Aktienanalyse: Der ST geht aufs Parkett

Nicht immer, aber immer öfter verwendet auch der Privatanleger seinen Computer für Börsengeschäfte. Will man Tausende von Aktien nach fundamentalen Gesichtspunkten überprüfen, ist die Maschine dem Menschen klar überlegen.

Immer mehr Privatanleger wagen den Poker mit Wertpapieren

Kein Anleger kann es sich heute noch erlauben, tagelang über Chart-Heften oder Geschäftsberichten zu sitzen und nach aussichtsreichen Papieren zu suchen. Die Entwicklung würde ihn überholen. Wer an der Börse am Ball . bleiben möchte, kommt an einem Computer — ausgerüstet mit der entsprechenden Börsensoftware — nicht vorbei. Man überläßt der Maschine, das was sie am besten kann, nämlich rechnen.

In wenigen Minuten überprüft der Rechner, welche Aktien bei den technischen Indikatoren einen oberen oder unteren Trendwendepunkt erreicht haben, oder listet die Aktien nach dem günstigsten Kurs- und Gewinnverhältnis bzw. der Dividendenrendite. Dabei geht der Trend bei den Börsenprogrammen immer stärker in Richtung bedienerfreundliche Programmkonzeption mit zeitgesteuerten automatischen Programmabläufen. Daher sind auch die Computerlaien unter den Privatbörsianern in der Lage, sehr schnell die Möglichkeiten einer guten Börsensoftware schätzen zu lernen.

90 Prozent Treffer

Wenn nun der Eindruck erweckt worden ist, ein Computer sei ein Allheilmittel, das zielsicher und mit einer hundertprozentigen Trefferquote zum Ein- und Ausstieg an der Börse klingelt, so muß dem bereits an dieser Stelle entgegengetreten werden. Die Maschine ist immer nur so gut wie der Anwender und häufig verleiten falsche Kauf- bzw. Verkaufsignale aufgrund falscher Bedienung zu voreiligen und häufig recht verlustreichen Handlungen.

Nebenbei bemerkt sollte beim Kauf einer Software nicht die vom Hersteller auf Vierfarb-Hochglanz-Werbeprospekten angepriesene Trefferquote der Kauf- bzw. Verkaufsignale im Vordergrund stehen. Je höher diese ausfallen (Softwarehäuser versprechen bis zu 90 Prozent) desto unseriöser ist meist das Produkt. Hier stellt sich die Frage, wieso die Erfinder solcher Goldesel ihre Programme überhaupt verkaufen, und sie nicht allein für sich auf der eigenen Karibikinsel nutzen.

Mit Kauf ist das nächste Stichwort bereits gefallen. »Wieviel habe ich für ein Börsenprogramm auszugeben, und welches ist das richtige für mich«, lautet eine häufig gestellte Frage? Grundsätzlich gibt es mittlerweile auch für den Atari eine erfreuliche Anzahl ausgereifter Börsenprogramme für den Privatanleger, bei denen auch der Geldbeutel lachen kann (s. Kasten S. 33). Die Preise bewegen sich im Rahmen von 200 Mark bis 1000 Mark. Selbstverständlich muß man für absolute Profiprogramme etwas mehr hinblättern. Auf der Preisebene unter 1000 Mark erhält der Anwender aber eine ganze Menge. Man kann unter Leistungsgesichtspunkten sechs Unterscheidungskriterien angeben:

  1. Technische Analyse
  2. Fundamentalanalyse
  3. Depotverwaltung
  4. Optionsanalyse
  5. Optionsscheinanalyse
  6. Kursaktualisierung

• Zur technischen Analyse bei Börsenprogrammen gehört zum einen der Bereich der Chart-Analyse, also das Herauslesen von Kursformationen, Trendgeraden oder Widerstands- und Unterstützungslinien. Hier hat der Computeranalyst bei guten Programmen mehrere Möglichkeiten, sich die Kurszeitreihen darstellen zu lassen. Im allgemeinen findet neben der einfachen Darstellungsform des Linien-Charts häufig auch der Balken-Chart (Hoch, Tief und Schlußkurs) oder der Point&Figure-Chart Verwendung (steigende Kurse werden mit x, fallende mit o symbolisiert — ohne Zeitbezug). Neben der Chart-Analyse verfügen viele Programme über mehr oder weniger umfangreiche technische Signalgeber wie Momentum oder Stochastik-Indikator zur Kursprognose. Diese helfen dem Analysten beim Erkennen von oberen bzw. unteren Trendwendepunkten oder signalisieren eine technische Schwäche bzw. Stärke aufgrund einer überkauften/überverkauf-ten Börsensituation. Viele Programme unterstützen den Laien in Sachen technische Analyse mit ausführlichen Anleitungen im Handbuch.

• Bei den bereits angesprochenen Kauf- bzw. Verkaufsignalen sollte sich der Interessent vor dem Kauf vergewissern, daß die Werte auch nachvollziehbar sind und sich individuell variieren lassen. Denn jede Börsenphase benötigt andere Einstellungswerte bei den Indikatoren. Ein starres Kauf-bzw. Verkaufsmodell bei den Signalgebern ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Um hier nicht die Katze im Sack zu kaufen, ist es sinnvoll, sich zunächst eine Demoversion des Programms zu besorgen, die gibt es bereits für wenige Mark bei den Herstellern.

• In Sachen Fundamentalanalyse dürfen die Ansprüche nicht zu hoch angesiedelt werden. In der Regel hat sich der Anwender mit dem Berechnen von Kurs- und Gewinnverhältnissen oder der Dividendenrendite zu begnügen. Hier liegt für die Hersteller von Börsenprogrammen noch ein weites Betätigungsfeld brach, um Aktien ausreichend unter fundamentalen Gesichtspunkten mit einer Börsensoftware analysieren zu können.

• Wesentlich mehr als bei der fundamentalen Aktienanalyse haben die Programme durchwegs beim Verwalten der kundeneigenen Depots zu bieten. Trotzdem kann man auch hier die Spreu vom Weizen trennen. Ein gutes Programm sollte neben der mittlerweile selbstverständlichen automatischen Depotaktualisierung noch einige Ausstattungsmerkmale aufweisen: So ist eine Standardisierung bei der Eingabe von Kauf-bzw. Verkaufstransaktionen wünschenswert. Hier werden selbständig die sich aus der Höhe des Auftrags ergebenden Spesen und Gebühren berücksichtigt. Das spart Zeit und hilft Falscheingaben zu vermeiden. Des weiteren ist eine Beachtung von individuell wählbaren Stopp-Loss-Marken (ein Kurs, unter dem die Position zur weiteren Verlustvermeidung verkauft wird) bzw. auf der anderen Seite von Kurszielmarken (ein Kurs, über dem Gewinne mitgenommen werden) wünschenswert. Überdurchschnittliche Programme zeichnen sich noch dadurch aus, daß diese Stopp-Loss-Marken bzw. Kursgewinnmarken entsprechend der Kursentwicklung nachgezogen werden. Dies macht gemäß dem Motto: »Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen«, aber einleuchtenderweise nur bei steigenden Kursen Sinn. Vielen Anlegern blutet beim Aufarbeiten der Jahresumsätze für die Steuererklärung das Herz. Aber auch hier ist der Computer »Freund und Helfer«. Die über das Jahr angesammelten Transaktionen werden summiert und in einer Gewinn- und Verlustrechnung ausgeworfen. Dazu ist es aber erforderlich, daß das Programm auch die steuerrelevanten Aspekte des Aktiengeschäfts kennt. Hierunter fallen z.B. das Trennen von Transaktionen, die innerhalb des Zeitraums der Spekulationsfrist von sechs Monaten getätigt worden sind und solchen, die aufgrund des Überschreitens nicht zu versteuern sind. Außerdem sollten Spesen und Gebühren separat ausgewiesen werden, da sie den steuerrelevanten Gewinn mindern.

Termingeschäfte

Immer mehr Privatanleger entdecken seit der Einführung der Deutschen Terminbörse (DTB) den Markt der Optionen und Termingeschäfte (Futures). Hier lassen sich bereits mit geringen Einsätzen aufgrund des Hebeleffekts hohe Gewinne erzielen. Allerdings kann der Schuß auch nach hinten losgehen, und es droht nicht selten der Total Verlust. Auch hier lassen sich mit dem Computer Vorteile erzielen. Er warnt vor schlechten Bewertungszahlen einzelner Optionen und errechnet darüber hinaus den »fairen Preis«, d.h. wieviel unter Beachtung mehrerer Variablen wie Laufzeit, Basispreis, Volatilität und Zins die Option kosten darf (z.B. Fair Value nach Black/Scholes). Daraus leitet er Unterbewertung ab. So lassen sich quasi per Knopfdruck ganze Optionsstrategien erstellen.

Ähnliches trifft auch für Optionsscheine zu. Hier gibt es die Möglichkeit, nach bestimmten Kriterien sortierte Listen zu entwickeln, in denen beispielsweise Aufgeld, Hebel oder Innerer Wert dargestellt werden.

Für Analysen sind die aktuellen Kurse nötig. Um hier auf dem laufenden zu bleiben, ist es nötig, daß der Rechner Tag für Tag auf den neuesten Stand gebracht wird. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen kann sich der Anwender mit dem Lebenselixier der Börsenprogramme über Datenfernübertragung (DFÜ) versorgen. Dazu sind lediglich ein Modem (Preis ca. 350 Mark) sowie eine entsprechende Kommunikationssoftware erforderlich, die häufig in Börsenprogrammen integriert ist.

Btx-Software

Eine weitere Möglichkeit, die immer beliebter wird, ist die Kursaktualisierung via Btx. Hierzu ist neben dem Modem eine Btx-Software nötig (ebenfalls häufig im Programm enthalten). Zusätzlich hat der Anwender noch eine Anschlußkennung für Btx bei der Telecom zu beantragen (Preis einmalig 65 Mark, monatlich z.Zt. noch 8 Mark). Diese beiden Varianten haben den Vorteil, daß man ständig »up to date« ist. Darüber hinaus wird bei vielen Programmen die Kursaktualisierung noch mit einer Zeitschaltuhr automatisch, also ohne Handgriffe des Anwenders erledigt. Eine wesentlich günstigere Methode, die allerdings keine aktuellen Kurse bietet, wäre das Laden der Kurse durch eine Diskette, die in der Regel wöchentlich verschickt wird. Man darf sich von Programmen zur Aktienanalyse keine Wunder erwarten. Sie unterstützen aber den Anwender tatkräftig in allen Phasen der Börsentransaktionen. (mn)


Frank Berger
Aus: ST-Magazin 10 / 1992, Seite 30

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite