Test: Videomaster

R.O.M. Logicware bietet seit einiger Zeit ein interessantes Hard- und Softwarepaket zur Bildbearbeitung an. Es handelt sich hierbei um den VideoMaster, einen Videodigitizer, Colour-Master, einen RGB-Splitter und (optional) um das Programm TruePaint. Alle Produkte stammen aus der englischen HiSoft-Schmiede, die unter anderem durch ihr HiSoft-Basic bekannt geworden ist.

Das Paket

Das Paket wird in verschiedenen Ausführungen geliefert: Falcon-Besitzer werden erfreut feststellen, dass zum Lieferumfang des Falcon-spezifischen Paketes nicht nur alle drei vorgenannten Komponenten gehören, sondern dass ihnen auch der interne Erweiterungs-Steckplatz erhalten bleibt, da die Hardware an den ROM-Port des Falcon angeschlossen wird. Die ST/TT Version unterscheidet sich von der Falcon Version dadurch, dass das Zeichenprogramm TruePaint nicht zum Lieferumfang gehört, und dass der RGB-Splitter nicht zwangsläufig mitgeliefert wird. Naturgemäß sind auf ST und TT Modellen auch nicht die gleichen Farbtiefen in der Bearbeitung möglich, wie auf dem Falcon. Der Test wurde mit dem Falcon-Paket durchgeführt.

Aber nun in medias res

Nach dem Auspacken liegen, je nach Version der VideoMaster, der ColourMaster, Farbfilter und einige Disketten, sowie diverse Handbücher vor einem. Der Anschluss der Hardware gestaltet sich einfach: man muss nur die VideoMaster Cartridge in den ROM-Port des ST stecken. Der ColourMaster wird dann an den VideoMaster, einen Joystick-Port und an die Druckerschnittstelle angeschlossen. Diese Fummelei macht natürlich gerade am Falcon besonders viel Spaß.

Bewegte Bilder

Das Programm VMASTER.TOS verwendet, wie schon der Extender zeigt, leider kein GEM, präsentiert sich aber trotzdem mit einer Oberfläche im 3-D Look. Nach dem Start des Programmes befindet man sich in der "Videokarte", die das Hauptmenü zum digitalisieren von Bildern darstellt. Es gibt noch drei weitere Menüs (oder Karten), die durch einen Klick auf den kleinen Index oben im Bildschirm nach vorn geholt werden). Mit der Videokarte wird eingestellt, mit wievielen Bildern in der Sekunde digitalisiert wird, von hier aus lassen sich einzelne Bilder abspeichern, der Menüschirm zur Bilddigitalisierung aufrufen und hier lädt und speichert man fertig digitalisierte Filme. Außerdem findet sich hier das eigentliche "Guckloch", in dem man nicht nur selbst digitalisierte Werke ablaufen lassen kann. Man kann den Eingang des VideoMasters auch direkt hierhin "durchschleifen", um das Bild vom Videorecorder zu verfolgen. Eine praktische Sache, denn so benötigt man zum Spulen auf Videobändern nicht noch extra einen Fernseher, um die gewünschte Stelle aufzufinden. Um nun von einem Videoband etwas zu digitalisieren, muss man zunächst mit den (leider ziemlich kleinen) Reglern den Schwärzungsgrad und den Kontrast an der Cartridge einstellen. Dann muss die gewünschte Anzahl von Bildern in der Sekunde eingestellt werden. Hier sind Einstellungen zwischen 2 und 30 möglich. Außerdem kann man im "Time Lapse" Modus Bilder in frei konfigurierbaren Zeitsprüngen aufnehmen lassen. Die Anzahl der insgesamt möglichen Bilder hängt vom Speicherausbau und von der Größe des (frei konfigurierbaren) Audio-Speichers ab. Die Einzelbilder brauchen etwa 16 KByte, so dass auf einem Falcon mit 3,5 MB freiem Speicher um die 210 Bilder im Speicher gehalten werden können, was bei höchster Abspielgeschwindigkeit etwa 8 Sekunden Film ausmacht. Allerdings ist diese Zahl eher akademisch, da mit dem Sequenzer zahlreiche Möglichkeiten offenstehen, beliebig längere Filme durch das Aneinanderreihen einzelner FRAMES zu erzeugen.

Der VideoMaster zeigt immer an, wieviel Speicher gerade belegt ist, so dass man einen guten Überblick darüber hat, wie es um die Platzverhältnisse bestellt ist.

Den gerade aufgenommenen "Take" kann man nun im Edit Menü nachbearbeiten: es können Einzelbilder aus der Sequenz entfernt werden, man kann Bilder an andere Positionen verschieben oder auch einzelne Bilder laden und speichern. Auch Blockoperation, die auf Segmente des Films wirken (sogar inverse Blockfunktionen) sind hier implementiert. Im Edit Menü ist es sogar möglich, farbige Files zusammenzustellen, allerdings mit der Einschränkung, dass die Palette nicht in allzuweiten Grenzen verändert werden kann. Allerdings verwaltet der VideoMaster die Palette für jedes einzelne Bild separat.

Farbbilddigitalisierung

Hat man den ColourMaster schon angeschlossen, kann man durch einen Klick auf den "Save Pic" Knopf im Vollbildmodus farbige Bilder digitalisieren. Voraussetzung für farbige Bilder ist natürlich, dass man den RGB-Splitter hat, ohne diesen werden nur schwarz-weiße Bilder digitalisiert. Allerdings liefert R.O.M. drei Farbfilterscheiben mit, so dass Besitzer einer Videokamera auch ohne die zusätzliche Hardware des ColourMaster an farbige Bilder herankommen, nur eben nicht so komfortabel. Um ein Farbbild zu digitalisieren, muss man entweder eine Videokamera, einen Videorecorder oder einen Fernseher, dessen Standbild sich über AV-Kabel abgreifen lässt, anschließen. Je besser das Bild, das die Quelle liefert, desto besser wird auch das digitalisierte Ergebnis. Der VideoMaster scannt das Bild in drei Durchläufen ein. Hierbei werden die Rot-, Grün- und Blauanteile einzeln erfaßt uns später dann von der Software zu einem Farbbild zusammengefügt. Flackernde Standbilder von billigen oder abgenutzten Videorecordern führen hier natürlich nicht zu sonderlich berauschenden Ergebnissen, aber Versuche mit teurer Hardware von Sony und Panasonic förderten erstaunliche Ergebnisse zutage. Die Digitalisierung der drei Farbbildanteile kann entweder in drei Durchläufen "von Hand", oder automatisch erfolgen. Gespeichert wird das Ergebnis dann im TPI-Format (True Paint Image), andere Exportformate sind hier leider nicht vorgesehen. (In der ST-TT Version wird im 512-Farben Format von Spectrum 512 gespeichert, mehr ist auf diesen Rechnern hardwarebedingt nicht drin).

Die Geräuschuntermalung

Ein Klick auf den Audio-Knopf bringt einen in den Arbeitsbildschirm des Samplers. Falcon Besitzer werden erfreut feststellen, dass im Lieferumfang ein fertig mit Widerständen verdrahtetes Adapterkabel zum Anschluss eines CD- Players etc. an den Mikrofoneingang des Falcon beigelegt ist, so das Zugriff auf jede Menge Musikdaten sichergestellt ist.

Mit dem Samplerteil des VideoMasters kann man nicht nur die Tonspur des aufgenommenen Videos bearbeiten, sondern diese auch komplett neu aufnehmen. Gesampelt wird immer mit 12,292 kHz, aber immerhin in Stereo. Die Samples lassen sich dann, analog zur Bearbeitung von Bildern im Edit-Menü, auch wieder nachbearbeiten. Man kann sich beide Kanäle getrennt darstellen lassen, allerdings werden alle Operationen des Editors immer auf beide Kanäle gleichzeitig angewandt. Samples lassen sich im *.AVR Format auch separat laden und speichern. Der Audioteil ersetzt für die Zwecke des VideoMaster sicherlich einen separaten Sampler, und die Besitzer von Crazy Sounds und ähnlichen Programmen können sich hiermit auf einfache Art Futter für den Krachmacher im Hintergrund besorgen.

Schnittstelle

Der Sequenzer ist das eigentliche Mischpult, um die Daten, die man mit den Audio- und Videosamplingteilen besorgt hat, in eine ansprechende Reihenfolge zu bringen. Obwohl auf den ersten Blick verwirrend, ist die Bedienung eigentlich recht simpel: man kann jeder Taste des Keyboards eine Videosequenz zuordnen, und diese dann durch Tastendrücke in der gewünschten Reihenfolge abrufen. Der Arbeitsablauf sieht typischerweise so aus, dass man sich einen Ablaufplan auf einem Zettel notiert, die benötigten Videosequenzen (mit oder ohne Ton) lädt und einzelnen Tasten zuordnet. Dann lässt man den gesamten Film einmal "von Hand" ablaufen, indem man die komplette Sequenzabfolge durch Tastendrücke abspielt. Der Sequenzer wirkt hier wie ein Makrorecorder und speichert, wann welche Sequenz gezeigt wird. Nach diesem ersten Durchlauf kann man den so entstandenen Film nachbearbeiten. Man kann Schnittfehler beheben, unerwünschte Pausen löschen etc. Wie an einem richtigen Schnittpult läuft auch hier eine Zeitanzeige mit, so dass jedes einzelne FRAME leicht wiederauffindbar ist. Die gesamte Programmierung wird zusätzlich in einem Textfenster angezeigt, so dass man einen guten Überblick über die Arbeit hat. Hat man das gewünschte Ergebnis erzielt, kann man sämtliche Informationen dauerhaft in einer Datei zusammengefasst speichern. Diese Datei ist mit dem mitgelieferten Stand-alone Compiler abspielbar, so dass man die eigenen Kunstwerke auch problemlos weitergeben kann.

Demos

Der eben schon angesprochenen Standalone-Compiler darf frei weitergegeben werden, so dass man die Möglichkeit hat, Filme auch Anderen zugänglich zu machen. Man kann sogar selbstbootende Demos damit erstellen, was zwar eine nette Spielerei ist, aber aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse auf Floppies schnell zu Problemen führen kann. (Ich habe spaßeshalber mal ein längeres Video zusammengestellt, das größenmäßig schnell in den MB-Bereich gewachsen ist)

Konfiguration

Die letzte "Karte" des VideoMasters beherbergt das Konfigurationsmenü, mit dem man das Größenverhältnis zwischen Video- und Audiospeicher einstellt, die Tönung des internen Bildschirms vorwählt, was zum Beispiel bei Digitalisierungen von alten schwarz-weiß Filmen nützlich sein kann, und zwischen zwei verschiedenen Abtastmodi wählen darf. Die Abtastmodi werden dann wichtig, wenn man Vorlagen im sog. Letterbox-Format hat, bei denen der schwarze Streifen im Bild sonst zu Synchronisationsprobleme führen könnte. Außerdem, lässt sich hier noch der 75 Ohm Filter für das Antennen-Signal ein- und ausschalten.

Hilfsmittel

Als besonderes Bonbon liegt der Falcon-Version das Zeichenprogramm TruePaint bei. Es handelt sich hier um ein gut an Multitasking-Umgebungen angepasstes, auflösungsunabhängiges Programm, an dem besonders das modulare Konzept der Dateiformat- Verwaltung gefällt. Bilder werden über modulare, sog. EFMs (external File Managers) geladen. Außer dem eigenen TPI-Format ist TruePaint in der uns vorliegenden Version in der Lage, folgende Formate zu laden: *Art Director, Degas, *Doodle, *(X)IMG, *GIF, IFF, *lmagelab, *JPEG, *MTV Raytracer, NEO, PCX, PhotoCD, Prism Paint, *TIFF, und Tiny. Export ist in die mit dem Asterix gekennzeichneten Format möglich. Die Schnittstelle für die EFMs ist dokumentiert und bei HiSoft und R.O.M. sind Entwicklerdokumente erhältlich, so dass zu erwarten ist, dass sich auf längere Sicht sicher noch mehr Dateiformate dazugesellen. TruePaint kann auch simple Animationen erstellen. Hierfür steht ein eigenes Format, TPA, zur Verfügung, dass TPI- Bilder und die sequentielle Abfolge verwaltet, so dass der Zugriff auf die einzelnen FRAMES erhalten bleibt.

Der Funktionsumfang von TruePaint bietet alle wichtigen Grundfunktionen, um Bilder nachzubearbeiten, ist aber natürlich nicht mit speziellen Lösungen aus dem EBV-Bereich zu vergleichen. Dennoch ist TruePaint eine sinnvolle Ergänzung des VideoMaster Paketes, und für diejenigen, die ein Zeichenprogramm "für zwischen- durch" benötigen, sicherlich auch aufgrund seines Preises eine lukrative Ergänzung.

Fazit

Das VideoMaster-Paket ist eine interessante Alternative zu anderen Produkten, die eine Menge Vorteile bietet. Der Lieferumfang ist außerordentlich umfangreich, die Software lief im Test stabil. Die Tatsache, dass das VideoMaster-Programm nicht unter GEM läuft, mag zwar im ersten Moment störend wirken, hat aber letztendlich trotzdem einen Sinn, denn so bleibt ein Maximum an Speicher frei für die Bildbearbeitung. Der Preis ist konkurrenzlos günstig, wollte man die einzelnen Komponenten separat zusammenstellen, müsste man erheblich mehr Geld ausgeben. Leider sind die Hardwarekomponenten (besonders der ColourMaster) nicht die Stabilsten. Angenehm fällt auf, dass sämtliche benötigten Kabel bis hin zum Audiokabel bereits mit Widerständen im Karton sind, so dass man nur noch das Anschlusskabel des Videorecorders einstöpseln muss, um sofort loszulegen. (Außer man hat einen echten Exoten, der mit BNC Verhindern o.ä. arbeitet). Wer ein bißchen in den Video Verarbeitungsbereich hineinschnuppern möchte, ist sicherlich nicht schlecht beraten, wenn er sich den VideoMaster zulegt. Leider liegen dem Paket immer noch keine gedruckten deutschen Handbücher bei, allerdings sind die Übersetzungen als ASCII-Dateien auf Diskette beigefügt.


Chris Beckmann
Aus: Atari Inside 02 / 1995, Seite 13

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite