Textverarbeitung Script 3.0: Der dritte Schritt

Benutzerfreundlichkeit stand von Anfang an auf dem Banner der Textverarbeitung »Script«. Neu kommt Script 3.0: Verschaffen neue Funktionen bei gleichsam einfacher Bedienung wieder einen Vorsprung?

Protzen war noch nie »Scripts« Sache. Es wußte über die Jahre nicht mit unüberschaubaren Fähigkeiten, sondern durch seine einfache Bedienung Freunde zu gewinnen. Die Verschonung des Anwenders vor jeglicher Form überflüssigen Computer-Kauder-welschs und seine aufmerksam durchdachte Funktionalität trugen ihren Teil dazu bei. Aber die Konkurrenz schlief nicht. So drohte das gute alte Script 2 im Angesicht von dynamischen Erscheinungen wie »Papyrus« und »Signum 3« doch ein wenig bleich zu werden. Nach über einem Jahr Sendepause meldet sich Programmierer Volker Christen nun mit dem neuen Script zurück.

Mit einem Großbildschirm kommen die nicht modalen Dialogboxen voll zur Geltung

»Script 3« kommt im schön gestalteten, umweltschonenden Pappkarton und einem neuen, 300seitigen, spiralgebundenen Handbuch: ein Resultat des Vertrieb-Wechsels, der nun bei Purix Software in Braunschweig liegt.

Die grafische Erscheinung von Script 3 ist auf den ersten Blick fast unverändert. Nur der um 50 Prozent gewachsene Programm-Code läßt vermuten, daß sich einiges getan hat. Für den Anwender bedeutet das Mehr an Funktionen zunächst erhöhte Hardware-Anforderungen: Das neue Script läuft ab 2 MByte Arbeitsspeicher und 640 Punkten horizontaler Auflösung. Empfehlung des Herstellers: 4 MByte RAM, Großbildschirm und Festplatte.

Am einmal erfolgreichen Konzept hat sich nichts geändert. Auch Script 3 richtet sich an alle, die mit ihrer Textverarbeitung vor allem eins machen: schreiben.

Es kann weder mathematische Formeln setzen, noch erhebt es den Anspruch, mit Desktop-Publishing-Programmen zu konkurrieren. Dafür hilft es allen, die mit wenig Lernaufwand und in hoher Qualität zum Beispiel Seminararbeiten verfassen oder ihre Korrespondenz erledigen wollen. Auch die neuen Funktionen sind in ihrer Zahl überschaubar und mit der gewohnten Sorgfalt in die Feinabstimmung der Bedienung eingebunden.

Das Wichtigste im Überblick: Script unterstützt nun das Signum 3-Font-Format mit True-Kerning. »True« deshalb, weil es Rundungsfehler vermeidet, die beim Ausdruck mit Signum 3 zu minimalen Kerning-Fehlern führen können. Kerning beschreibt ein Verfahren zur paarweisen Optimierung der Buchstaben-Abstände, was zu einem besseren Schriftbild führt. Nach wie vor arbeitet es natürlich mit Signum 2-Fonts ohne Kerning, die Script auf Wunsch komprimiert im Speicher hält. Bis zu 256 Zeichensätze lassen sich so in einem Dokument verwalten.

Script3 arbeitet auch mit True-Kerning-Fonts

Maximal sieben Texte dürfen gleichzeitig geöffnet sein. Script unterstützt auch das neue Multi-TOS, das maximal acht Texte gleichzeitig verwaltet. Vorbereitend für die Arbeit mit einem Großbildschirm und vor allem das MultiTOS ist die Einführung »nichtmodaler Dialogboxen«. Ein schrecklicher Begriff für eine praktische Sache, mit der es Script Mitbewerbern wie Papyrus gleichtut. Dialogboxen unter TOS führen Anweisungen erst aus, wenn Sie sie mit OK quittieren und die Box verschwindet. Nicht so bei den neuen Dialogboxen, für die das Adjektiv »autonom« treffender ist. Autonome Dialogboxen, auch mehrere, dürfen während der Arbeit im Textfenster geöffnet bleiben. Das gilt für nahezu alle in Script verwendeten Dialogboxen. Einstellungen lassen sich verändern und aktivieren, ohne daß die autonome Dialogbox verschwindet. Klar, daß sich so die Arbeit flexibler gestaltet, der Bildschirm aber schnell mit Fenstern zugemüllt ist. Autonome Dialogboxen machen deshalb nur auf Großbildschirmen wirklich Sinn.

Auf der Höhe der Zeit ist jetzt auch die Verwaltung einzelner Lineale. Gestaltende Einstellungen eines Absatzes, wie die Ausrichtung des Textes, der Zeilenabstand oder die Art der Silbentrennung, lassen sich in Form eines Lineals im Klemmbrett Zwischenspeichern und auf andere Absätze übertragen. Das ist zum Beispiel bei Überschriften sinnvoll. Die Silbentrennung weiß neuerdings neben Deutsch die Worte auf Englisch, Französisch und Italienisch zu zerteilen und arbeitet ohne Ausnahme-Wörterbuch. Dauerhaft speichern Sie die Lineale übrigens mittels der Funktionstasten.

Kästen und Tabellen stellen Script3 vor keine Probleme

Die autonome Dialogbox der Lineal-Einstellungen birgt aber noch weitere Neuigkeiten: automatische Absatz-Umrahmung und Erzeugung von Tabellen. Sie wählen per Mausklick lediglich zwischen sechs verschiedenen Rahmungsarten (von »einfach« bis »schattiert«), entscheiden sich für die Art der Einfassung und den Abstand zum Text. Klick. Fertig ist der Rahmen. Ähnlich einfach ist der Aufbau von Tabellen: Zeilen- und Spalten-Zahl, Feldbreite und Rahmenart auswählen. Klick, und die Tabelle ist eingabebereit. Jedes Feld verfügt automatisch über seinen eigenen (meist zentrierenden) Tabulator. Änderungen der Tabulierung bleiben Ihnen freigestellt.

Nachwuchs auch bei den Tabulatoren: Wer gelegentlich senkrechte Trennlinien braucht, für den gibt es einen neuen Tabulator, der genau das macht. Auch sehr praktisch: Tabulatoren mit Füllzeichen. Sie füllen den Leerraum zwischen zwei Tabulatoren mit einem auswählbaren Füllzeichen auf. Das erspart nicht nur bei Inhaltsverzeichnissen sehr viel Handarbeit.

Viel Arbeit steckt in der Rechtschreibprüfung. Zum Lieferumfang gehört ein neues Wörterbuch mit einem Grundwortschatz von 250000 Worten. Texte lassen sich nachträglich oder auch Online auf ihre korrekte Schreibweise überprüfen. Zusätzlich erlaubt Script die parallele Arbeit mit bis zu neun weiteren Wörterbüchern. Das sollte für eine klare Abgrenzung bei eigenen Fachwörterbüchern ausreichen.

Linealeinstellungen sind bei Script3 auf der Höhe der Zeit

Mittlerweile verwaltet Script auch Textbausteine, und zwar auf eine zunächst abenteuerlich anmutende, letztlich aber funktionelle Art. Alle Floskeln stehen unter ihrem Kürzel als Datei auf der Festplatte. Beenden Sie dann einen Brief mit »mfg« und drücken die Taste <ALT-V>, lädt Script die Datei MFC.STX und tauscht das Kürzel durch den Floskeltext »Mit freundlichen Grüßen« aus.

Weitere Verbesserungen betreffen Feinheiten oder sind als Anpassung an den Stand der Technik zu verstehen. So verfügt Script jetzt über ein intelligentes »cut&paste«, das sich bei Blockverschiebungen um die korrekte Behandlung der Leerzeichen kümmert. Bilder lassen sich nun drehen und spiegeln, sowie mit der Maus frei positionieren. Für die Serienbrief-Funktion gibt es eine Schnittstelle zum Datenbankprogramm »1st Base« von Victor. Script erlaubt die FAX-Ausgabe der Dokumente an »Tele-Office« und »Q-Fax«. Die Unterstützung des offiziellen GEM-Klemmbretts dürfte sich spätestens beim MultiTOS als praxisrelevant erweisen.

Zwei wichtige angekündigte Funktionen gesellen sich wohl erst im Februar zu Script 3: Rechnen im Text und eine Indexerzeugung. Alle Kunden der Version 3.0 bekommen dieses erste Update jedoch kostenlos zugeschickt. Für Volker Christen bis dahin vielleicht Gelegenheit, ein paar Schwachstellen auszubügeln: Daß man sich vom ansonsten schönen Handbuch bei vielen Beschreibungen etwas mehr Detail-Tiefe gewünscht hätte, ist noch zu verkraften. Die drei Seiten Index am Schluß verdienen aber bestenfalls das Prädikat »lausig«. Das stückweise Laden der Fonts ist mühselig und nicht mehr zeitgemäß. Papyrus zeigt mit der automatischen Verwaltung von Font-Familien den richtigen Weg. Die Fontleiste sollte nicht nur Blättern, sondern auch Scrollen zwischen den Fonts erlauben.

Die Darstellung der Suchen&Ersetzen-Vorgänge kostet unnötig Zeit. Bitte abschalten.

Halbherzig ist die Lösung hinsichtlich fremder Textformate. Das entsprechende Kapitel ist mit »ASCII -Die Krücke für den Datenaustausch« betitelt und bedarf keines weiteren Kommentars. Fremde Formate bleiben vorerst Tabu. Die Unterstützung von Microsofts universellem Rich-Text-Format (RTF) wird mittelfristig angestrebt. Unbedingter Korrektur bedarf ein Fehler in der Seitenvorschau, die nur bis DIN A4-Breite funktioniert. Ansonsten muß Script sicher nicht jeden »Schnickschnack« anderer Textverarbeitungen nachahmen. Von Formelsatz, Microspacing und Zoom sei nicht einmal die Rede. Spaltensatz sowie diskontinuierliche Blöcke sollten sich aber sogar mit Scripts puristischem »weniger ist mehr«-Konzept vereinbaren lassen und sind für eines der nächsten Updates angekündigt.

Bis zu zehn Wörterbücher stehen Ihnen zur Verfügung

Das Upgrade von Script 2 auf die Version 3.0 kostet 99 Mark. Und schon die neuen Funktionen lassen den Aufstieg lohnend erscheinen. Zum Upgrade gehört aber auch Burkhard Bahrs wunderbare »Garamond«-Font-Diskette im Signum 2-Format, die im bisherigen Vertrieb 100 Mark kostete. Treue Script-Anwender kommen so nicht nur zu einer deutlich verbesserte Textverarbeitung, sondern machen auch noch ein Schnäppchen.

Auch für 299 Mark beim Neukauf gehört Script 3 zu den derzeit besten Textverarbeitungen für Atari-Computer. Als erstes Fremdprogramm unterstützt es das hochwertige Signum 3-Fontformat. Vergleichbare Produkte bieten derzeit jedoch einen größeren Funktionsumfang, was vor allem die Desktop-Publishing-Fähigkeiten betrifft. Individuell abzuwägen sei jedem Interessenten deshalb dringend nahegelegt: Denn was die Benutzer-Freundlichkeit für Vielschreiber angeht, ist Script noch immer eine Nasenlänge voraus. (uh)

Purix Software, Karlöstraße 45, 3300 Braunschweig

WERTUNG

Name: Script 3.0
Preis: 299 Mark, Update 99 Mark
Hersteller: Purix Software

Stärken: Benutzerführung □ Signum 3-Font-Format mit True-Kerning □ zehn Wörterbücher □ Tabellenfunktion □ nicht-modale Dialogboxen □ Schnittstellen zu Tele-Office, QFAX und 1st Base

Schwächen: Erkennt nur Script- und ASCII-Format □ umständliches Font-Laden □ keine Textmarken

**Fazit: Script ist wieder auf dem Stand der Technik, ohne an Funktionalität einzubüßen


Tarik Ahmia
Aus: TOS 02 / 1993, Seite 45

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