Machina Musica: Die Musikmaschine

Warum sich mit einem Sequenzer begnügen, wenn die neue Generation Midi-Software mitdenkt, Arrangements vorschlägt und alternative Akkorde kennt. So wie z.B. das innovate Musikprogramm »Machina Musica«

Die beiden Münchner Midiprogrammierer Axel Rabeneck und Jürgen Grebner gehen neue Wege. Ihr Machina Musica ist sehr viel mehr als nur ein konventioneller Midi-Sequenzer. Obwohl auch ihre Software im Grunde Midi-Songs kreiert, unterscheidet sich doch die Qualität der Komposition. Es gibt Musiker, die immer wieder die gleichen Akkordtypen verwenden, nach dem gleichen Schema arrangieren, harmonisieren und instrumentieren. Gerade aber in einer anspruchsvollen Harmonisierung liegen viele musikalische Möglichkeiten. Machina Musica analysiert Melodien und findet passende Akkorde. Wem die angebotenen Akkordfolgen nicht Zusagen, wählt einfach andere der rund 50 Alternativen, die das Programm kennt. Dabei werden die vorgeschlagenen Chords immer »schräger« und abenteuerlicher. Dabei lassen sich die Akkorde Schritt für Schritt editieren, wobei der Harmonizer selbstverständlich stets die gesamte Phrase im Auge behält. Wer vor neuen Ideen keine Angst hat und seine Musik-Sprache erweitern will, für den ist Machina Musica ein ideales Instrument. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Anwender Profi oder Anfänger ist. Auch Könner dürfen sich ruhig einmal von dritter Seite inspirieren lassen.

Doch das Programm macht hier nicht halt: auch im Arrangement übernimmt der innovate Style-Manager viele Routinenaufgaben und arbeitet kreativ mit. Alle Ideen werden in Bibliotheken in Reinform gesammelt. Sie müssen nicht bei jedem neuen Song bei Null anfangen. Suchen Sie sich aus der Pattern-Bibliothek einfach etwas passendes. Noch ein letzter Schliff im Editor und schon paßt die Phrase.

Die Idee hinter Machina Musica: Der Musiker soll bei seiner kreativen Arbeit unterstützt werden und weitgehend frei von öder Routine bleiben. Nebenbei wird der Musiker spielerisch geschult, er erweitert zwangsläufig seinen musiktheoretischen Horizont, lernt neue Harmonisierungs- und Arrangementtechniken und kann anspruchsvoller und erfolgreicher arbeiten. Während sich bislang Musikprogramme mit den wachsenden Ansprüchen der Musiker entwickelten, wird hier der Musiker zusammen mit Machina Musica wachsen.

Der Weg von einer Melodielinie bis zum kompletten Arrangement ist mit viel Schweiß und Arbeit gepflastert - ohne Schulung oder Anleitung ein nahezu undurchführbares Unterfangen. Hier setzt die Musik-Maschine an: Sie spielen eine Melodie per Midi ein, laden einen beliebigen Riff von der Diskette oder geben die Töne in klassischer Notenschrift ein. Im Harmonisierungs-Modul analysiert

Machina Musica das Material und findet blitzschnell passende Harmonien und Akkorde. Mit verschiedenen Voreinstellungen passen Sie den Harmonizer an Ihren Musikgeschmack an. Das Harmonisierungs-Modul arbeitet dabei weitgehend nach klassischen und modernen Regeln. Darüber hinaus berücksichtigt die Software auch Jazzharmonik und Skalentheorien. Insgesamt kennt das Programm für jeden Grundton 23 Akkordtypen. Außerdem wird das Notenmaterial nach 36 integrierten Skalen analysiert. Dabei definiert das Harmonisierungs-Modul Akkord- und Skalenabhängigkeiten. Beim Übergang in eine andere Grundtonart bietet das Programm rund 80 verschiedene Modulationsmöglichkeiten. Das Zeitmaß der Akkord-Fortschreibung läßt sich frei zwischen 1/4 Takt und 4-taktiger Harmonisierung wählen. Neben einem vollautomatischen Modus bietet die Machina Musica eine interaktive Betriebsart. Im Extremfall lassen sich damit alle Akkorde auch manuell eingeben.

Der zweite Programmteil übernimmt das Arrangement. Ähnlich wie der Freestyle-Arranger arbeitet auch Machina Musica mit vordefinierten Style-Bibliotheken. Je nach musikalischer Phrase wie Intro, Bridge, Ending (sieben Songteile sind möglich) baut das Programm passende Pattern für die jeweils angewählten Instrumente. Hier können acht Gruppen mit bis zu jeweils 16 Instrumenten definiert werden. Im Programmumfang ist eine umfangreiche Library enthalten, die jederzeit erweitert und editiert werden kann. Kreative Musiker werden wahrscheinlich eigene Styles vorziehen. Das komplette Arrangement wird im Score-Editor in konventioneller Notenschrift dargestellt und über Midi ausgegeben. Feinarbeiten übernimmt der Style-Manager sowie der Style-Editor. Phrasenelemente lassen sich z.B. über elf Stufen gewichten und maskieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, Pattern untereinander zu synchronisieren.

Der dritte große Programmausschnitt enthält einen Sequenzer. Mit 99 Spuren pro Pattern steht ausreichend Platz zur Verfügung. Fünf intelligente Quantisierungsarten sorgen fürs rechte Timing. Leider sind Anwender-deflnierte Grooves, wie sie z.B. Cubase bietet, noch nicht integriert. Die Designer arbeiten allerdings bereits an einer eigenen, innovativen Mikro-Groove-Funktionen. Im Song Manager läßt sich mit wenigen Klicks die gesamte Songstruktur aufbauen und editieren. Songs lassen sich dabei auch in konventioneller Notenschrift bearbeiten - ein TT stellt dabei bis zu 14 Notensysteme am Bildschirm da. Doch die Machina Musica bietet noch mehr: ein Multi-Clipboard und viele ausblendbare Fenster wie ein Peakmeter, ein Bandtransportfenster und aktuelle Blockinfos.

Ein Prototyp der Machina Musica sorgte bereits auf der Frankfurter Musikmesse für Aufsehen. Für einen Einführungspreis von 550 Mark steht das Programm jetzt in den bekannten Musik- und Softwareläden. Nun ist der Anwender am Zug: Wer wagt den Sprung in die nächste Midi-Generation?

Vertrieb: Monolith Software, Birkenweg 8, 8641 Wilhelmsthal

WERTUNG

Machina Musica

Hersteller: Rabeneck und Grebner

Preis: 550 Mark (zeitlich begrenzt)

Vorteile: harmonisiert, arrangiert, instrumentiert, schult, programmierbare Styles, raffinierter harmonischer Algorithmus

Einschränkungen: begrenzte Spurenzahl, kein Logik-Editor, eingeschränkte Quantisierungsfunktionen


Manfred Neumayer
Aus: ST-Magazin 06 / 1993, Seite 18

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