Interview mit Heyer & Neumann (Multiboard)

Seit der ersten proTOS in Ulm geistert etwas Neues unter der Bezeichnung MULTIBOARD durch die Atari Gemeinschaft. Die Aachener Firma H&N führte auf ihrem Stand einen Prototypen einer neuen Hardwareerweiterung vor, die es in sich hat. Was genau ein Multiboard ist, blieb jedoch bislang ziemlich im Dunkeln. So war die Rede von Speichererweiterung über die magischen 4MB hinaus. Andere wollten eine Grafikkarte oder sogar einen Beschleuniger gesehen haben. Atari Inside gelang es nun noch vor der zweiten proTOS Messe in Hennef konkrete Informationen des Herstellers zu erlangen:

AI: Was hat es mit diesem Multiboard auf sich?

H&N: Das Multiboard vereinigt so ziemlich alle Wünsche, die ein engagierter ernsthafter Anwender an seinen Atari stellt. Das Projekt Multiboard realisiert all die kleinen und großen Wünsche, die wir täglich im Gespräch mit Atari Anwendern vorgetragen bekommen. Als Marktführer im Bereich der 68000-Beschleunigerkarten hören wir täglich von Problemen, die durch die Inkompatibilität verschiedener Erweiterungen entstehen. Da gib es Speicherkarten, die nicht mit Beschleunigerkarten arbeiten oder Grafikkarten, die sich nicht mit Ramerweiterungen vertragen. Die Ursache vielen Ärgers lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Alle Erweiterungen müssen zueinander kompatibel gestaltet werden. Leider ist dies aus verschiedenen Gründen kaum zu realisieren. Häufig scheitert man schon an rein mechanischen Problemen. Viele Hardwarehersteller gehen mit den begrenzten Ressourcen Platz und Stromaufnahme leider nach dem Motto um "wer zuerst da war, der mahlt zuerst."

AI: Welche Verbesserung stellt den das Multiboard dar?

H&N: Irgendwer fragte einmal "warum kann das denn nicht alles auf einer einzigen Karte sein?" Tja warum eigentlich nicht? Die Idee zum Multiboard war geboren. Wir steckten uns das folgende Pflichtenheft:

AI: Das hört sich sehr vielversprechend an. Wo ist dabei der Haken?

H&N: Nun; vielleicht wird der eine oder andere es als ärgerlich ansehen, dass dies alles nicht mehr in das original Gehäuse passt. Wir empfehlen jedenfalls jedem Multiboard Interessenten, gleich den dazu passenden Tower zu ordern. Sicher, so ein Tower benötigt mehr Platz, aber nur in einem Tower steht genügend Strom und Raum zur Verfügung, damit die verschiedenen Componenten des Multiboards sauber und sachgerecht eingebaut werden können.

AI: Wie sähe ein maximaler Ausbau aus? Zum Beispiel mit einem normalen 1040ST?

H&N: Das STRAM könnte mit einer IMEX II auf 3 oder sogar 4 MB erweitert werden. Durch das Multiboard könnte man TOS 2.06 umschaltbar nachrüsten. Zusätzlich wären weitere 2 oder wahlweise 8 MB "fT-RAM" möglich. Insgesamt hätte man damit dann bis zu 12MB Arbeitsspeicher, der ohne irgendwelche Treiber oder Switcher für Programme und Betriebssysteme zur Verfügung steht. Zusätzlich könnte man eine ET4000 VGA Karte einstecken, der man dann mit dem bekannten NVDI-ET4000 der Firma Behne & Behne Auflösungen entlocken kann, von denen ein Falcon nur träumt. Üblich wäre zum Beispiel 1024x768 pixel in 256 Farben und mit 75Hz natürlich non interlaced. Je nach VGA-Karte können auch 640x480 in 16.7Mio. Farben dargestellt werden. Und last not least wäre ja auch noch der IDE-Anschluss, an den man ohne zusätzliches Interface zum Beispiel eine 54OMB Conner oder Quantum HD anschließen kann.

AI: Wird ein normaler 68000 Prozessor durch soviel Speicher und eine so hohe Grafikauflösung nicht extrem ausgebremst?

H&N: Natürlich nicht, das Phänomen, dass mit steigender Bildschirmauflösung (also mehr Farben, mehr Pixel, höhere Bildwiederholfrequenz) der Computer immer langsamer wird, gibt es nur beim Falcon. Der Grafikspeicher einer ET4000 VGA Karte befindet sich auf der VGA Karte selbst. Folglich kann die Videologik der Grafikkarte auf diesen Speicher zugreifen, ohne den eigentlichen für die Geschwindigkeit des Computers wesentlichen Systembus zu benutzen.

AI: Und wie sieht es mit der Kompatibilität aus?

H&N: Nun; das TOS 2.06 lässt sich zurück schalten, so dass das alte TOS weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung steht. Für die VGA-Karte haben wir kein eigenes VDI gebastelt, sondern von Anfang an darauf geachtet, kompatibel zum verbreiteten NVDI ET4000 der Behnes zu bleiben. Warum sollten wir das Rad neu erfinden? Zur Kompatibilität des Behne VDI muss wohl nichts gesagt werden. Es gibt wohl kaum einen Atari, auf dem nicht sowieso ein Behne NVDI installiert ist. Der zusätzliche Speicher wird als Alternativ-Ram verwendet. Eine bekanntere Bezeichnung dafür ist auch FASTRAM oder TT-RAM. Software, die auf TTs mit dem zusätzlichen Speicher arbeiten kann hat auch auf dem Multiboard keine Probleme. Ab TOS 2.06 verwaltet das Betriebssystem den zusätzlichen Speicher klaglos.

AI: Und die Gretchen-Frage: Was davon funktioniert noch wenn ein Hardwarebeschleuniger eingebaut wird?

H&N: Hardwarebeschleunigung war doch der Auslöser für die Entwicklung des Multiboards. Das Multiboard ist 100% HBS640T36 kompatibel! Das geht sogar soweit, dass die STE-Serie von Atari, also die 1040STE Computer und die Mega STE Computer nur dann in den Genuß eines Multiboards kommen, wenn vorher ein HBS640T36STE eingebaut wurde. Das Multiboard kann dann einfach auf den Beschleuniger gesteckt werden.

Das Gespräch führte die Redaktion der "ATARI-Inside" am 14. November 1994. Wir freuen uns auf die Premiere am 26. November auf der "proTOS".



Aus: Atari Inside sh / 1994, Seite 62

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