Im letzten Jahr empfahl sich »CyPress« mit üppigem Funktionsumfang als leistungsstarke Textverarbeitung in der oberen Mittelklasse. Wie jeder Debütant zeigte aber auch die Textverarbeitung aus dem hohen Norden noch Eigenwilligkeiten. Jetzt kommt die Version 1.5, gereift, geläutert und neu GEMwandet.
Tatsächlich hält sich der Funktionszuwachs auf den ersten Blick in Grenzen. Der Schwerpunkt der Neuerungen liegt eindeutig auf der GEM-mäßigen Umgestaltung der Oberfläche und der Integration von FSM-GDOS. Dazu kommen aber eine ganze Reihe von kleineren Verbesserungen und Abrundungen, die das Programm vorteilhaft weitergebracht haben.
CyPress zeigt sich nun im typisch modernen GEM-Gewand mit verschiebbaren, tastaturbedienbaren Dialogboxen. Die positive Folge: Das Programm läuft auflösungsunabhängig in allen Bildschirmformaten. Die Tastaturbedienung der Funktionen hält sich weitgehend an die auf anderen Systemen üblichen Standards und ist leicht eingängig.
Das herausragende neue Feature ist sicher die Unterstützung von FSM-GDOS, dem neuen Vektorschriftensystem von Atari. FSM-GDOS selbst gehört, zumindest zunächst, nicht zum Lieferumfang von CyPress. Es soll über die Atari-Händler aber den Anwendern zugänglich sein, und zwar, so der letzte Stand der Dinge, voraussichtlich kostenlos. Die Schriften, also der Lebenssaft von FSM-GDOS, sind bereits in reicher Auswahl und guter Qualität vorhanden. Der Preis pro Schriftfamilie dürfte sich im Bereich von zwanzig bis dreißig Mark bewegen. Damit kann man sich relativ preiswert genau die Schriften zusammenkaufen, die man haben möchte. Doch zurück zu CyPress. Nach der Installation von FSM-GDOS arbeitet das Programm praktisch mit drei verschiedenen Fonttypen zusammen. Da ist zunächst der Systemfont, der sich ja über entsprechende Utilities ebenfalls ändern läßt. Dieser Font kommt sowohl im schnellen Editor-Modus als auch auf dem ersten Platz der Fontliste im Dokumenten-Modus zum Einsatz.
Der zweite Fonttyp sind die CyPress-Fonts mit der Endung »E24«. Kenner wissen sofort Bescheid - es handelt sich hier natürlich um die »Signum2!«-kompatiblen Fonts in der bewährten Aufteilung für Bildschirm (E24) und Drucker (P9, P24 und L30). Der dritte Typ im Bunde ist das schon angesprochene FSM-GDOS-Format. Über die Fontliste lädt man einfach alle benötigten Fonts bunt gemischt in das Dokument und kann nun auf Wunsch sogar jeden Buchstaben eines Wortes in einem anderen Fonttyp schreiben. Über kurz oder lang wird sich diese Mischmöglichkeit allerdings für den praktischen Gebrauch wohl erübrigen, denn wenn man einmal die Vektorfonts gesehen hat, dann möchte man gar nicht mehr auf die alten Pixelfonts zurückgreifen. Die FSM-GDOS Fonts sehen im Druck einfach besser aus und stehen zudem durch die vektorielle Berechnung in jeder beliebigen Größe zur Verfügung. Noch ein Tip: Der Einsatz einzelner, riesig großer Buchstaben führt zu effektvollen Darstellungen, beispielsweise bei Überschriften. Es ist schon toll, wenn man einfach per Berechnung einen 72 Punkt großen Buchstaben in seinen Text einbauen kann. Die Umschaltung von einer Fontgröße zur nächsten geht über die Fontliste blitzschnell und auch das Neuladen einer Fontgröße und die entsprechende Berechnung ist in wenigen Sekunden erledigt.
Das einzige Problem bei der Verwendung von FSM-GDOS ist derzeit noch der Speicherbedarf. Wer nur ein MByte zur Verfügung hat, der sollte den Traum von der Vektorschrift lieber nicht träumen, sonst erntet er nur Fehlermeldungen oder Bomben. Das liegt eindeutig nicht (!) an CyPress, sondern an FSM-GDOS. Man wird sehen, wie sich zukünftige Releases in Sachen Memory Management verhalten. Derzeit ist jedenfalls noch ein sehr großer Cache zum Drucken nötig. Selbst zwei MByte RAM reichten im Test nicht immer aus.
Die übrigen Funktionen von CyPress haben in punkto Umfang nicht viel Neues hinzugelernt, obgleich sich bei näherem Hinsehen in vielen Details etwas getan hat. Sehr gut entwickelt hat sich beispielsweise die »Seitenvorschau«. Umschaltbar mit einer oder zwei Seiten im Preview bekommt man hier einen schnellen Überblick über die Seitengestaltung. Für einen größeren Zusammenhang in der Gestaltung, besonders bei längeren Arbeiten, würde ich mir hier aber noch eine Umschaltung auf vier oder acht Seiten wünschen. Beim Tabellensatz haben sich einige kleine Erweiterungen bezüglich der Trennzeichen ergeben, ansonsten ist dieses Feature bewährt zuverlässig geblieben. Das gleiche gilt für die Makroaufzeichnung, die durch die einfache nachträgliche Editierung wirklich vorbildlich gelöst ist. Zum Zeitpunkt des Tests waren noch keine Makro-Stops implementiert, um auch während eines Makrolaufs Eingaben vorzunehmen. Allerdings hat Shift diesen Vorschlag noch in die Überlegungen aufgenommen. Größere und kleinere Standardtexte lassen sich zudem über die Textbausteine verwalten. Recht flexibel zeigt sich bereits die Bildeinbindung. Neben der Ausschnittwahl ist vor allem auch ein Überschreiben und automatisches Umfließen der Bilder realisiert. Nach Doppelklick auf ein Bild bei gedrückter Control-Taste erscheint ein Pop-Up-Menü mit einigen entsprechenden Befehlen.
Überzeugen konnten auch das als Overlay eingebundene Rechenmodul mit den entsprechenden Formelbereichen sowie das Korrektursystem von Langenscheidt. Neu ist noch die Auslagerung der bereits bekannten, flexiblen Fileselector-Box. Die steht nämlich zukünftig extern zur Verfügung. Wer sie nicht benutzen möchte, läßt sie weg, ansonsten ist sie eben auch in allen anderen Programmen verfügbar. Sie steht als eigenes Programm im Auto-Ordner.
So, und was fehlt? Eigentlich nichts, außer... Natürlich gibt es immer wieder Wünsche an ein Programm. Die meisten Kritikpunkte, die ich vor einem Jahr an der ersten Version fand, sind nicht mehr vorhanden. Ein eindeutiger, noch offener Wunsch ist der Spaltensatz, der sich allerdings laut Shift bereits in Arbeit befindet. Das andere sind Dinge, wie beispielsweise die Makro-Stops oder die vergrößerte Seitenvorschau, die ich nicht als Kritikpunkte verstanden wissen möchte, sondern als Anregungen aus einer persönlichen, individuellen Arbeitserfahrung mit dem Programm. Ansonsten halte ich CyPress für eine wirklich gute, funktionelle Textverarbeitung mit einer gewaltigen Portion »Extra«. Die Konkurrenz in diesem Anwendungsbereich ist wirklich groß geworden, eine Entscheidung unterliegt damit wohl letztlich noch mehr dem persönlichen Geschmack als bisher schon. (wk)
Shift, Kompagniestr. 13, 2390 Flensburg
Name: CyPress 1.5
Preis: 348 Mark, Upgrade 50-70 Mark
Hersteller: Shift
Stärken: große Funktionalität □ FSM-GDOS □ läuft vollständig unter GEM
Schwächen: kein Spaltensatz
Fazit: Umfassende Funktionalität, die über reine Textverarbeitung schon weit hinausgeht.