Test: Atari Falcon 030 - Multitalent

Anfang November startete die Markteinführung des Falcon. Wie reiht sich der Falcon in die ST/TT-Schiene ein? Lohnt der Umstieg? Wir haben eines der ersten Seriengeräte genauer betrachtet.

Bild 1. Neuer GEM-Look: Farbige Icons und 3D-Buttons

Der Falcon geht mit 4 MByte RAM sowie 65 MByte Festplatte über den Ladentisch. Der empfohlene Verkaufspreis von Atari liegt bei 2298 Mark. Der Lieferumfang umfaßt folgende Komponenten: Netzkabel, Maus, Handbuch und ein kleines Softwarepaket. An der Übersetzung des deutschen Handbuchs arbeitete unter anderem Profibuch-und FlyDials-Autor Julian F. Reschke. Ob Atari die beiden Monitoradapter zum Anschluß eines VGA-, RGB- oder Multisync-Monitors dem Paket beilegt, war bei Redaktionsschluß noch nicht geklärt.

Das Softwarepaket enthält neben einer neuen Version des erweiterten Kontrollfelds »XControl«, den vom ST-Book bekannten Terminplaner sowie einen wissenschaftlichen Taschenrechner. Die »Talking Clock« informiert Sie in wählbaren Abständen mit süßer Frauenstimme über die aktuelle Uhrzeit. Erstmals mit dabei: Die beiden Suchtspiele »Breakout« und »Landmine«, natürlich im GEM-Look.

Besonders vielseitig zeigt sich die neue Version des Festplattentreibers. Sie unterstützt neben der internen IDE-Platte jedes SCSI-Gerät. Außerdem erkennt der Treiber jetzt den Wechsel eines Mediums bei Wechsel platten- oder MO-Laufwerken.

Bild 2. Nicht umwerfend, aber nett: Das Suchtspiel »Landmine«.

MultiTOS ist derzeit nicht Bestandteil des Pakets, die spätere Auslieferung auf Diskette steht noch in Frage. Vielmehr ist eine ROM-Version des Multitasking-fähigen Betriebssystems geplant, die später zum Selbstkostenpreis erhältlich sein soll. Das mitgelieferte ROMTOS trägt die Versionsnummer 4.0. Farbige Icons, 3D-Buttons und Pop-Up-Menüs sind die auffälligsten Neuerungen, die der grafischen Oberfläche ein freundlicheres und moderneres Aussehen verleihen (siehe Bild 1). Die Farb-Icons sind ab 16 Farben aktiv. Für die beiden Zustände »selektiert« und »nicht selektiert« sind jetzt auch zwei unterschiedliche Bildchen vorgesehen. Bei geringerer Farbtiefe verwendet das Desktop die herkömmlichen Icons. Programmierer dürfen von den Neuerungen natürlich auch profitieren.

Neue AES-Funktionen sorgen für mehr Flexibilität und Komfort, über erweiterte Objekttypen sind die 3D-Buttons zu erreichen. Komplett runderneuert wurde das Videosystem. Über zwei Adapter findet ein VGA-, Multisync-, oder RGB-Monitor Anschluß. Der eingebaute H/F-Modulator sorgt für gute Verbindung zum Fernseher. Eine Liste der unterstützten Auflösungen sehen Sie in Tabelle 1. Jede Auflösung läßt sich über das VDI ansprechen. Unverständlich ist die Tatsache, daß GEM von den Overscan-Auflösungen (nur RGB-Monitor und Fernseher) keinen Gebrauch macht. Etwas aus der Reihe tanzen die verschiedenen True-Color-Modi, für die keine Palette zur Verfügung steht. Hier gilt: 1 Wort (16 Bit) entspricht einem Bildschirmpunkt. Rein rechnerisch ergeben sich demnach 216 = 65536 Farben, wobei für den Rot-und Blau-Anteil jeweils fünf, für den Grün-Anteil sechs Bit vorgesehen sind.

Eine besondere Stellung nimmt das unterste Bit des Grünanteils ein. Synchronisiert der Falcon das Monitorbild selbständig, dient dieses Bit zur Farbfindung. Bei externer Synchronisation dient das gleiche Bit als Chroma-Key für Bildüberlagerungen, beispielsweise bei Genlocks. Ist es gesetzt, erscheint an der entsprechenden Stelle auf dem Bildschirm etwa das Videosignal eines Recorders, sonst die vom Computer produzierte Grafik. Die Anzahl der Farben reduziert sich demnach auf 32768.

Falcon030

Hersteller: Atari
Betriebssystem: TOS 4.0
Prozessor: MC68030, 16Mhz
Grafik-Coprozessor: Blitter, 16 MHz
ROM: 512 KByte
RAM: 4 MByte DRAM
Tastatur: 94/95 Tasten
Massenspeicher: 1,44-MByte-Diskettenlaufwerk □ IDE-Bus-Festpatte 2,5 Zoll
Preis: 2298 Mark
Fazit: Multi-Talent mit Schwerpunkt auf Musik und Grafik für Einsteiger bis Freaks

RGB-Monitor - HF/Modulator

Bezeichnung Horizontal Vertikal Farbtiefe1 Palette
ST-Niedrig 320 200 4 512
ST-Mittel 640 200 2 512
ST-Hoch 640 400 2 1
Falcon3 320/640 200/400 2 1.2.8
Falcon3 320/640 200/400 2 4
Falcon3 320/640 200/400 2 16/15+Overlay-Bit

Besonderheiten: Overscan-Modi für alle Auflösungen (max. 768 x 576 x 16)

VGA- und Multisync-Monitor

Bezeichnung Horizontal Vertikal Farbtiefe1 Palette
ST-Niedrig 320 200 4 512
ST-Mittel 640 200 2 512
ST-Hoch 640 4005 1
Falcon3 320/640 240/4805 1.2,8 262144
Falcon3 320/640 240/4805 4 4096
Falcon3 320 240/4805 16/15+0verlay-Bit keine4

Alle Auflösungen unterstützen das STE-Hardwarescrolling

1 Angaben in Bit pro Pixel (8 Bit entsprechen 256 Farben)
2 Interlace-Modus (Halbb Id) zur Darstellung von 400 Zeilen
3 Kombination der Auflösungen und Farben frei wählbar
4 Aufteilung der 16 Bit im True Color-Mode RRRRR GGGGGX BBBBB Bei externer Synchronisation dient Bit 0 des Grünanteils (X) als Chroma-Key (Genlock)
5 Zeilenverdopplung zur Darstellung von 240 Zeilen

Tabelle 1. Vielfältige Auflösungen für jeden Bedarf

Audio

Aufnahme: 8-Spur 16-Bit-DMAD 16-Bit Stereo A/D-Wandler
Wiedergabe: 8-Spur 16-Bit-DMA □ 16-Bit Stereo D/A-Wandler
Abtastrate: 6,25 KHz □ 12,5 KHz □ 25 KHz □ 50 KHz
Besonderheiten: Frei programmierbare Datenpfadmatrix zwischen CODEC, DMA-Sound, DSP und externer DSP-Schnittstelle □ ST- und STE-kompatibles Audio-System

Tabelle 2. Das Sound-Subsystem im Überblick

Schnittstellen

Typ Anzahl Beschreibung
DB25 1 Parallel
DB9 1 Modem
SCSI II 1 SCSI
DB19 Klinke 1 Video Out/Genlock
3,5mm Klinke 1 Stereo-Kopfhörer
3,5mm 1 Stereo-Mikrofon
DB26 1 DSP/ Digital Audio
RCA 1 HF-Modulator
MmiDIN9 1 LAN
DIN5 1 MIDI In
DIN5 1 MIDI Out/Through
Atari 1 Cartridge (ROM-Pört)
DB15 2 STE-Joysticks
DB9 2 Maus/Joystick
IDE1 1 Fesplatte
Atari1 1 DRAM-Expansion
Atari1 1 Bus-Expansion

1 interne Schnittstellen

Tabelle 3. Mehr als ein Dutzend Schnittstellen verbinden den Falcon mit der Außenwelt

Digitaler Signalprozessor

Hersteller: Motorola
Typ: DSP 56001, 32 MHz
ROM: 2 x 256 x 24 Bit
RAM: 1024 x 24 Bit On-Chip □ 32K x 24 Bit SRAM (extern, 0 Waitstates)

Übrigens: Nicht immer liefert der True-Color-Modus die besten Ergebnisse. Bei 256 Farben greifen Sie auf eine Palette von 262144 (18 Bit) Farben zurück. Jedes Element der Palette setzt sich aus je 6 Bit für Rot, Grün und Blau zusammen, während der True-Color-Modus nur je 5 Bit bietet. Dies wird am Beispiel eines Graustufenbildes noch deutlicher: Während der True-Color-Modus nur 32 echte Graustufen liefert, erhält man über die andere Methode 64 Variationen. Bei fotorealistischen Grafiken spielt der True-Color-Mode wieder seine Stärken aus.

Zur Darstellung von 400 und mehr Zeilen auf einem RGB-Monitor oder Fernseher verwendet der Falcon Interlace. Dabei stellt er abwechselnd zwei Halbbilder dar. Die Bildwiederholfrequenz sinkt dabei auf die Hälfte. Entsprechend dient die Zeilenverdopplung bei angeschlossenem VGA- oder Multisync-Monitor zur Darstellung der niedrigen Auflösungen.

Wer mit wenig Platz auf dem Bildschirm auskommt oder nichts gegen Flimmern auf der Mattscheibe einzuwenden hat (Amiga-Anwender leben seit Jahren mit diesem Manko), ist mit einem RGB-Monitor noch gut bedient. Sonst sollte man sich lieber einen VGA-Monitor auf den Schreibtisch stellen oder auf einen Flickerfixer warten, der dem Flimmern ein Ende bereitet. Und: Die für preisgünstige Auflösungserweiterungen bekannte Firma Overscan entlockt einem VGA-Monitor mittels einer kleinen Hardware immerhin 880 x 608 Pixel.

Grundlage des Sound-Subsystems des Falcon bilden zwei Bestandteile: ein CODEC (16-Bit Stereo A/D-und D/A-Wandler) sowie acht Spuren zur Aufnahme und Wiedergabe von Samples, die nicht nur unabhängig voneinander, sondern zudem DMA-unterstützt, also ohne Rechenzeitverlust des Hauptprozessors arbeiten. Seine Daten holt der CODEC über den Mikrofoneingang und gibt diese im einfachsten Fall über den Kopfhöreranschluß wieder aus.

Als Taktgeber dient dem CODEC wahlweise ein interner 25.175 MHz-Quartz oder ein beliebiger externer Takt. Die Abtastfrequenz errechnet sich bei der Verwendung des internen Quartz wie folgt: 25.175 MHz/256/n. Mit dem Vorteiler n läßt sich die endgültige Abtastrate nur in groben Schritten variieren, die für die Transponierung eines Samples in beliebigen Halbton sch ritten nicht mehr ausreichen. Damit ist es nicht ohne weiteres möglich, mit verschiedenen kurzen Intrument-Samples ganze Lieder zu komponieren. Freunde diverser Soundtracker hätten hier mehr Flexibilität erwartet. Ist der Vorteiler 0, arbeitet der Falcon im STE-kompatiblen Modus.

Bei voller Ausnutzung der besprochenen Einheiten (Aufnahme und Wiedergabe in 16-Bit-Stereo; Abtastrate 50 KHz) ist der Falcon qualitativ nicht nur jedem herkömmlichen Soundsystem anderer Computer, sondern auch einem CD-Player oder DAT-Recorder deutlich überlegen.

Wie erwähnt, arbeitet das Sound-Subsystem des Falcon DMA-unterstützt. Auf diese Weise gelangen die gesampelten Musikdaten bei der Aufnahme direkt in den Speicher. Äquivalent dazu verhält sich die Wiedergabe. Der Computer behält dabei seine volle Rechenleistung für andere Aufgaben.

Ein weiterer starker Partner für Musik ist wiederum der DSP. Mit ihm eröffnen sich weitreichende Klangmanipulationen. Mit seinem »Synchronous Serial Interface« (SSI) steht er in direktem Kontakt mit der restlichen Soundhardware. Über diese Schnittstelle gelangen Musikdaten zum DSP, der sie nach Lust und Laune bearbeitet und über den gleichen Weg verschickt - in Echtzeit. Da der DSP intern mit 24-Bit-Datenworten rechnet, erreicht er dabei einen Dynamikumfang von 144dB.

An der Gehäuserückseite des Falcon fristet die vierte Komponente des Sound-Subsystems noch ein Schattendasein: die DSP-Schnittstelle. Sie ist für Erweiterungen wie die Behandlung digitaler Musikdaten vorgesehen. Alle vier Einheiten, die jeweils eine Sende- und Empfangseinheit bereitstellen, lassen sich über einen Multiplexer verbinden (siehe Bild 4). Beispiel: Ein am Mikrofoneingang angeschlossener CD-Player versorgt den A/D-Wandler, der seine Daten sogleich an den DSP weitergibt. Das dort installierte Programm unterlegt das Originalsignal mit einem Effekt und schickt die Daten über den D/A-Wandler wieder zum Kopfhörer-Ausgang. Trotz der Unmenge an Daten (200 KByte pro Sekunde bei 16-Bit-Stereo und 50 KHz), bleibt der Hauptprozessor unangetastet. Für das reibungslose Zusammenspiel aller Komponenten sorgen zahlreiche Betriebssystemfunktionen. Auch den Datenaustausch zwischen DSP und CPU übernimmt das XBIOS.

Bild 3. Die MIDI-Out-Buchse hat jetzt MIDI-Through integriert
Bild 4. 1.44 MByte Speicherplatz auf Diskette auch für den Falcon
Bild 5. Schnittstellen: ...da waren's auf einmal neun

Geschwindigkeit

Quick-Index

CPU Falcon 030 Mega STE Faktor
Speicherzugriffe 487% 164% 3,0
Register 406% 204% 2.0
Division 506% 203% 2.5
Shift-Operationen1 1737% 207% 8.4

1 Der enorme Geschwindigkeitsgewinn bei Shift-Operationen ist einer speziellen Architektur im MC68030 zuzuschreiben und nur bedingt relevant.

Benchmarks

Name Falcon 030 Mega STE TT
(16 MHz) (16 MHz & Cache) (32 MHz & Cache)
Erastosthenes1 4,39 10,09 2,36
Fibonacci1 29,21 63,76 19,32
Quicksort1 9,19 19,70 5,40
Dhrystone2 3829 3041 4633

1 Angaben in Sekunden
2 Angaben in Dhrystones/Sekunde

Tabelle 4. Bei den ersten drei Benchmarks entsprechen kleinere Werte größerer Leistung; umgekehrt dazu sind die Ergebnisse des Dhrystone-Benchmarks zu bewerten

Text und Grafik

CPU Falcon 030 ST Faktor
BIOS Text 167% 119% 1.4
BIOS String 172% 122% 1.4
BIOS Scroll 219% 134% 1.6
GEM (Dialoge) 179% 171% 1.0

Tabelle 5. Die Angaben bewerten die Computer relativ zu einem Atari ST mit 8 MHz. Alle Tests wurden in der hohen ST-Auflösung durchgeführt.

In Tabelle 4 sehen Sie die Ergebnisse klassischer Benchmarks im Vergleich. Sie geben ausschließlich Auskunft über die Rechenleistung des Hauptprozessors. Fließkomma-Arithmetik bleibt wegen des fehlenden Coprozessors beim Falcon unbeachtet. Der TT hat dank seiner höheren Prozessorgeschwindigkeit eindeutig die Nase vorn. Im Durchschnitt arbeitet er 1,5 Mal schneller als der Falcon, der wiederum mit fast doppelter Mega-STE-Power kontert. Problematisch ist eine Geschwindigkeitsbeurteilung der Bildschirmausgabe über BIOS- oder GEM-Funktionen. Diese arbeiten abhängig von der Bildschirmauflösung und der Anzahl der Farben unterschiedlich schnell. Die entsprechenden Werte in Tabelle 5 beziehen sich auf die hohe ST-Auflösung. In höheren Auflösungen wie True Color arbeitet der Falcon natürlich langsamer, dafür qualitativ hochwertiger.

Bild 6. Über eine Datenpfadmatrix verbinden Sie die Komponenten des Sound-Subsystems

Falcon - für wen?

Im Praxiseinsatz läßt sich der Falcon nur bedingt in die ST/TT-Schiene einreihen. Für Ein- und Umsteiger gleichermaßen geeignet, vereint der Falcon Musik und Grafik wie kein anderer Rechner und eröffnet völlig neue Perspektiven. Gleichzeitig schließt er im Bereich der klassischen Heimanwendung die Lücke zwischen Mega STE und TT. Seine »hochgradige« Kompatibilität beschert ihm dabei ein umfassendes Programmangebot. Natürlich kann der Falcon030 nicht als Alternative zum Atari TT gelten, der die Fäden für Profi-DTP oder CAD fest in der Hand hält. Im semiprofessionellen Bereich ist der Falcon030 wiederum uneingeschränkt zu empfehlen.

Die Platine des Falcon 030

Armin Hierstetter
Aus: TOS 12 / 1992, Seite 18

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