Digital Tracker

Nach NEON, Apex-Media usw. gibt es wieder einmal eine Software, die die bislang ge- glaubten Grenzen des Falcon030 überschreitet: Ein Soundtracker, der neben dem Vermögen, Über MIDI bespielt zu werden, problemlos 32 Stimmen gleichzeitig abspielen kann. Und das bei voller CD-Qualität ...

Wer kennt sie nicht, die Tracker, mit deren Hilfe tolle Songs z.B. in Form von ".MOD"-Files aufgenommen und auch wieder abgespielt werden können? Diese Art von Software ist auf dem AMIGA groß geworden, aber später auch für alle STs erhältlich gewesen. Das Gute an den Trakker-Musikstücken ist, dass sie mit sogenannten Samples, also digitalen Aufnahmen von Originalklängen, arbeiten. Was mich als Musiker, der die Standard-Klaviertastatur gewöhnt ist, stets gestört hat, war die Tatsache, dass die Eingabe einer Musiksequenz nur über die Computertastatur erfolgen konnte.

Die Firma "Frontier Software" aus Frankreich, die sich schon in der Vergangenheit durch hervorragende Demos einen guten Namen in der Szene gemacht hat, wechselte kürzlich die Fronten und programmiert nun professionelle und kommerzielle Software. Eine Tatsache, die ich persönlich für sehr erfreulich halte, da ich von den Leistungen der Demo-Programmierer stets überzeugt gewesen bin.

Das erste Produkt der französischen Truppe nennt sich "Digital Tracker". Es wurde speziell für die Fähigkeiten des Falcon konzipiert und hat sich gegenüber den PD-Vorläufern aus dem selben Hause erheblich gesteigert.

Was kann der Soundtracker?

Sicherlich werden die Musiker unter Ihnen schon am Screenshot erkannt haben, dass dieses Programm nicht wie typische Sequenzer oder Harddiskrecorder gestaltet ist. Das liegt daran, dass die Zielgruppe dieses Trackers ursprünglich im Kreise der Demo- und Spieleprogrammierer zu suchen ist. Aufgrund der MIDI-Anbindung dürfte sich die Menge der potentiellen Interessenten jedoch erheblich erweitern - dazu später mehr. Das absolute Novum am Digital Trakker ist seine Fähigkeit, 32 Stimmen gleichzeitig abzuspielen, wobei Sie natürlich die Möglichkeit besitzen, einzelne Stimmen zu "muten", also auszublenden, bzw. einzelne Stimmen solo zu hören. Selbstverständlich handelt es sich hierbei um 32 mono Samples, die gleichzeitig abgespielt werden können. Doch erfreulicherweise unterstützt das Programm auch den Stereo-Modus. Hierzu haben Sie folgende Möglichkeiten: Entweder Sie legen die Mono-Samples im Raumpanorama fest, also eher links oder eher rechts, oder sie nehmen einen Stereo-Sample auf. Letztere Möglichkeit verbraucht natürlich jeweils 2 Stimmen (links und rechts), so dass Ihnen bei ausschließlichem Gebrauch dieser Samples "nur noch" 16 Spuren zur Verfügung stünden.

Effekte und Soundmanipulation

Nun ja, die Fähigkeiten, die der Digital-Tracker in diesem Zusammenhang bietet, umfassen nicht den Bereich der traditionellen Soundeflenkte wie z.B. Hall, Chorus etc. All dies könnte der DSP mit Sicherheit erzeugen, wäre da nicht das kleine Problem, dass die gesamte Performance dazu gebraucht wird, die 32 Stimmen realisieren zu können. Dennoch hat der Musiker umfangreiche Bearbeitungsmöglichkeiten zur Soundmanipulation. Samples können in der Frequenz variiert, investiert, mit anderen Samples gemischt werden bzw. im Raum positioniert werden. Darüber hinaus gibt es noch viele andere Möglichkeiten, die man am Besten selber ausprobieren sollte. Was außerdem festzuhalten wäre, ist die Tatsache, dass Samples mit verschiedenen Samplefrequenzen und Sampleraten aufgenommen und gleichzeitig abgespielt werden können. D.h., dass Sie für Drum-Sounds z.B. einen 8 bit-Sample bei 16 KHz, und einen Klavier-Sample mit 16 bit und 49 KHz verwenden und beide gleichzeitig wieder abspielen können. Hinzuzufügen wäre, dass der Digital-Tracker ausreichende Sample-Möglichkeiten bietet, so dass Sie eigene Sounds schnell verwerten können.

Musikaufnahmen

Die Aufnahmemöglichkeiten beim Digital-Tracker entsprechen weitestgehend den traditionellen Methoden der ".MOD"- Tracker. Vereinfacht ausgedrückt, haben Sie eine Reihe von Spalten (siehe mittlerer Bereich des Haupt-Screens) und innerhalb der Spalten jeweils einzelne Zeilen. Jede Spalte entspricht einer Spur. Die Zeilen zeigen die Daten des jeweiligen Samples (z.B. Tonhöhe, Lautstärke). Die in der Mitte der Spalten in einem größeren, grauen Feld dargestellte Zeile entspricht der aktuellen Song-Position. Spielt man ein Stück ab, scrollen die Zeilen von unten nach oben. Für diejenigen, die mit der Klaviertastatur nicht so bewandert sind, gibt es die Möglichkeit, die Töne Schritt für Schritt über die Computertastatur einzugeben. Dabei können folgende Informationen verarbeitet werden: Die zu spielende Note, die dazugehörende Oktave (der Anwender hat einen Tonumfang von 6 Oktaven!!!), das Instrument, dessen Lautstärke und ggf. auch die Effektdaten. Was neben der hohen Anzahl der Stimmen ein weiteres unschlagbares Element darstellt, ist die Möglichkeit, auch eine MIDI-Tastatur anzuschießen und die Melodie darauf einzuspielen. Selbst die Erkennung von anschlagdynamischen Werten wird vom Tracker übernommen und in die entsprechenden Werte umgesetzt.

Kopieren und Montieren

Unter dem Menüeintrag "TOOL" hat der Musiker die Möglichkeit, zu schneiden und zu kopieren. So z.B. beim Einspielen eines Beats. Natürlich wäre es lästig, einen Rhythmus das gesamte Stück über einzuspielen, wenn sich dieser in seiner Grundstruktur z.B. nach 16 Takten wiederholt. Es bietet sich also an, diese 16 Takte einzuspielen, mit einem sog. Locator einzurahmen und diesen Abschnitt mehrmals hintereinander zu kopieren. Zusätzlich bietet der Tracker aber auch die Möglichkeit, Abschnitte zu transportieren, ganz auszuschneiden (also zu löschen) oder einfach zu verschieben. Möchten Sie sich anschließend anhören, was Sie bis dato fabriziert haben, so bietet Ihnen ein einfaches Bedienfeld, welches dem eines CD- Players sehr ähnelt, die Möglichkeit, standardmäßig abzuspielen, vorwärts bzw. rückwärts zu spulen, einzelne Stimmen auszublenden usw. Zwar können nicht die Informations-Spalten aller 32 Stimmen angezeigt werden, doch eine kleine Übersicht gibt Ihnen die Möglichkeit zu sehen, wieviele Stimmen jeweils in Gebrauch sind.

Fazit

Digital-Tracker ist weitestgehend ein Tracker mit Fähigkeiten, die jeder guter Tracker z.B. auf dem AMIGA besitzen sollte. Es gibt jedoch einen entscheidenden Vorteil, der in meinem Bekanntenkreis schon zwei AMIGA-Demo-Musiker dazu bewegt hat, sich einen Falcon zu kaufen (ja, man will es nicht für möglich halten ... ): Das wohl wichtigste und von vielen Musikern lange herbeigesehnte Feature ist die Einbindung einer MIDI-Einspiel-Funktion, die in Echtzeit arbeitet. Ein echter Trumpf ist auch, dass man Musikstücke mit bis zu 32 Stimmen aufnehmen kann, was absolut rekordverdächtig ist. Mir als Musiker im "herkömmlichen" Sinne würde es gut gefallen, wenn der Digital-Tracker eine grafische Sequenzendarstellung im klassischen Stile wie z.B. bei Cubase oder Notator bieten würde, da man sich erheblich umstellen muß, wenn man nicht aus der Szene der Demo- und Spieleprogrammierer kommt. Diese können die eingespielten Songs übrigens einfach in eigene Programme einbinden. Die entsprechenden Quelltexte liegen der Software bei. Ein Wehrmutstropfen ist, dass Digital-Trakker nicht deutsch- , sondern nur englischsprachig ausgeliefert wird. Dies ist damit zu erklären, dass sich die französischen Programmierer nicht sicher sind, ob es in Deutschland einen Markt für dieses Produkt gibt oder nicht. Sollte der Tracker sich aber hierzulande gut verkaufen, so ist ein Update, verbunden mit einer Übersetzung ins Deutsche nicht mehr auszuschließen. Alles in allem ist dies ein sehr interessantes Produkt, welches neue Möglichkeiten bietet, Musik in hochwertiger Qualität aufzunehmen, ohne dabei einen externen Klangerzeuger zu benötigen. Für alle diejenigen, die grundsätzliches Interesse an diesem Tracker haben, bietet der deutsche Distributor auch eine Demo-Version zum Preis von 10.- DM an.

Der Digital-Tracker ist ein Produkt, das vom FALKE-Verlag, Herausgeber der ATARI-Inside, in Deutschland vertrieben wird.


Thorsten Franke
Aus: Atari Inside 04 / 1995, Seite 34

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