Lange hat es gedauert, bis sich einer der Altvorderen des Atari DTP wieder zum Tagesgeschehen zurückmeldet. »Timeworks« galt lange Zeit als brauchbarer, aber nicht ganz problemloser DTP-Einstieg für Atarianer. Jetzt klettert die Version 2.0 in den Ring, und kämpft erneut um die Gunst der Anwender. Und die Argumente sind schlagkräftig: Reiche Funktionsauswahl und ein Spitzenpreis von schlappen 399 Mark.
Manche Leute mögen ja sagen, es sei praktisch Selbstmord, jetzt noch wieder den Kampf mit den beinahe übermächtigen Gegnern »Calamus«, »Didot Professional« und »Publishing Partner Master« aufzunehmen. Aber alle drei Programme liegen preislich deutlich über dem neuen Timeworks 2.0, das für knapp 400 Mark viel zu bieten hat. Dazu gehören die üblichen Publisherfunktionen, die Arbeit in Farbe und Schwarzweiß und auch die Ausgabe im Postscript-Format. Also durchaus eine Reihe von Verlockungen zu einem sehr günstigen Preis.
Soweit die Theorie - aber wie sieht es in der Praxis aus? Zunächst ein Wort vorweg zur getesteten Version. Es handelt sich um eine 2.00a, die direkt aus der Entwicklerstube in England kommt. Dies war die bereits teilweise eingedeutschte Version, aber noch mit englischem Handbuch. Ein deutsches Handbuch ist laut Aussage des deutschen Vertriebs H3 Systems in Vorbereitung.
Das neue Timeworks zeigt sich kraftstrotzend. Aus der Verpackung purzelten sieben Disketten und ein 285 Seiten starkes, ringgebundenes Handbuch. Nicht weniger eindrucksvoll geht es mit der Installation weiter. In einer Reihe übersichtlich gestalteter Dialogboxen stellen Sie sich Ihre persönliche Installation zusammen, wählen Druckertreiber und Fonts sowie die Auflösung für den Bildschirm. Dabei ist auch die Installation mehrerer Drucker gleichzeitig vorgesehen. Neben diversen Druckern unterstützt das Programm auch die PostScript-Ausgabe. Timeworks läuft in der hohen und mittleren ST- und TT-Auflösung. Im Installationsprogramm ist auch das nachträgliche Ändern einer bereits vorhandenen Installation vorgesehen, so daß man beispielsweise für einen neuen Drucker oder eine veränderte Bildschirmauflösung nicht die komplette Installation wiederholen muß. Allerdings war dieser Punkt in der vorliegenden Version noch nicht aktiv.
Nach der erfolgreichen Installation, die alle erforderlichen Dateien inclusive Fonts und GDOS auf der Festplatte anlegt, muß man das Programm »Fontwid.App« starten, das die entsprechenden Fonts für die Bildschirmdarstellung erzeugt. Nach einem Reset zum Aktivieren von GDOS, übrigens Atari GDOS 1.1, ist Her Weg zu Timeworks endlich frei. Die Testinstallation belegte dabei knapp 3,5 MByte auf der Festplatte.
Timeworks arbeitet rahmenorientiert. Alle Elemente, Text und Grafiken, sind über Rahmen erreichbar, mit denen man Größe und Lage der Elemente festlegt. Zusätzlich bietet das Programm je eine feste Kopf- und Fußzeile, die sich mit drei Texten, linksbündig, rechtsbündig und mittenzentriert, füllen läßt. Dabei muß man selber kontrollieren, daß sich der Text in der Zeile nicht überlappt. Hier ist auch die Eingabe der automatischen Seitennumerierung vorgesehen. Die Zeilen lassen sich nur im Kopf-/Fußzeilen-Dia-log ändern, ein direkter Zugriff über die Layoutseite ist nicht möglich. Auch die Schriftart und Größe waren in der Testversion fest vorgegeben. Neben dem Import von Texten und Bildern kann man natürlich auch gleich in Timeworks schreiben und mit einfachen grafischen Grundfunktionen sowie Freihandzeichnen Bilder gestalten. Das Schreiben kurzer Texte und Briefe geht sogar recht gut. Der Cursor steht zwar bei großen Fonts nicht auf der Grundlinie, bleibt zudem immer in einer Einheitsgröße, aber das Schreibtempo ist auch bei einer vollen DIN-A4-Seite noch ganz akzeptabel. Das Suchen und Ersetzen funktioniert auch gut, dauert allerdings relativ lange. Timeworks verwaltet in jedem Dokument eine Liste für die verwendeten Texte, Raster- und Vektorgrafiken. Für die unterschiedlichen Textgestaltungen arbeitet man mit Absatzstilen, die ebenfalls in einer Liste stehen und beliebig erweiterbar sind. Zusammen mit den Einstellungen für die Spaltenbreiten und die Dokumentengröße sichert man sich so häufig benötigte Standardeinstellungen in sogenannten »Formblättern«. Jedem Dokument liegt immer ein Formblatt zugrunde, das alle relevanten Grundangaben enthält.
So, nach der grundlegenden Philosophie das konkrete Werkzeug.
Ein Kurzdurchgang in den Menüs zeigt bereits: Timeworks 2.0 geizt nicht mit Funktionen. Im Datei-Menü finden sich neben den üblichen Laderv/Speichern-Funktionen der Im- und Export von Text und Bildern, der Zugang zum Druckmenü und eine Statusanzeige zum jeweils aktiven Dokument. Beim Laden eines Demo-Dokuments tauchte gleich ein kleines Problem auf: Ist das Tool »Mortimer« installiert, läßt sich kein Dokument in Timeworks öffnen. Ohne Mortimer läuft die Sache ohne Schwierigkeiten. Positiv im »Status«-Dialog ist die Anzeige der freien Speicherkapazität auf der Festplatte oder Diskette. Im Druckerdialog fällt die Umlenkung der Ausgabe auf Diskette auf. Besonders für PostScript-Ausgaben ist das relevant, da man so seine Daten auch in ein Belichtungsstudio bekommt, also mit Timeworks durchaus professionelle Ausgabequalität erreicht. Der Ausdruck zeigt übrigens, daß die Entwicklung vom PC herkommt. Konsequent schaufelt Timeworks die Daten beim Aufbereiten für den Druck auf die Festplatte. Wehe dem, der nicht genügend Platz reserviert hat. Schade allerdings, daß nach dem Drucken noch fast die gleiche Zeit nötig ist, um die ganzen Zwischendateien wieder zu löschen.
Unter dem Menü »Edit« verbergen sich die Blockoperationen »Ausschneiden«, »Kopieren« und »Einfügen«. Für das Löschen eines Rahmens gibt es keinen eigenen Befehl, man schneidet einfach aus. Soll der Rahmen doch erhalten bleiben, fügt man ihn wieder ein. Das spart zwar eine Undo-Funktion, aber es funktioniert natürlich nur solange, bis man den nächsten Rahmen ausgeschnitten hat. Eine getrennte Undo-Funktion erscheint mir sinnvoller, zumal das Undo dann auch unabhängig vom Kopieren bliebe. Man könnte damit einen Rahmen löschen, andere Sachen per »Edit« kopieren und trotzdem bliebe die letzte Löschaktion umkehrbar. Der Befehl »Rahmengruppe« aktiviert einfach alle Rahmen auf der Seite. Dabei zieht er einen zusätzlichen Rahmen um alles, was sich auf der Seite befindet. Mit diesem Rahmen ändern Sie beispielsweise schnell und einfach die Gesamtausmaße Ihres Dokuments. Schön wäre jedoch noch eine Funktion, die einfach alle Rahmen auf der Seite aktiviert, beispielsweise um nur einen oder zwei aus vielleicht zwanzig zu löschen. Das geht wesentlich schneller, als andersherum achtzehn oder neunzehn Rahmen nacheinander zu aktivieren. Der Punkt »Sonderzeichen« eröffnet schließlich per Eingabe des ASCII-Codes den Zugriff auf a\s Sonderzeichen. Leider war diese Funktion in unserer Version noch nicht aktiv. Das »Auswahl«-Menü versammelt allgemeine Befehle zum Einstellen der Arbeitsfläche und zur Bearbeitung von Rahmen. Dazu gehört das Einblenden eines Lineals und das Ausblenden der Werkzeugtools, um den gesamten Bildschirm zu nutzen. Diese Funktion ist genauso über den Maximalknopf oben rechts im Fenster zu erreichen. Die Anzeige der Längeneinheiten schaltet man zwischen Punkten, Zentimetern, 1/10" und 1/8" um. Über das Einstellen der Spalten ist nicht viel zu sagen. Man bestimmt einfach die Lage und Anzahl der Grundspalten sowie ihren Abstand zueinander. Die Rahmen lassen sich wahlweise auf die Spalten einrasten. Von größerem Interesse sind die Einstellungen für die Rahmen. Neben einem Randmuster und einem Rahmenmuster als Hintergrund bestimmt man mit der Funktion »Kontursatz« den linken und rechten Rand eines Rahmens. Dazu plaziert man per Mausklick diverse Hilfspunkte für eine Linie, die im Mittelpunkt des oberen und unteren Rahmenrandes ihre Endpunkte hat. Durch das Setzen der Hilfspunkte bestimmt man damit praktisch eine völlig freie Form des Rahmenrandes. Wirklich eine geniale Sache. Allerdings wünsche ich mir noch eine Hilfsfunktion zum einfachen Anlegen eines Kreisbogens und einer Bezierkurve, denn geschwungene Linien und Kreise sind nur mühsam mit Hilfspunkten zu realisieren. Aus Platzgründen müssen wir die Vorstellung dieses Programms leider hier unterbrechen. In der nächsten Ausgabe beschäftigen wir uns dann mit den restlichen Funktionen und liefern eine Abschlußwertung nach. (wk)
H3 Systems, Häusserstr. 44, 6900 Heidelberg