Hardware-Test: MEGA-Vision

Farbgrafikkarten gehören mittlerweile fast zur Standardaustattung eines Atari. Der Wunsch nach den Farbtripeln, die den zeitgemäßen 3D-Look ermöglichen, lässt auch so manchen "Minimalisten" an die Anschaffung eines farbtauglichen Ersatzes für den altgedienten SM 124 denken.

Eine bereits vor einigen Jahren von der Firma SANG in Essen entwickelte Farbgrafikkarte ist nun wieder zu haben: die MEGA-Vision 300. Die Karte wurde bereits 1992 von der ST Computer unter die Lupe genommen (Ausgabe 9/1992/S.31) und in Bezug auf den Treiber und den Preis, damals 1498,- verhältnismäßig schlecht beurteilt. Inzwischen sind einige Jahre ins Land gezogen, preislich hat sich einiges getan und den Rest (z.B. Treibersoftware) haben wir uns einmal angeschaut.

Startbedingungen

Die Karte kommt in einem stabilen Schuber daher, auf dem einige Leistungsdaten abgedruckt sind. Im Lieferumfang enthalten ist ein Handbuch als Ringordner, die Treiberdiskette Version 26.6, sowie die Grafikkarte mit 1 MB VRam. Als Versuchskaninchen dienen uns ein TT mit 4MB ST-Ram, drei Multisysnc- Monitore mit unterschiedlichen Bandbreiten und ein Festfrequenzmonitor.

Installation

Das Lesen des Handbuches nimmt nicht viel Zeit in Anspruch, es ist kurz gehalten und beinhaltet alle für die Installation nötigen Informationen. Wie üblich wird auch hier auf die README-Datei auf der Treiberdiskette hingewiesen, die wichtige Hinweise nachreicht. Der erste Leseversuch scheitert, ein prüfender Blick auf die Diskette offenbart die Leseprobleme. Es handelt sich um eine HD- Diskette, die unser DD-Laufwerk vor eine unlösbare Aufgabe stellt. Da die Dateien auf der Treiberdiskette nur 470KB benötigen, können wir auf einem anderen Rechner alles auf eine DD-Diskette kopieren. Wer keinen sofortigen Zugang zu einem HD-Laufwerk hat, muss die Installation verschieben. Die Softwareinstallation ist ein Kinderspiel. Alles, was zu tun ist, wird von dem Installationsprogramm erledigt, um die Reihenfolge der Programme im AUTO- Ordner beispielsweise braucht man sich nicht zu kümmern. Besonders positiv fällt auf, dass die von dem Programm durchgeführten Aktionen auf dem Atari- Bildschirm mitverfolgt werden können. Nach erfolgreicher Softwareinstallation der obligatorische Reset. An der MEGA-Vision 300 ist ein 14" Multisync mit 40 MHz Bandbreite angeschlossen, also etwas "Normales". Doch statt der erhofften Farbenpracht lesen wir auf dem Atari-Bildschirm nur die Meldung, dass die Karte nicht gefunden wurde. Grund für diesen Mißerfolg ist die Art der Befestigung des VME-Busses in den Atari-Rechnern.
Die Anschlussleiste steckt nur lose in Aussparungen in Platine und Abschirmblech, so dass sich die Grafikkarte unter ungünstigen Umständen nicht weit genug in den VME-Slot schieben lässt. In diesem Fall muss der Rechner geöffnet und der VME- Bus gegen die Karte gedrückt werden. Dieses Problem teilt sich die MEGA- Vision 300 mit anderen Karten, die ordnungsgemäß am Gehäuse verschraubt werden.
Nachdem eine vernünftige Verbindung hergestellt ist, klappt es auf Anhieb. 640 x 400 in 256 Farben stehen zur Verfügung.

Farben und Auflösungen

Mit dem Programm SETUP300.APP lässt sich eine Bootauflösung einstellen, die nach dem nächsten Reset aktiv ist. Hier sollte man Vorsicht walten lassen und die Daten der gewählten Auflösung mit dem Leistungsvermögen des angeschlos- senen Monitors vergleichen. Des Weiteren bieten die mitgelieferten Treiber ST-hoch-kompatible 640 x 400 in zwei Farben und die Möglichkeit einer CLUT-Applikation, auf die darauf zugeschnittene Programme zugreifen können. Im Handbuch ist leider kein Programm genannt, das die CLUT- Applikation nutzt. Die auf dem Schuber angegebenen Auflösungen mit 16,7 Millionen gleichzeitig darstellbaren Farben sind mit den im Lieferumfang enthaltenen Treibern nicht darstellbar, dazu muss ein zusätzlicher Treiber erworben werden.

Eine Umschaltung der Auflösung während des Betriebes ist nicht möglich. Zum Auflösungswechsel muss mit SETUP300.APP eine neue Bootauflösung definiert und ein Reset ausgelöst werden, was unseren Test ein wenig in die Länge zog. Dem zum Trotz waren die Möglichkeiten unseres 14" CTX CMS-3436 bald erschöpft. Das nächstgrößere Modell, ein 15" Galaxy 4F mit 8OMHz Bandbreite, machte wider Erwarten Schwierigkeiten. Obwohl der Monitor bereits an mehreren anderen Grafikkarten klaglos seinen Dienst verrichtete, war ihm mit der MEGA-Vision 300 nichts Annehmbares zu entlocken. Auch das Erstellen einer neuen Auflösung mit einer möglichst genauen Nachbildung des Timings einer Grafikkarte an der der Monitor läuft, brachte keinen Erfolg. Veränderungen an den Syncsignalen blieben ebenfalls ohne positives Ergebnis. Bei der Betrachtung des Signals zur horizontalen Synchronisation mit einem Oszilloskop zeigten sich dem Nutzsignal überlagerte Impulse, die dem Monitor offenbar zu schaffen machen. Ob es nun an der Karte oder am Monitor liegt, soll hier nicht entschieden werden, jedenfalls gibt es zumindest eine Paarung, die nicht funktioniert. Wesentlich erfreulicher verlief die Anpassung eines 21" Festfrequenzmonitors von Hitachi mit einer Bandbreite von 1l0MHz. Dank der vorangegangenen Übungsphase mit dem 15-Zöller war es uns binnen Minuten möglich eine optimal auf den Monitor abgestimmte Auflösung zu erstellen. Das Ausreizen der Grafikkarte bei einer Auflösung von 1184 x 880 in 256 Farben und 8OHz Bildwiederholfrequenz auf einem Belinea 106040 verlief ebenfalls problemlos.

Fragen ... und Antworten

Was nutzt mir die schönste Grafikkarte, wenn mein Programm damit nicht klarkommt?
Diese Frage ist bei der MEGA-Vision 300 leider berechtigt. Als wir die Geschwindigkeit des etwas gemächlich wirkenden Bildschirmaufbaus testen wollten, stürzte das sonst zuverlässige Gembench 3.0 mit einem Laufzeitfehler ab. Die Datei REFERENZ.TXT auf der Treiberdiskette verrät uns, dass u.a. auch Calamus 1.09N und Arabesque Pro nicht mit der MEGA- Vision 300 zusammenarbeiten. Es ist also ratsam sich zu vergewissern, ob die benötigten Programme auf der Karte laufen.

Wie gut sind die Treiber?

Gute Frage. Das mitgelieferte VDI trägt die Versionsnummer 26.6 vom 7.6.93, was nicht nur auf ein reges Updaten in der Vergangenheit, sondern auch auf eine "schöpferische Pause" von knapp zwei Jahren hindeutet. Ein für DM 50,- angebotenes Treiberupdate legt die Vermutung nahe, dass noch Verbesserungen durchgeführt wurden. Ob dieses Update den fehlenden True Color-Treiber beinhaltet und ob die Karte zukünftig gleich mit dem aktuellen Treiber ausgeliefert wird, konnte bis Drucklegung nicht geklärt werden. Für Freunde eines flotten Bildschirmaufbaus ist jedenfalls ein angepaßtes NVDI erhältlich.

Kann ich einen vorhandenen Monitor anschließen?

Die MEGA-Vision 300 bietet enorme Möglichkeiten zur Ansteuerung von Monitoren jeglicher Art, bis hinunter zum Fernseher. Der Patzer mit dem Galaxy 4F sollte dabei nicht überbewertet werden, deshalb gehen wir davon aus, dass die Karte auch an Exoten anzupassen ist.

Fazit

Mit dem Spruch "Das muss jeder für sich selbst entscheiden" wollen wir uns hier nicht aus der Affäre ziehen. Interessant ist die Karte sicherlich für jemanden, der einen preisgünstigen Einstieg in die Farbwelt sucht und mit den lauffähigen Programmen auskommt. Das Wort "Einstieg" ist dabei wörtlich zu nehmen, denn mit dem softwaremäßigen Vollausbau, sprich NVDI 3.02 + aktuelle Treiber + True Color-Treiber, stößt die MEGA- Vision 300 in eine preisliche Region vor, in der bereits Anbieter von programmfreundlicheren Grafikkarten angesiedelt sind. Der Vorteil des Einbaus in den Rechner ohne zusätzliches Gehäuse ist dem gegenüber Makulatur.


us
Aus: Atari Inside 05 / 1995, Seite 9

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