Alles neu macht der Mai: Ease, neue Benutzeroberfläche von Artifex

Als Atari die grafische Benutzeroberfläche in den Homecomputermarkt trug, war die Begeisterung groß. Doch mit nachlassender Anfangseuphorie fielen den Anwendern mehr und mehr Schwächen des originalen Desktops auf. Die Stunde der alternativen Desktops schlug. Mittlerweile hat Atari selbst den Desktops deutlich weiterentwickelt, doch mit Ease tritt ein neuer Kandidat in die Arena und nimmt den Kampf mit dem Original auf.

Bild 1. So sieht die neue Benutzeroberfläche Ease aus

Nachdem »Ease« auf der Festplatte installiert und gestartet ist, meldet sich das neue Desktop mit den Laufwerk-und Mülltonnen-Icons, sowie einer neuen Menüleiste (Bild 1). Es fällt direkt auf, daß sich das Aussehen der Icons geändert hat. Natürlich kann der Anwender auch noch unter anderen Laufwerk-Icons wählen. Dazu ist das mitgelieferte Programm »Iconcons« nötig, auf das wir etwas später noch zurückkommen. Wie bisher lassen sich die Icons nach eigenen Wünschen plazieren. Da Ease, genau wie die TOS-Versionen ab 2.05, auf Tastatur-Bedienung großen Wert legt, ist jedes Laufwerk durch den entsprechenden Buchstaben in Verbindung mit »Alternate« zu öffnen (Inhaltsverzeichnis anschauen).

Bild 2. Die Liste der angemeldeten Applikationen im Pop-Up-Menü

Ease-Fenster (Bild 5) verfügen über einige neue Buttons. Wählt man den Button neben dem bekannten »Close«-Button, dann schließt sich das Fenster definitiv, egal auf welcher Ordner-Ebene sich das Inhaltsverzeichnis gerade befindet. Das ewige »nach oben«-Klicken oder die Fahrt in die Menüleiste gehören damit der Vergangenheit an. Links neben dem »Full«-Button ist ebenfalls eine neue Funktion angesiedelt. Damit legen Sie ein Fenster in den Vorder- oder den Hintergrund. Sind mehrere Fenster so geöffnet, daß sie einander vollständig überdecken, bekommt dieser Button seinen Sinn. Haben Sie die Icon-Darstellung gewählt, wollen mit der Anzeige jedoch in die Textdarstellung wechseln, dann hilft der Button mit dem »T« weiter. Im umgekehrten Fall erscheint statt des »T« ein Icon-Symbol.

Eine weitere Besonderheit des Fensters ist das Scrollen. Natürlich ist der Scrollbalken wie gewohnt zu bedienen. Greifen Sie den Balken mit der rechten Maustaste statt mit der linken, dann wandert der Fensterinhalt proportional zum Balken mit. Dadurch entfällt ein »Ablegen« des Balkens, um zu sehen, ob sich der Fensterausschnitt an der richtigen Stelle befindet. Die Infozeile bietet Informationen über die Anzahl der Objekte und den gebrauchten Speicherplatz auf dem Datenträger. Befindet sich beim Booten das mitgelieferte Programm »Changes« im Auto-Ordner, bekommt der Anwender auch noch den freien Speicherplatz des selektierten Laufwerks angezeigt. Genauere Einstellungen des Fensters bietet das Pull-Down-Menü »Konfiguration...« (Bild 3). Hier wählen Sie unter anderem den Zeichensatz für die Textdarstellung. Ease arbeitet hier mit GDOS-Fonts. Die Textdarstellung kann generell mit Länge und/oder Uhrzeit und/oder Datum eingestellt sein. Auch die mehrspaltige Darstellung legen Sie hier fest. Dann erscheint das Inhaltsverzeichnis, sofern das Fenster breit genug ist, in mehreren Spalten. Sind Sie nur an der Anzeige bestimmter Dateitypen interessiert, dann verwenden Sie die Maskenvorgaben. Ist beispielsweise die Maske »*.PRG« festgelegt, dann zeigt Ease nur die Dateien mit der Endung »PRG« an, also nur die Programme.

Bild 3. Darstellungskriterien für ein Fenster

Verschiedene individuelle Anpassungen erfolgen in einem weiteren Dialog (Bild 6). Die Fenstergröße läßt sich hier auf »Automatisch anpassen« stellen. Die jeweiligen Ausmaße richten sich dann nach der Anzahl der anzuzeigenden Dateien. Alle Einstellungen, die sich auf das Laufwerk-Fenster beziehen, lassen sich generell auf das aktive, also oberste Fenster beschränken oder für alle Fenster bestimmen. Die Größenänderung des Fensters ist leider nicht so komfortabel, da nur der Außenrand als Gummiband zu sehen ist. Die eigentlich interessantere Darstellungsfläche muß der Anwender schätzen.

Das Datei-Handling wie Kopieren, Löschen etc. brachte in älteren TOS-Versionen niemanden zum Jubeln. Auch in diesem Punkt setzt Ease Zeichen. Neben dem Kopieren lassen sich Dateien auch Verschieben. Im Unterschied zur Atari-Dektop-Funktion ab TOS 1.4 schreibt Ease diese Dateien aber erst auf das Ziel-Laufwerk und löscht dann auf dem Quell-Laufwerk. Datenverluste durch mangelnden Speicherplatz auf dem Ziel-Laufwerk sind damit ausgeschlossen. Beim Arbeiten haben wir jedoch die Funktionen »Kopieren & Um benennen« sowie »Verschieben & Umbenennen« vermißt. Da diese Funktionen schon ab TOS 1.04 existieren, sollte auch Ease nicht darauf verzichten. Und da wir schon bei den Erweiterungen sind: Auch die Unterstützung einer HD-Formatierung sollte in der nächsten Version von Ease nicht fehlen.

Bild 4. Zuordnung von Programmen und Tasten

Auch Ease bedient sich beim »Datei-Schaufeln« der normalen Betriebssystem-Routinen. Ist aber der fixe Dateikopierer »Kobold« installiert, nutzt Ease dessen schnelle Routinen. In welcher Situation (Datei-Anzahl, nur Kopieren, auch Löschen) der kleine Kobold zum Einsatz kommt, bestimmt der Anwender per Einstellung selbst. Vor dem Kopieren prüft Ease auf Wunsch den freien Speicherplatz auf dem Ziel-Laufwerk. Ease benötigt übrigens bei einigen Funktionen eine Fileselector-Box, um einen Dateinamen zu selektieren. Dazu zeigt Ease eine eigene Lösung, die sich erfreulicherweise auch abschalten läßt. Sicher hat jeder Anwender in dieser Hinsicht einen eigenen Favoriten, mit dem er am liebsten arbeitet.

Ein neuer Desktop taugt nicht viel, wenn er nicht auch das Datei-Suchen unterstützt. Ease durchstöbert auf Wunsch alle selektierten Partitionen nach einer zuvor eingegebenen Datei. Wer nicht ständig suchen will, der legt ein Programm oder eine Datei direkt auf dem Desktop ab. Der Eintrag erscheint je nach Einstellung als Text oder Icon auf der Arbeitsfläche. Den dazugehörigen Pfad merkt sich Ease. Jetzt reicht ein einfacher Doppelklick auf das Icon oder den Text und das Programm startet. Doch das ist nicht mehr der einzige Weg, mit dem sich Programme starten lassen. Ease setzt stark auf Tastaturbedienung. Deshalb läßt sich jedem Programm eine Taste zuordnen (Bild 4), auf deren Betätigung hin das Programm startet. Leider sind die Funktionstasten davon ausgeschlossen. Je mehr Applikationen angemeldet sind, desto größer ist der Umfang der Tastaturbelegung. Beim Test fiel auf, daß Ease eventuelle Doppelbelegungen nicht selbständig abfängt. Natürlich lassen sich auch Dateiendungen definieren. So ordnet man etwa die Endung »CDK« dem Programm »Calamus« zu. Ist ein Calamus-Dokument mit dem Doppelklick ausgewählt, startet Ease zunächst Calamus und lädt dann das Dokument in den Arbeitsspeicher. Für Rechner mit weniger Speicherplatz oder Programme, die viel »Hirnschmalz« brauchen, läßt sich Ease beim Programmstart auch auslagern, sprich aus dem Speicher entfernen.

Bild 5. Die Fenster von EASE haben neue Bedienelemente bekommen

Auch Großmonitor-Besitzer haben Grund zur Freude. Ist der Weg zu einem gewünschten Icon zu weit und die Erinnerung an den Start-Buchstaben nur noch vage, dann reicht ein Druck auf die rechte Maustaste. Das PopUp-Menü des Desktops zeigt sich (Bild 2) und man öffnet Laufwerk oder Programm per Menü - sehr bequem. Überhaupt unterstützt Ease die rechte Maustaste recht intensiv. In manchen Fällen ersetzt ein rechter Klick sogar den linken Doppelklick. Als kleines Bonbon besitzt Ease auch eine eigene Anzeigefunktion für Texte. Sie erscheinen dann in einem eigenen Fenster. Für ein Update bleibt noch das Anzeigen der gängigsten Bildformate vorzuschlagen.

Doch bei soviel positiver Hilfe finden sich auch einige Kritikpunkte. Ease erlaubt noch kein Anmelden eines einzelnen Laufwerks, beispielsweise für das nachträgliche Einrichten einer RAM-Disk oder Anmelden einer Wechselplatte. Die Tastenkombinationen der Pull-Down-Menüs sind noch fest vorgegeben, hier ist TOS 2.05 mit der freien Belegung schon weiter. Auch die Zuordnung von Icons für Programme, Programmtypen oder Laufwerke erscheint uns nicht so gelungen. Wie schon erwähnt benötigt Ease dazu das Programm »Iconcons«. In diesem Constructor sind alle Symbole auf einen Schlag zu sehen. Jetzt muß man jedes einzelne Icon selektieren und es stehen jeweils acht Namenseinträge zur Verfügung, um die Zugehörigkeit des Icons zu Programmen zu bestimmen. Wildcards sind dabei erlaubt.

Bild 6. Diverse Anpassungen in einem Dialog zusammengefaßt

Ease hat noch viele kleine Besonderheiten, die in diesem Test nicht oder nur am Rande aufgetaucht sind. Beispielsweise ist dem Paket ein Kommandozeilen-Interpreter beigelegt. Für Besitzer älterer TOS-Versionen gibt es sicher eine Reihe von Gründen, ihre Anlage um eine verbesserte Benutzeroberfläche wie Ease zu ergänzen. Auch Besitzer des neuesten Atari-Desktops ab Version 2.05 entdecken manch angenehme Verbesserung. Der Preis von 89 Mark macht die Entscheidung leicht. Allerdings sei den Entwicklern von Ease ans Herz gelegt, ihrem Schützling noch zügig einige Ergänzungen zu spendieren. (wk)

Artifex Con puter GmbH, Anton-Burger-Weg 147 6000 Frankfurt/M. 70

WERTUNG

Name: Ease
Preis: 89 Mark
Vertrieb: Artifex

Stärken: Tastaturbedienung □ Ablegen von Programmicons auf dem Desktop □ individuelle Fenstereinstellung □ unterstützt G-DOS □ PopUp-Menü im Desktop □ betriebssicher

Schwächen: Nur acht Laufwerk-Icons zur Auswahl □ unterstützt kein HD-Format □ Tastenbedienung des Pull-Down-Menüs vorgeschrieben □ einige Desktop-Funktionen sind noch nicht implementiert

Fazit: Ein gelungenes Produkt, das noch einige Kanten ablegen muß.


Sandro Lucifora
Aus: TOS 06 / 1992, Seite 46

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