Mit Signum schuf Franz Schmerbeck ein Programm, das für den Atari ST wichtig war wie kein zweites. Viele kauften sich den Atari ST nur, weil es das konkurrenzlose Signum auf keinem anderen Computer gab.
Als Gattungen koexistierender Programme bekommt der Computeranwender die Begriffe Textverarbeitung und Desktop Publishing seit Jahren um Ohren geschlagen. »Wo Textverarbeitung aufhört, fängt DTP an«, so der vollmundige Werbespruch des Marktstrategen eines Softwarehauses. Wer für seine wissenschaftlichen Arbeiten die geeignete Software suchte, war bis zur Geburt von Signum allein gelassen. Diplomarbeiten, sorgsam getippt und auf einem Laserdrucker ausgegeben, enthielten per Hand gezeichnete Formeln. Eine normale Textverarbeitung kann Formelsatz nicht. Ein DTP-Programm bietet zwar viel mehr Gestaltungsspielraum, ist aber ungeeignet und zu teuer. Signum schloß die Lücke auf brillante Weise und schickte sich zu einem Siegeszug an. Wir sprachen mit dem Signum-Autor Franz Schmerbeck, flankiert von Volker Ritzhaupt von Application Systems Heidelberg.
TOS: Signum 2 kam fast auf den Tag genau vor vier Jahren auf den Markt. Warum dauerte die Weiterentwicklung so lange?
Schmerbeck: Also es hat sich ja vier Jahre nichts getan. Ungefähr ein Jahr dauert die Nacharbeit für die letzte Version, beispielsweise die Fehler zu beheben, das ASCII-I/O, die ausländischen Versionen oder auch ausländische Keyboards anzupassen.
TOS: Welcher Arbeitsmethode haben Sie es zu verdanken, daß Signum 2 so wenige Bugs hatte?
Schmerbeck: Eine spezielle Methode habe ich nicht. Was ich für ganz wichtig erachte: Jedem Fehler sofort nachzugehen und nicht erst am Ende.
Signum ist modular aufgebaut. Jeder neuer Teil ist ein guter Test für die bestehenden. Während der Arbeit teste ich die einzelnen Routinen. Dabei verwende ich spezielle Checks. Auch die Fehlermeldungen sind bei mir sehr aussagefähig und nicht einfach Nummern.
Ritzhaupt: Signum 2 ist nicht fehlerfrei, wie es sowieso keine großen fehlerfreien Programme gibt, behaupte ich. Aber Signum hat keine fatalen Fehler.
TOS: Sind Sie Vollzeit-Signumprogrammierer oder arbeiten Sie auch an anderen Softwareprojekten?
Schmerbeck: Vollzeit Signum.
TOS: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Schmerbeck: Keine Computerspiele ...
Ritzhaupt: Schach!
Schmerbeck: Ja, Schach spiele ich gerne, Blitzschach hauptsächlich.
TOS: Und Schach am Computer?
Schmerbeck: Nein, als mein Schachpartner in Urlaub war, habe ich auch mal versucht gegen den Computer Schach zu spielen, aber gerade für Blitzschach sind Computer ungeeignet.
TOS: Haben Sie nur Schach als Hobby?
Schmerbeck: Nein, ich lese auch gerne, beispielsweise Stanislaw Lern. Er schafft es immer wieder, normale Probleme und Schwächen in die Zukunft zu projizieren. Die Rakete ließ der Hauptakteur in einem seiner Bücher grün mit roten Punkten streichen. Das find ich gut, meine Rakete wäre auch grün mit roten Punkten.
TOS: Welche Projekte würden Sie als Software-Entwickler reizen?
Schmerbeck: Ein Grafikprogramm zu schreiben. Oder einen C-Compiler, allerdings hab ich den Gedanken aufgegeben, nachdem jetzt Pure C auf dem Markt ist. Da steckt eigentlich alles drin, was ich mir gewünscht habe.
Ritzhaupt: Danke!
TOS: Werbung!
Ritzhaupt: Haben wir nicht nötig.
Schmerbeck: Ist ehrlich meine Meinung.
TOS: Gut, weiter. Welchen Compiler verwenden Sie?
Schmerbeck: Den DR-C-Compiler, der dem ersten Entwicklungssystem von Atari bei lag.
TOS: Ist der nicht längst überholt?
Schmerbeck: Ja, aber da ist auch schon viel dazugekommen. Ich habe einen eigenen Editor geschrieben und einen neuen, schnellen Linker.
Ritzhaupt: Das ist inzwischen ein ganzes Entwicklungssystem.
Schmerbeck: Ja, viele Utilities und Bibliotheken kamen dazu.
TOS: Trotzdem bleibt es immer noch der veraltete C-Compiler.
Schmerbeck: Ja, aber den kenne ich und alle seine Fehler und Mucken und weiß wie ich sie umgehe. Außerdem habe ich mich sehr an mein eigenes System gewöhnt.
TOS: Was können wir künftig von Ihnen erwarten?
Schmerbeck: Natürlich brauche ich einige Zeit für die nötigen Nacharbeiten. Ansonsten... ich weiß es einfach noch nicht. Konkrete Pläne gibts zur Zeit nicht.
Geboren als Idee im Jahr 1985 tritt »Signum!« als bescheidene Version 1 im Dezember 1986 auf, die zur Welt kam, um geplagten Mathematikern unter die Arme zu greifen. Dezember 1987 erscheint dann »Signum!Zwei« mit erheblich verbesserten Funktionen. Nicht nur Mathematiker schätzen das Programm, sondern auch Sprachwissenschaftler, Juristen, Musiker, Medizinmänner, Ägyptologen, Journalisten, Forscher, Programmautoren, Handbuchschreiber und wie die Zünfte sonst, noch alle heißen.' Die alte Dezember-Tradition setzt sich mit »Signum!Drei« dann im Dezember 1991 fort, in dem eine völlig neu programmierte Version erscheint, die die ureigene Idee von Signum!! fortsetzt, aber folgendes Ziel hat: »In Signum!Drei sollte es möglich sein, einen einfachen Brief genauso problemlos zu schreiben, wie eine dicke Buch-Übersetzung oder eine Bedienungsanleitung; eine Diplomarbeit in Theologie genauso wie einen Aufsatz aus der Mathematik«. Bei einem Automodell würde man sagen: »Jede Schraube wurde neu konstruiert.«