Gut kalkuliert: Gemcalc, preiswerte Tabellenkalkulation

Shareware-Angebote wie Rufus beweisen, dass gute Software nicht immer sündhaft teuer sein muß. Auch bei den Tabellenrechnern gibt es einen leistungsfähigen und trotzdem preiswerten Kandidaten - »Gemcalc« aus der Sonderserie von Maxon.

Gemcalc fand zunächst als PD-Version Eingang in viele Diskettenschächte. In der nun vorliegenden Version »GEMCALCplus 3.0« ist dieser PD-Status vorbei. Das Programm erscheint jetzt in der Sonderdisk-Reihe vom Maxon Computer für 25 Mark. Das Herz einer Tabellenkalkulation schlägt im Rechenteil. Deshalb wollen wir zunächst diesen Teil des in GfA-Basic geschriebenen Programmes untersuchen. Daß Tabellenkalkulationen made with GfA-Basic sogar zu den ganz Schnellen ihrer Zunft gehören können, zeigte der Vergleichstest in der TOS 7/91. Dabei schnitt das ebenfalls in Basic geschriebene »BASiCHART« mit 12,8s bei dem bekannten Savage-Test am besten ab. Hier tut sich Gemcalc jedoch erheblich schwerer. Mit 72s ist es etwa doppelt so Sangsam wie die etablierte Konkurrenz »LDW 2« oder »K_SPREAD 4«. Das Scrollen von Zelle <AA1> bis <AA999> durch den Savage-Test von 6min 18s geht ebenfalls eher gemächlich vonstatten (alle Werte auf einem 8-MHz-Atari ST gemessen). Der Programmautor hat jedoch glücklicherweise das seitenweise Scrollen mit der Shift-taste vorgesehen.

Mit nur 26 eingebauten Funktionen sind die Rechenfunktionen sehr eingeschränkt. So fehlen beispielsweise Zeit-, Finanz- oder Datenbankfunktionen. Dafür wählen Sie, ob die Eingabe bei trigonometrischen Funktionen in Grad oder Bogenmaß erfolgt. Ebenfalls lobenswert ist die Auswahl zwischen der Dezimalkomma- und Dezimalpunktanzeige bei der Darstellung von Kommazahlen. Bleiben wir bei den technischen Angaben zu dem Programm. Die Größe des Rechenblattes läßt sich einstellen. Zwischen 5 und 260 Spalten sind bei maximal 999 Zeilen vorgegeben, je nach vorhandenem freien Speicher. Auch ein nachträgliches Ändern der Einstellung ist möglich. Sollten Daten verloren gehen, warnt Gemcalc rechtzeitig (vgl. Bild 1).

Will man schnell ein Arbeitsblatt anlegen, erleichtert es die Arbeit ungemein, wenn man bei der Formeleingabe auf andere Zellen »zeigen« kann. Das geht bei Gemcalc leider nicht. Absolute bzw. relative Bezüge auf andere Zellen muß man von Hand unter Voranstellung der Zeichen <~> oder <@> eingeben. Für kleinere Anwendungen läßt sich aber damit leben.

Einen äußerst eigenwilligen Weg geht das Programm bei Kopierfunktionen. Ist man von den großen Vorbildern her das lässige Arbeiten mit der Maus gewöhnt, so muß man sich hier erst auf die Befehlseingabe über Funktionstasten einstellen. Mit <Control-M> merkt sich das Programm eine Zelle, um sie dann mit <Control-R> oder <Control-A> zu kopieren. Bei Blockoperationen wird es noch etwas komplizierter. Ein Ausdruck des auf Diskette mitgelieferten ca. 11 seitigen Handbuches ist deshalb dringend anzuraten. Damit finden Sie dann auch Zugang zu den netten Schmankerln wie Invers-schaltung des Bildschirms oder Übersichtsdarstellung. Jedoch vermißt man schmerzlich das Ändern der Spaltenbreite mit der Maus, zumal Texte, die länger als die Zellenbreite sind, nicht einfach in der Nachbarzelle erscheinen, auch wenn diese leer ist. Die Neuberechnung lösen Sie ebenfalls von Hand (Shift F1) aus, die Rechengenauigkeit beträgt neun Stellen.

Zur Steigerung der Übersicht trägt die Möglichkeit bei, eine Kopfspalte zu benennen, die immer angezeigt wird. Doch auf die Möglichkeit der Ausgabe einer Einheit hinter einer Zahl muß man ebenso verzichten, wie darauf, einen Text mit einer Zahl beginnend einzugeben. Die Eingabe von »1.Arbeitstag« führt also zu einer Fehlermeldung und die Angabe 45,88 DM muß man von Hand unter Zuhilfenahme zweier Spalten erledigen. Positiv fällt dagegen auf, dass sich Gemcalc nach der ersten Eingabe und Betätigung der Richtungstaste die Richtung merkt und bei den weiteren Eingaben durch <Return> nicht nur die Eingabe akzeptiert, sondern auch den Zellzeiger gleich weiter in die vorherbestimmte Richtung bewegt. Beim Laden und Speichern kennt Gemcalc nur sein eigenes Format. Die großen Speicherformate WKS, WK1, DIF oder DG-Calc liest das Programm nicht - der Datenaustausch mit anderen Programmen ist dadurch praktisch unmöglich. Eine ausgereifte Tabellenkalkulation verfügt normalerweise neben dem Rechenteil über einen Datenbankteil und eine Makro-Programmiersprache. All das sucht man bei Gemcalc vergebens. Es gibt gerade noch eine Sortierfunktion, die nach einem Kriterium sortiert. Bei deutschen Umlauten gerät sie aber schnell in Schwierigkeiten (Bild 2). Aus Gründen der Fairness sollte man aber erwähnen, dass mit diesem Problem auch die meisten der großen kommerziellen Produkte heftig kämpfen.

Tabellenkalkulationen mit einem Grafikteil bekommt man in der Regel erst ab ca. 150 Mark. Umso mehr erstaunt Gemcalc hier, das einen recht leistungsfähigen Grafikteil sein eigen nennt. Nach dem ersten Eindruck besitzt dieser Grafikteil viele Ähnlichkeiten mit dem PD-Programm »Datobert« aus der Anfangszeit des Atari ST. 3D-Grafiken, die K__Spread 4 nicht durchgängig bei allen Grafikarten kennt und die LDW gerade erst in der Version 2 kennengelernt hat -Gemcalc beherrscht sie par excel-lence. Kuchen-, Linien-, Balken-, Stapel-, Säulen-, Blöcke- und Flächendiagramme stehen zur Auswahl. Das Umschalten geschieht per Mausklick. In einer übersichtlichen Dialogbox wählt man die Daten aus dem Spreadsheet und bereitet sie für die Darstellung vor. Danach klickt man nur noch die gewünschte Grafik an und sofort erscheint das Ergebnis, beispielsweise als Säulengrafik oder als Flächengrafik. Leider beschränkt sich die Ausgabe der herrlichen Grafiken auf eine Hardcopyfunktion oder das Degas-Format. Eine qualitativ hochwertige Grafikausgabe über GDOS ist nicht vorgesehen. Man muß es sich schwer machen, wenn man ein Urteil über das Programm Gemcalc abgibt. Das Programm ist sehr preisgünstig, allein der Grafikteil ist schon sein Geld wert. Ein Einsteiger erzielt schon nach kurzer Zeit brauchbare Ergebnisse mit dem Programm. Doch durch die ungewöhnliche Bedienung und den beschränkten Funktionsumfang sollte es nicht als Lerneinstieg für Tabellenkalkula-tionsprogramme verwendet werden, schließlich sind die Unterschiede zu den wirklich professionellen Kollegen auf diesem Feld zu groß. Wer also das Gebiet der Tabellenkalkulation gründlich erforschen möchte, sollte gleich zu einem professionellen Produkt greifen. Dennoch muß man dem Programmautor viel Lob und Anerkennungzollen. Ein derartiges Programm für nur 25 Mark dem interessierten Publikum anzubieten, das ist eine reife Leistung. (wk)

W E R T U N G

Name: GEMCALCplus 3.0
Preis: 25 Mark
Vertrieb: Maxon Computer
Stärken: Grafikteil * Dezimalkommadarstellung * Kommentare möglich * Titelbereiche fixierbar * abschaltbare Gitterdarstellung

Schwächen: wenige Funktionen * langsamer Rechenteil * ungewöhnliche Bedienung * keine Datenbankbefehle * kein Makrorecorder * nur ca. 11seitiges Handbuch auf der Diskette
Fazit: Sehr preisgünstige Tabellenkalkulation mit gutem Grafikteil, die sich gut für kleinere Aufgaben eignet.


Christian Opel
Aus: TOS 04 / 1992, Seite 55

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