True Paint von HiSoft - True Colour pixelweise: Der wahre Maler?

Mit True Colour in True Paint wirklich malen

24-Bit-Malprogramme, die mit den vielen Farben, sind im Moment der letzte Schrei. Nach »PixArt«, vorgestellt in der letzten Ausgabe, steht schon der nächste Vertreter aus der Reihe der bunten Pixelschwinger auf dem Prüfstand, um sein Können unter Beweis zu stellen.

Von Frisch aus englischen Landen auf den (Computer-)Tisch. Im allgemeinen unterstellt man den Engländern ja eine gewisse Kühle und Farblosigkeit. Ganz anders präsentiert sich dagegen »True Paint« aus dem Hause HiSoft. Als Ergänzung oder hausgemachte Konkurrenz hat die Firma Shift den Pixelmaler in seine Produktpalette aufgenommen. Momentan noch komplett in Englisch gehalten, soll schon in Kürze die deutsche Version verfügbar sein. Aber die GEM-like Arbeitsumgebung sichert auch so ein intuitives Arbeiten in den Grundzügen zu. Somit sollten auch nicht multilinguale Anwender auf wenig Probleme während der ersten Arbeit mit True Paint stoßen. Fangen wir aber besser von vorne an.

Zur Installation liegt ein kleines Programm bei, das die benötigten Dateien von den drei Disketten an die richtigen Stellen Ihrer Festplatte kopiert. Wer allerdings diesem Kopiertool mit Mißtrauen begegnet, kann die Arbeit auch »zu Fuß« vornehmen. Selbstverständlich ist der Betrieb von True Paint mit Diskettenlaufwerk und 1 MByte RAM denkbar. Nur dürfte bei dieser Minimalkonfiguration keine rechte Arbeitsfreude aufkommen. So richtig wohl fühlt sich unser Testkandidat auf Systemen, die ihm den Zugriff auf True-Colour-Darstellung ermöglichen. Aber es muß nicht unbedingt ein Rechner der Raubvogelklasse sein. Ein betagter 1040 ST mit Schwarzweiß-Monitor ist für erste Pinselschwünge ebenfalls geeignet. Weitere Auflösungen, wie sie die meisten Grafikkarten mit VDI-Treiber bereitstellen, verdaut der Pixelpinsler auch einwandfrei.

Finden Sie Ihren eigenen Regenbogen
Mit dem Hot Spot zu neuem Durchblick

Die Arbeitsumgebung hält sich weitgehend an die neuesten GEM-Standards. Sowohl Zeichenfläche als auch alle Dialoge befinden sich in GEM-Fenstern. Letztere bleiben auf Wunsch im Hintergrund aktiv und lassen sich innerhalb der Monitorgrenzen frei verschieben. Auch hier ebnen sich für Ataris MultiTOS die Wege. Die jeweiligen Arbeitsfenster enthalten neben der Zeichenfläche, deren Größe nur vom Speicher abhängig ist, die Toolbox mit den einzelnen Zeichen- und Arbeitsutensilien. Auf diese Weise arbeiten Sie dank der kurzen Mauswege recht zügig. Leider bleibt unterhalb der Box ein relativ großer Anteil ungenutzt, so daß sich die aktive Bildfläche gerade bei kleinen Monitoren arg einschränken muß. Durch einfaches Anklicken mit der Maus oder über Shortcuts wählen Sie das gewünschte Werkzeug. Neben dem Handelsüblichen finden Sie hier auch Kreisausschnitte, Bézierkurven, einen besonderen Punktmodus und ein paar Spezialitäten, auf die ich gleich noch näher eingehe. Der Einsatz der Bézierkurven setzt, wie die Texteinbindung übrigens auch, ein aktives GDOS voraus. Ein Doppelklick auf ein Werkzeugsymbol ruft in den meisten Fällen ein Dialogfenster auf. Hier bestimmen Sie zusätzliche Zeichenparameter wie Linienstärke und -Stil. Unter dem Menüpunkt »Option« finden Sie Einträge, die das Zeichenverhalten von True Paint zusätzlich beeinflussen. Abgerundete Ecken, proportionales Aufziehen für exakte Kreise und Quadrate oder das automatisches Füllen von Flächen müssen Sie hier im wahrsten Sinne des Wortes abhaken. Der Eintrag »Rainbow« sorgt für... aber nein, das kommt gleich. Mit den oberen drei Piktogrammen in der Toolbox schalten Sie zwischen den Zeichenwerkzeugen, der Färb- und der Füllmusterpalette hin und her. Aus der Farbpalette wählen Sie durch einfachen Mausklick die aktuelle Zeichenfarbe, im True-Colour-Modus greifen Sie hier anstatt auf einzelne Farbfelder auf ineinander übergehende Farben zu (vgl. Bild 2). Die Füllmustertafel bietet neben gängiger Einheitskost auch mehrere Felder für den Entwurf von eigenen Pixelmustern, die sich, ähnlich den Farbpaletten, separat speichern lassen. Für die individuelle Mischung der einzelnen Paletten, die für jedes Bild separat vorhanden ist, sorgt die Dialogbox »Colour Option« aus Bild 3. Die jeweilige Zusammenstellung nehmen Sie in Promilleschritten anhand von drei Farbreglern vor. Aber nicht nur die aktuelle Zeichenfarbe mixen Sie hier zusammen. Im unteren Boxenanteil finden Sie neben »Pen Colour« zwei weitere Schalter namens »Rainbow 1« und »Rainbow 2«. Mit diesen bestimmen Sie die Start-und Endfarbe des »Regenbogens«, eine Art Multicolour-Farbe für Linien und das Füllen von Flächen etc.. Ist die entsprechende Einstellung im Menü »Option« aktiviert, lassen sich so wundervolle Farbverläufe innerhalb der Start- und Endfarbe anlegen. Selbstredend wirkt das ganze erst im True-Colour-Modus so richtig toll. Aber auch mit weniger Farben zaubern Sie hübsche Sachen. Der Schalter Rainbow 1 erfüllt noch weitere Aufgaben, wie Sie gleich noch sehen. Störend macht sich bemerkbar, daß bis auf die Zeichenfarbe keine momentanen Zeichenattribute und Einstellungen beim Malen ersichtlich sind. Ein GEM-typischer Nachteil beim Malen sind die beengenden Fensterrahmen. Ein Druck auf Clr-Home und schon läßt True Paint alle Hüllen fallen und Sie befinden sich im Full-Screen-Modus. Hier steht Ihnen der gesamte Bildschirmbereich zum Arbeiten zur Verfügung. Die Werkzeuge lassen sich dann allerdings nur über Shortcuts auf-rufen. Für knifflige Situationen stellt unser Pixelmeister zwei Zoom-Modi bereit. Einfache Arbeiten wie Pixel setzen und löschen oder Füllen von kleinen Flächen erledigen Sie im normalen Zoom mit 10 verschiedenen Vergrößerungsstufen. Natürlich funktioniert das ganze auch im Full-Screen. Für differenzierteres Arbeiten mit allen Werkzeugen benötigen Sie den »Hot Spot«-Zoom. Das ist eine Art Online-Lupe, die permanent einen frei definierbaren Bereich aus der Mauszeigerumgebung darstellt. Den Vergrößerungsfaktor und die Position dieser Lupe legen Sie, wie auch den Verknüpfungsmodus, im »Generell«-Dialog fest. Für den Overscan-Modus des Falcon 030 ist, nebenbei bemerkt, auch eine spezielle Unterstützung vorgesehen. Neben den gängigen Blockfunktionen sind auch kleine Features wie Zeichnen im Spiegel oder das automatische Schattieren von Zeichenaktionen vorhanden. Letzteres erlaubt den Einsatz beliebiger Farben. Außerdem lassen sich die Richtung des Schattenwurfes oder die Breite bzw. der Abstand des Schattens variieren.

Und True Paint ging zum Regenbogen

So richtig in die Sahne hauen die »Brush Tools«. Hiermit sind nicht nur simple Sprüheinstellungen gemeint. Vielmehr finden Sie hier eine reichhaltige Palette fürs Bearbeiten und Retuschieren von Bildern. Beispielsweise schaffen Sie für Ihr Werk einen Aquarellcharakter durch das Verwischen oder Fließen lassen von einzelnen Farben. Oder Sie tauschen für eine beliebige, rechteckige Fläche nach ausgeklügelten Systemen automatisch die Farben. Durch simples Übermalen von Bildteilen mit der Maus schaffen Sie dunkle oder aufgehellte Stellen. Mit Worten läßt sich dieses Werkzeug kaum beschreiben, Sie müssen es einfach sehen und ausprobieren. Die besten Ergebnisse erhalten Sie natürlich in True Colour, aber die meisten Effekte arbeiten auch mit weniger Farben. Wichtig für viele Einstellungen ist die schon vorhin erwähnte Farbe »Rainbow 1«. Was in der Theorie etwas kompliziert klingt, zeigt sich in der Praxis relativ einfach und vor allem äußerst nützlich, wenn es beispielsweise ums Nachbearbeiten von gescanten Farbgrafiken geht. Der Einsatz des »Text Tools«, das auf GEM-Fonts fürs GDOS bzw. Speedo zurückgreift, läßt sich mit diesen Effekten geschickt kombinieren. Zum Laden und Speichern von fertigen Grafiken steht ein sogenannter »Externer File Manager« bereit. Dieses modulare System, das einerseits in anderen HiSoft-Produkten zum Einsatz kommt und andererseits auch fremden Programmen zugänglich gemacht werden soll, trägt zum allgemeinen Datenverständnis bei. Es enthält spezielle Laderoutinen für die jeweiligen Dateiformate. Sie bestimmen selbst, welche Formate Sie benötigen und welche Routine Ihren kostbaren Speicherplatz belegt. Bei aller Artenvielfalt unterstützt der Manager zur Zeit ein paar alteingesessene Atari-Formate, wie zum Beispiel das STAD-Format *.PAC, leider noch nicht. Welche Formate True Paint letztendlich unterstützt, entnehmen Sie bitte dem Bild. Fürs Speichern stehen nicht ganz so Atari-gängige Bildformate zur Verfügung, aber dank des modularen Konzeptes sind sicher schnell Erweiterungen erhältlich. Mit einem weiteren Bonbon namens Animation wartet der Pixelsetzer True Paint ebenfalls auf. Falls Sie ein Fan von Zeichentrickfilmen sind, dann steht Ihnen hier ein handliches Werkzeug zur Seite. Ausgehend von einer Grafik im Arbeitsfenster legen Sie immer neue Bilder als Filmsequenz oder Frame an. Dabei merkt sich True Paint nicht mehr die komplette Zeichnung, sondern registriert nur die Veränderung zur vorhergehenden Sequenz. Auf diese Weise spart das Programm Speicher und das Abspielen der Animation läuft erheblich rascher und flüssiger ab. Im praktischen Fall malen Sie ein Bild und nehmen es als Frame Nummer Eins auf. Anschließend verändern Sie Details, legen das Ergebnis als Frame Zwei ab und so weiter. Auf Wunsch fügen Sie einzelne Sequenzen an beliebiger Stelle ein oder entfernen überflüssige aus der Filmrolle. Für das Entwerfen der einzelnen Sequenzen nutzen Sie am besten auch einzelne Hilfsfunktionen, wie zum Beispiel Bemaßungsleisten oder Raster. Haben Sie alle Bilder auf der Reihe, dann brauchen Sie nur noch den »Animate mode« über den Menüpunkt »View/Animate« aktivieren. Hier wählen Sie die Abspielgeschwindigkeit und auf Wunsch den Endlosmodus und ab geht die Post, äh der Film. Das Ganze ist, wie gesagt, simpel zu handhaben, führt aber zu einem sehenswerten Ergebnis. Für das nötige Know-how mit grundlegenden Hintergrundinformationen sorgt das ausführliche Handbuch. Die 150 Seiten starke Lektüre ist zur Zeit nur in Englisch abgefaßt. Dieses ist aber angenehm einfach gehalten und dürfte mit normalen Schulkenntnissen kein Problem sein. Und wenn die angestrebte Übersetzung das hält, was das Original verspricht, ja dann halten Sie eines der wenigen brauchbaren Handbücher in den Händen. Insgesamt hinterläßt True Paint einen guten Gesamteindruck, wobei seine Stärke wohl vor allem in der True-Colour-Bearbeitung, den damitverbundenen Farbeffekten und dem Animationsteil zu sehen ist. Verwundert hat mich allerdings die komplett fehlende Druckausgabe. Für 198 Mark eine interessante Grafikanwendung. (wk)

Vertrieb: Shift, Unterer Lautrupweg 8, 2390 Flensburg

Ein jedes Format erhält seinen eigenen Treiber

WERTUNG

Name: True Paint V. 1.1
Hersteller: HiSoft
Preis: 198 Mark

Stärken: Farbdarstellung □ Animationsteil □ Handbuch

Schwächen: Fehlender Export für Drucker □ Arbeitsfläche unter Umständen arg eingeschränkt

Fazit: Für farbige Animationen im Eigenbau und interessante Retuschierarbeiten


Andreas Wischerhoff
Aus: TOS 07 / 1993, Seite 87

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