Kein Actionspiel, kein Adventure und kein Knobelspaß — kann ein Spiel trotzdem spannend sein? Und ob! »Titanen der See« ist der beste Beweis.
Untertitel von »Titanen der See«: »Unter wehender Flagge« — was schon auf den Spielinhalt schließen läßt. Das Spiel ist eine Seegefechtssimulation unter Segeln. Simpel anmutende Aufgabe des Spielers ist es, andere Segelschiffe auf den Grund des Meeres zu schicken. Actionfreunde haben nun sicher leuchtende Augen bekommen, dennoch: Titanen der See ist eine Strategiesimulation, bei der das Versenken anderer Schiffe zwar das Ziel ist, jedoch nicht im Vordergrund steht. Es gibt auch keine Sounds oder sensationelle Grafikensequenzen. Statt dessen Strategie und Simulation pur!
Zur Story: Vor etwa 200 Jahren ist die Erde weniger friedlich als heute, der Kampf um die Vorherrschaft auf den Weltmeeren tobt. Beteiligt daran sind hauptsächlich die Seemacht England, das noble Frankreich, Spanien und die jungen Vereinigten Staaten. Es stehen sich große Flotten gegenüber, die sich unerbittlich gegenseitig zu versenken versuchen. Aber auch beutegierige Piraten und menschenverachtende Sklavenhändler treiben ihr Unwesen auf den Weltmeeren. Das Kommando über einen Segler erfordert Können und Disziplin der Mannschaft. Kanonen können nicht ständig feuern, sondern müssen nachgeladen, der Kurs muß gehalten und der Wind optimal ausgenutzt werden.
Im Kampf gilt es, sich den gegnerischen Schiffen zu nähern und im richtigen Augenblick eine Breitseite abzufeuern, ohne selbst in deren Feuerreichweite zu kommen. Dabei müssen Sie als Kapitän beachten, daß ein Segelschiff relativ träge reagiert und entsprechend schwer zu manövrieren ist. Gefechte dauern meist Tage, ohne daß ein eindeutiger Sieger aus der Seeschlacht hervorgeht. Eine häufige Gefechtsformation ist die »Linie«, in der sich Schiffe in einer Reihe gegenüberstehen und sich gegenseitig beschießen.
Bei Titanen der See schlüpfen Sie in die Rolle des Kapitäns, wobei Sie für alle bereits aufgeführten Aufgaben zuständig sind. Titanen der See kann alleine gegen den Computer oder mit bis zu 16 Leuten gespielt werden. Zu Beginn müssen die Segler ausgewählt werden, die an der Schlacht teilnehmen sollen. Dazu können in einem Dialog aus mehr als 200 damals existierenden Schiffen die besten ausgewählt werden. Eine Box gibt über einzelne Leistungsdaten des Schiffes Auskunft. Ganz wichtig ist die Kampfstärke, die in einem absoluten Wert ausgedrückt wird. Weiterhin ist die Wendigkeit, die Ausbildung der Mannschaft, die Komplexität der Takelage, die Geschwindigkeit und die Stückzahl der Kanonen zu berücksichtigen. Logischerweise sind große Schiffe mit vielen Kanonen sehr träge und besitzen eine vergleichsweise geringe Geschwindigkeit; kleine Briggs oder Schaluppen sind sehr wendig und schnell, können mit ihren wenigen Geschützen jedoch nur wenig ausrichten. Hat man ein passendes Schiff gefunden, klickt man den Namen an und zieht es wie ein Icon auf einen der leeren Einträge, die in einer Liste dargestellt sind.
Wie schon erwähnt, kann Titanen der See mit maximal 16 Personen gespielt werden. Eine Erweiterung muß also her, die in Form eines Joystick-Expanders ebenfalls von den Autoren angeboten wird. Visierte Anwender und Hobbystrategen können sich dieses Modul auch selbst bauen, ein Schaltplan liegt dem Programm bei.
Nach dem Auswählen der Schiffe müssen die einzelnen Segler zu Flotten zusammengefaßt werden, sechs Verbände sind maximal möglich. Spielen Sie alleine gegen den Computer, stellt sich die Frage der Flottenaufteilung nicht. Ansonsten sollten Sie und Ihre Mitspieler darauf achten, daß die Flotten ungefähr die gleiche Stärke haben — für einen fairen Wettkampf. Bei mehreren Mitspielern kann eine fertige Karte (Spielfeld) geladen oder selbst gezeichnet werden. Auf dem Spielfeld heben dann Riffe und sonstige Hindernisse den ohnehin hohen Schwierigkeitsgrad weiter an. Wird alleine gegen den Computer gespielt, kann keine Karte geladen werden — leider.
Vor dem Gefecht auf hoher See müssen die Spieler ihre Segler plazieren, dafür kann die gesamte Fläche des Bildschirmes benutzt werden. Befinden sich in der Flotte computergesteuerte Schiffe, folgen diese Ihrem Führungsschiff automatisch. Zum Bildschirm: Titanen der See unterstützt laut Autor alle Auflösungen ab 640 x 400 Pixel sowie alle Grafikkarten und Farbauflösungen.
Je größer der Monitor, desto größer ist das Spielfeld und damit der Spielspaß. Dabei beansprucht jedes Schiff entsprechende Rechnerzeit, so daß sich ein normaler ST bei einer größeren Zahl darzustellender Segler schnell als zu langsam darstellt. Ein TT oder Falcon 030 ist hier die richtige Plattform.
Jeder Segler besitzt eine eigene Statusbox, aus der der aktuelle Zustand von Takelage, Rumpf, Mannschaft, Kanonen- und Karronandenzustände anhand von Kontrollbalken ersichtlich ist. Der Platz für diese Statusboxen kann aber nicht mehr als Spielfeld benutzt werden. Außerdem sind die Kästen recht klein, so daß nicht direkt vor dem Monitor sitzende Mitspieler stark benachteiligt werden. Titanen der See unterstützt deshalb einen zweiten Monitor, der über einen zweiten — via Midi-Schnittstelle angeschlossenen — Rechner angesteuert wird. Sämtliche Statusboxen werden dann auf dem zweiten Monitor vergrößert dargestellt, der Monitor am Spielrechner kann so ganz für das Seegefecht genutzt werden.
Nun kann die Simulation beginnen. Computergesteuerte Schiffe agieren selbständig, während Sie für Ihr Kommandoschiff per Joystick selbst verantwortlich sind: Knüppel nach links bewirkt ein Wenden des Schiffes nach Steuerbord, Knüppeldruck nach rechts einen »Schwenk« nach Backbord. Ein Segler bewegt sich, je nach Größe und Windrichtung, mehr oder weniger schnell in die von Ihnen angegebene Richtung. Befindet sich ein Ihnen feindlich gesonnenes Schiff in der Nähe, drücken Sie den Joystick und »Fire Button« für eine volle Breitseite. Experten bietet das Programm die Möglichkeit, Breitseiten genau zu plazieren. Wird der Knüppel bei gleichzeitigem Druck auf den Feuerbutton in eine der vier Ecken bewegt, kann gezielt auf Takelage oder Rumpf gefeuert werden. Wenn der Rumpf zerschossen ist, sinkt das Schiff. Sind die Segel nur noch herumflatternde Fetzen, wird mit einem langen Druck auf den Feuerknopf und anschließendem Zug des Knüppels nach unten der Anker geworfen und mit einer Bewegung des Sticks nach oben die Mannschaft zum Segelflicken in die Takelage geschickt. Nach und nach wird so das Segel geflickt und Sie können mit Ihrem Gefährt wieder an der Schlacht teilnehmen — vorausgesetzt, kein Gegner hat Ihre hilflose Lage ausgenutzt und Sie zu den Fischen geschickt.
Interessant ist die Möglichkeit, die Kanonen mit unterschiedlicher Munition zu laden. Neben den standardmäßigen Einfachkugeln kann sich der erfahrene Kapitän Kettenkugeln oder Schrotkartuschen bedienen. Diese eignen sich hervorragend zum Durchlöchern fremder Segeltücher, Schrotkartuschen dezimieren die Deckbesatzung. Es können auch gleichzeitig zwei Kugeln pro Rohr geladen werden. Der Schaden auf dem getroffenen Schiff ist dementsprechend groß, die Reichweite solcher »Füllungen« allerdings sehr gering. Sie müssen sich mit Ihrem Segler schon unmittelbar neben dem gegnerischen Schiff befinden, um auf diese Weise Erfolg zu haben.
So mancher Kommandant vor 200 Jahren wird sich fürchterlich geärgert haben, wenn die Mannschaft nicht schnell genug mit dem Nachladen war und eine hervorragende Schußposition ungenutzt blieb. Dieses adrenalinsteigernde Ereignis können Sie bei Titanen der See hautnah erleben, denn auch Ihre Kanoniere brauchen Zeit, bis die Geschütze wieder einsatzbereit sind. Ein schneller Segler ist Ihnen in dieser Zeit bei günstigen Windverhältnissen längst entwischt. Es kommt also darauf an, mit dem Abfeuern der Kanonen möglichst so lange zu warten, bis Ihre Chance kommt.
Titanen der See ist ein spannendes Spiel, das ein hohes Maß an Konzentration erfordert. Je mehr Spieler an der Simulation beteiligt sind, desto größer der Spaß. Zumindest dann, wenn der Rechner entsprechend ausgestattet ist: Mehr als fünf Kapitäne verkraftet ein 8-MHz-ST nicht, ohne daß durch die Geschwindkeitseinbußen die Spielfreude leidet. Besonders auf Großbildschirmen kommt Titanen der See zur Geltung. Jedoch läßt sich alleine gegen den Computer oder mit Freunden auf einer normalen Konfiguration gut spielen.
Bonbon: Der Vollversion sind ein Lexikon zur Segelschiffahrt, eine Beschreibung historischer Segler und Lebensläufe von berühmten Seglerkapitänen beigelegt.
Titanen der See läuft auf allen ST/STE/TT und dem Falcon 030. Empfohlen werden kann Titanen der See allen, die sich an strategiegeprägten, realitätsnahen Simulationen begeistern und mal etwas Neues kennenlernen möchten. Titanen der See hebt sich von den oft gleichartigen Spielen wohltuend ab. (thl)
Titanen der See ist Shareware, die Vollversion kann für 30 Mark direkt bei den Autoren bezogen werden. Eine Testversion mit 40 Schiffen gibt’s für 5 Mark oder kann aus diversen Boxen des MausNet downgeloadet werden.
Frank Sautter, Einsteinstraße 10, 7032 Sindelfingen; MausNet: Frank Sautter @BB
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