen, besonders bei fetter Schrift oder größeren Fonts.

Was ist nun anders beim neuen "Easy-Draw"? Auf der letzten der drei Disketten befindet sich das Programm "SuperCharger".
Seine Menüleiste bietet fünf verschiedene Möglichkeiten, Bilder zu laden. Verfügbar sind "Degas", "Degas-Elite", "Mac Paint", "Neochrome" und das GEM-.IMG-Format. Lädt man nun beispielsweise eine farbige "Neochrome"Grafik, so erfolgt deren Konvertierung in ein SWBild, indem die Farben in Grautöne umgerechnet werden. Diesen Vorgang kann der Anwender durch die Zuordnung von Graumuster und Farbe jederzeit ändern, bis ein ausreichend kontrastreiches Bild vorliegt. Kleinere Modifizierungen lassen sich dank eines einfachen Malstiftes sogar vor Ort durchführen. Das Ergebnis kann invertiert und dann ganz oder in beliebigen Ausschnitten als .IMGFile abgespeichert werden.
Im eigentlichen "Easy-Draw"-Programm der Version 2.3 sind verschiedene Menüpunkte hinzugekommen, die das Einbinden von Bildern ermöglichen. So findet sich in der Icon-Box, die mit der rechten Maustaste aktiviert wird, jetzt auch die Funktion Bild. Mit ihr läßt sich eine Box zeichnen, die dann mit einer Grafik gefüllt wird. Leider lädt "Easy-Draw" das Bild bei jeder Veränderung des aktuellen Bildschirms wieder neu von Diskette nach. Ein verzögerungsfreies Arbeiten ist also nur möglich, wenn man das Update der Grafiken ausschaltet.

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Bisher werden nur 9-Nadler unterstützt, aber ein 24-Nadel-Druckertreiber ist angekündigt

Da die Darstellung der Bilder auf dem Drucker sehr von der verwendeten Größe in Verbindung mit der Auflösung des Printers abhängt, kommt man um einige Versuche nicht herum. Besondere Schwierigkeiten bereitet das ungerade Verhältnis zwischen horizontaler und vertikaler Auflösung bei 9-Nadel-Druckern (120 x 144 Punkte/ Zoll). Während das Ausgabeprogramm diese Tatsache bei konstruierten Kreisen berücksichtigen und damit ausgleichen kann, ist es möglich, daß bei Bildern unerwünschte Verzerrungen auftreten.

Als .IMG-File lassen sich ja nicht nur Bilder, sondern auch Schriftzüge, Symbole und ähnliches speichern. Damit gelingt es, tatsächlich DTP-ähnliche Ergebnisse zu erzielen. Hier ist das mitgelieferte Migraph-SnapshotAccessory besonders interessant. Mit ihm kann man aus anderen Programmen beliebige Teile des Bildschirminhalts ausschneiden und ebenfalls als .IMG abspeichern. So lassen sich z.B. auch Überschriften verwenden, die mit Hilfe des im ATARI magazin 12/88 vorgestellten "Headline"Programms erzeugt wurden.

Das Programm und die Anleitung sind komplett in Deutsch gehalten. Da die Anleitung aber nur um Updates zu "SuperCharger" sowie Neuerungen am eigentlichen Programm ergänzt wurde, entsteht ein kleines Durcheinander; manche Funktionen sind an mehreren Stellen behandelt.
"Easy-Draw" läßt sich durch verschiedene Zusatzpakete noch erweitern. Angekündigt sind bisher ein 24-NadelDruckertreiber, weitere Zeichensätze für 9-Nadel-Geräte, ein technisches Grafikpaket sowie der erste Teil einer Bildersammlung.
Zum Betrieb von "EasyDraw" benötigt man einen Atari ST mit mindestens 1 MByte RAM, einen Monochrom- oder Farbmonitor und wenigstens ein doppelseitiges Diskettenlaufwerk. Optional ist ein Drucker (Matrixdrucker IBM, FX-80 oder Kompatible). Der Preis für dieses Zeichenprogramm beträgt 179,- DM.


Thomas Tausend
Aus: Atari-Magazin 04 / 1989, Seite

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