Er ist da, der erste Vertreter einer neuen Generation von MIDI-Expandern im erweiterten GS-Standard. Der »Sound Canvas SC 55« von Roland zeigt, daß die Japaner wieder einmal eine Marktlücke aufgetan haben und entschlossen sind, sie auch gleich zu schließen.
Laßt uns den MIDI-Standard ausweiten und eine neue Generation von Geräten bauen, die einem genauen Reglement von Sounds unterworfen sind. Wir bauen Geräte, die leicht zu bedienen sind, die nicht nur in den Expanderturm, sondern auch in die HIFI-Anlage passen und wir werden eine Menge Geld damit verdienen.« Soweit der Originalton auf der Präsentations-Show während der Frankfurter Musikmesse dieses Jahres, als die Firma Roland ihre Idee eines erweiterten MIDI-Standards vorstellte (siehe TOS 10/91) und auch gleich den ersten passenden Zauberkasten mitbrachte, gewissermaßen zur Studie am lebenden Objekt. Lange hat es gedauert, ebenfalls beste Roland-Tradition, bis die neuen Kästchen auch für jedermann erhältlich sind. Doch pünktlich zur Weihnachtszeit klingen nicht nur die Glöckchen, sondern auch der Sound Canvas in den Musikelektronik-Geschäften, wenn der stimmgewaltige Winzling ein Häppchen Strom zwischen die Drähte bekommt.
Auffällig sind sofort die kleinen Abmessungen und das große Display des Gerätes. Mit dem optional erhältlichen Rack-Einschub läßt es sich aber in ein 19-Zoll-Gehäuse montieren, wobei dann noch Platz für das angekündigte Sequenzer-Modul »Sound Brush SB-55« bleibt. Dieses mit einem 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerk ausgestattete Modul erlaubt das Abspielen von Disketten mit MIDI-Files, deren Daten der Sound Canvas in klingendes Spiel verwandelt. Gewissermaßen der MIDI-CD-Spieler für Synthi-Rack und Hifi-Anlage zugleich. Wer schon genug CDs gesammelt hat, der verlegt sich jetzt auf MIDI-Standard-File-Dis-ketten - Bach auf Doppel-Disk. Doch genug gelästert, zurück zum Gerät. Der Sound Canvas hat aufgrund seiner geringen Abmessungen eine externes Netzteil. Zu den üblichen MIDI In/Out/Thru-Verbindungen auf der Rückseite kommt noch eine zweite, nützliche MIDI IN-Buchse auf der Vorderseite. Der SC-55 mischt dann eingehende Informationen der beiden Eingänge. Über zwei Audio-Eingänge lassen sich zudem externe und interne Signale den Audio-Ausgängen zuordnen.
Ein großes Display zeigt den über MIDI angesprochenen Part in Form eines in der Größe variablen Balkens. Im Gegensatz beispielsweise zum U220 von Roland existiert hier keine Patch-Ebene mehr, sondern alle Parts werden direkt verwaltet. Es sind 16 Parts zu editieren, wobei nach dem CS-Standard das Drumset immer auf MIDI-Ka-nal 10 anzusprechen ist. Ohne in die Editierebene des Canvas vorzudringen, lassen sich direkt am Gerät Part, Instrument, Level, Panorama, Reverb, Chorus, Key Shift und der MIDI-Kanal mit Hilfe kleiner Taster verändern.
In jedem Instrument sind eine ADR-Hüllkurve, die Filterfrequenz und -Resonanz sowie ein Vibrato LFO mit variabler Rate (Geschwindigkeit), Depth (Intensität) und Delay (Verzögerung) editierbar. Für jeden Part bestimmen Sie außerdem die Anzahl der festen Stimmen (Partial Reserve), die Spielart mono- oder polyphon, den Notenbereich, die Pitch-Bend-Modula-tion in Höhe und Umfang und die Anschlagsempfindlichkeit über die Velocity-Kurve und den Einsatzpunkt. Also eine Menge zu »schrauben«.
Das 24-stimmige Gerät bietet drei Gruppen von Sounds an. Zunächst die 128 sogenannten Capital oder Basis Tones. Durch Drücken beider Instrument-Tasten erhalten Sie dann Variationen dieser Sounds anhand der 67 Variation Tones oder der 128 MT-32 Tones. Die in diesem Gerät verwirklichte Speicheranordnung im GS Standard unterteilt 16 Bänke mit je 8 Sounds. Beispielsweise enthält die Bank 5 alle Bass-Sounds. Weitere Informationen über den GS-Standard finden Sie in der TOS Ausgabe 10/ 91. Über den Controller 0 besteht die Möglichkeit, die Bänke per MIDI umzuschalten. Ein Sound weist gemäß GS-Standard maximal 128 Variationen auf. Im Canvas entspricht die Variation 127 immer dem MT-32 Tone. Gehen Sie beispielsweise vom Sound Nummer 26 »Steel-Str. Guitar« aus, so erklingt als erste Variation der Sound »12-Str. Guitar« und als zweite Variation der Sound »Mandolin«. Der MT-32 Sound ist dann »Syn Brass 2«, ordnet sich also nicht im GS-Standard ein.
Zudem haben Sie die Auswahl unter 10 Drumsets, 8 Sets plus Effekt und MT32-Drumset. In diesen Sets sind allerdings nur bestimmte Instrumente ausgetauscht, so daß der Großteil identisch bleibt. Maximal zwei Parts dürfen Sie als Drum-Part definieren. Acht Reverb/Delay und acht Chorus Effekte sorgen bei jedem Part für den richtigen Schliff. Um nicht mit den breiten Fingern die zierlichen Taster bedienen zu müssen, liegt dem Canvas eine Fernbedienung in der Größe einer Scheckkarte bei. Diese soll auch das noch ausstehende »Sound Brush«-Modul steuern. So angenehm die Steuerung aus einer Entfernung von maximal fünf Metern ist, fürchte ich jedoch schon den Tag, an dem zum Umschalten eines Sounds in den diversen Expandern erst eine mittelschwere Suchaktion nach der richtigen Fernbedienung zu starten ist.
Doch wie klingt das kleine Kästchen nun? Den ersten positiven Eindruck vermitteln bereits die beiden Demo-Songs im Modul. Bedenkt man zudem die große Anzahl der Samples und nicht zuletzt das Preisniveau, so ist dem Canvas ohne gravierende Einschränkungen ein guter Sound zu bescheinigen. Viele Samples sind zudem von einigen Roland U110/U220 Soundcards oder dem MT32 bekannt. Im direktem Vergleich mit dem U220 klingen einige Samples etwas weniger druckvoll und weniger brillant. Jedoch ist dieser Unterschied nicht so gravierend, zumal der Sound Canvas etwa zwei Drittel vom U220 kostet. Die Drums allerdings ertönen im Sound Canvas kräftiger. Bei hoher Aussteuerung hinterläßt das Gerät eine kleine Rauschfahne, die allerdings im normalen Betrieb kaum auffällt. Die vorhandenen Editiermöglichkeiten lassen nur eingeschränkt Raum für weitere Klangschöpfungen. Der Sound Canvas ist eben keine Synthesizer. Doch wie bereits beim U220 bestätigt, sind auch einem editierbaren Sample-player noch viele interessante Sounds zu entlocken.
Der Sound Canvas SC-55 ist sicherlich eine gute Anschaffung für alle diejenigen, denen noch ein Paar Stimmen in ihrem Equipment fehlen. Eine weitere Hauptzielgruppe ist natürlich der Musikfan, der sich in Verbindung mit dem MIDI-File-Player auf das Sammeln von MIDI-Titeln verlegt. Wenn andere Hersteller mit entsprechenden Geräten nachziehen, dann ist die ganze GS-Sache eine durchaus vorteilhafte Entwicklung für den MIDI-Bereich.(wk)
Name: Sound Canvas SC 55
Preis: 1270 Mark
Hersteller: Roland
Stärken: unterstützt neuen GS-Standard □ gute Sounds □ einfache Bedienung □ MIDI-Eingang von vorne
Schwächen: leichtes Rauschen bei hoher Aussteuerung
Fazit: Attraktiver Sampleplayer zum fairen Preis