Das Tempo der ST-Bildschirmsteuerung genügt auch mit dem Blitter vielen Anwendern nicht. Beschleunigung versprechen »Screenspeeder«, die den MS-Routinen auf die Sprünge helfen. »Turbo ST« und »Quick ST« hat die ST Redaktion unter die Lupe genommen.
Wer ein Betriebssystem programmiert, ist - je nach den Spezifikationen für das Computersystem, für das er entwickelt - an vorgegebene Einschränkungen gebunden. Um dennoch ein effektives System zu entwickeln, muß jeder Programmierer Kompromisse eingehen, die den Anwender eventuell stören, die jedoch für die Funktionalität des Gesamtsystems unumgänglich sind.
Ein solcher Kompromiß sind auch die TOS-Bildschirmroutinen, die für den Bildaufbau jedes ST Programmes verantwortlich sind. In den etwa 5 KByte großen Codes der Bildschirmroutine, die sich in leicht unterschiedlichen Versionen in jedem TOS befinden; haben die Systementwickler einen sehr leistungsfähigen Treiber realisiert. Die Routinen sind so flexibel gestaltet, daß sie spätestens seit TOS 1.2 problemlos mit nahezu jeder Bildschirmauflösung des ST-Systems zurechtkommen. Das ist eine erstaunliche Leistung, man vergleiche nur mit den entsprechenden Ausgabesystemen anderer Computer: Die Routinen sind entweder an eine oder mehrere feste Auflösungen gebunden, oder aber sie umfassen einen vielfach längeren Code.
Der sehr kurze und flexible Code besitzt jedoch einen Nachteil: Seine Ausführungsgeschwindigkeit läßt zu wünschen übrig. Um bestimmte Ausgaben zu beschleunigen, gönnte Atari seinen Mega STs und dem 1040STE den sog. Blitter, einen Coprozessor, der spezielle Grafikoperationen vollständig übernimmt. Das machte das Grafiksystem, ohne an Flexibilität einzubüßen, um das Doppelte schneller.
Dennoch genügt diese Ausgabegeschwindigkeit in vielen Anwendungen nicht mehr.
Weitere Beschleunigung versprechen heute die sogenannten »Screenspeeder«, Spezialprogramme, die die eingebauten OS-Routinen ergänzen oder durch schnellere ersetzen. Die beiden verbreiteten Screenspeeder, »Turbo ST« und »Quick ST« haben wir für Sie unter die Lupe genommen. »Turbo ST«, ein Produkt des amerikanischen Softwarehauses »Softreck«, wird in Deutschland von »Bela« in Eschborn vertrieben. Zum Preis von 89 Mark erhält der Käufer neben der Software, die mittlerweile in der Version 1.8 vorliegt, eine knapp 15 Seiten umfassende Anleitung. Bebildert und deutschsprachig führt sie den Anwender in die Materie ein. Nahezu die Hälfte ist den verschiedenen Methoden zur Messung der Ausgabegeschwindigkeit gewidmet; die endlosen Zahlenkolonnen der Benchmarks sagen dem Anwender allerdings weniger als der erste Eindruck des Programmes Grafikausgaben werden durch Turbo ST ganz erheblich schneller. Eine Tabelle gibt Ihnen einen ungefähren Aufschluß der erzielbaren Geschwindigkeiten.
Turbo ST
Auf einem 1040STE monochrom, m. Blitter
TOS text: 301%
TOS string: 1282%
TOS scroll: 105%
GEM dialog: 244%
Turbo ST ist eindeutiger »Sprint-Sieger« und meldet sich so beim Benutzer an
Doch die Freude über den Zeitgewinn ist schnell gedämpft, wenn man die Fähigkeiten des GEM-Systems etwas tiefer ausschöpft.
So beschleunigt Turbo ST lediglich die Ausgabe der System-Zeichensätze. GDOS-Fonts oder solche von »AMCGDOS«, »FSMGDOS« oder »G+Plus« bearbeitet das System in altbekanntem Tempo. Dazu kommt eine deutlich spürbare Fehlerträchtigkeit: Beim Verschieben von »Flydials« in »Gemini« erscheinen plötzlich Bomben. Weitere Versuche zeigen, daß Turbo ST bei Doppelklicks auf die Eselsohren der Flydials ausgesprochen allergisch reagiert und mit Abstürzen aufwartet. In Terminalprogrammen wie »Flash!« vergißt Turbo ST beim Löschen des Bildschirms auch die obere Zeile auszuputzen. Weiterhin setzt das Programm die GEM Systemvariable »con_state« ($4A8) nicht korrekt. Diese Speicherstelle muß nämlich ihren Wert während der Ausführung von »VT52«-Emulationssequenzen ändern.
Zudem funktioniert die I/O-Redirection (Umlenkung von Standardpfaden) nur noch fehlerhaft: Sobald ein Programm den Standardkanal »stdout« umlenkt, wie es beispielsweise die »Mupfel« vom »Gemini« tut, zerfetzt Turbo ST den Bildaufbau. Dieser Fehler läßt sich durch »cons_fix« von Karsten Isakovic beheben [3], dennoch spricht es nicht gerade für das Programm, daß solche Sonderfälle des GEM-Systems Turbo ST derartig durcheinander bringt.
Neben der Normal-Version ist Turbo ST auch als Accessory auf der Diskette enthalten, die sich so nur bei Bedarf aktivieren läßt. So steht dem Einsatz von »Problemprogrammen« nichts im Wege. Eine Alternative zur Beseitigung der Fehler kann das aber nicht sein. Mit Großbildschirmen kommt Turbo ST überhaupt nicht zurecht. Zwar liefert Bela ein Treiberprogramm für die »Protos«-Großbildschirm-Emulation mit; dieses Programm arbeitet jedoch ausschließlich in der Auflösung 1280 x 960 Punkten.
Am Schluß bleibt nur eine Folgerung: Die Entwickler hätten lieber etwas weniger auf hohe Geschwindigkeit und dafür mehr auf Programmierung achten sollen.
Aus Kanada liegt mit »Quick ST« eine Alternative zu Turbo ST vor. Es entstand ursprünglich aus einem Shareware Programm und ist nun in der Version 2.1 für 25 USDollar zu haben. Leider ist es nicht ganz einfach, das Programm von Deutschland aus zu bestellen. Zwar gibt es in England mittlerweile einen Distributor, um die jeweils aktuelle Version zu erhalten, doch wendet man sich besser direkt an den amerikanischen Autor Darek Mihocka.
Die kaum 8seitige, englische Anleitung erklärt die einfache Installation des Programmes, das in der aktuellen Version unbedingt im AutoOrdner liegen muß. Quick ST wirkt ähnlich schnell wie Turbo ST, wenn es auch manchmal so schien, als sei Turbo ST etwas schneller. Dafür ist Quick ST wesentlich kürzer. Die Programmlänge beträgt nur 24 KByte. Eine abgespeckte 16-KByte-Version liegt für die speicherkritischen 512-KByte-STs bei. Der Autor von Quick ST legte offenbar hohen Wert auf Programmsicherheit. So gelang es nicht, das mit Quick ST »getunte« System zum Absturz zu bringen. Erfreulich auch die Unterstützung der GDOS-Fonts. Zudem arbeitet das Programm in nahezu jeder Auflösung. Unter »Overscan« läuft Quick ST ebenso wie auf Großbildschirmen, wenn auch beim Scrollen unter Overscan manchmal ein Blitzen am Bildschirmrand auffällt. Hier greift Overscan in den Bildschirm-Aufbau ein und korrigiert den Fehler. Für Käufer, die zwar keinen Großbildschirm besitzen, aber dennoch einmal das Flair solcher Geräte spüren möchten, gehört ein Programm namens »Monster« zum Lieferumfang, das, ähnlich wie » Bigscreen« [4], die Bildschirmfläche durch Scrollen des Ausschnitts virtuell vergrößert. Das Problem mit der I/O-Redirection erweist sich leid wie bei »Turbo« als ungelös Allerdings hilft auch hier »cons-fix«. Ebenso funktioniert die Belegung von »con-state« nicht. Als Zugabe liegt dem Programmpaket noch der sogenannte »Desktop Customizer« bei. Wenn Ihnen der Atari-Desktop zu einfarbig ist, oder Sie das Grün- oder das Graumuster als langweilig empfinden, dann benutzen Sie den »Desktop Customizer«. Dieses Programm lädt ein beliebiges Bild in den Desktop-Hintergrund und stellt es permanent dar. Als Alternative gestattet Ihnen ein Editor, ein eigenes Muster für den Desktop-Hintergrund zu entwerfen. Zum Zeichnen des Bildes liegt außerdem ein winziges Malprogramm bei.
Inwiefern Sie diese Fähigkeiten von »Quick ST« nutzen werden, bleibt Ihnen überlassen, in vielen Fällen wird der. ungewohnte Desktop wohl nur verwirren.
Quick ST
Auf einem 1040STE monochrom, m. Blitter
TOS text: 233%
TOS string: 1209%
TOS scroll: 101%
GEM dialog: 258%
Quick ST arbeitet etwas langsamer als Turbo ST. Unten sehen Sie die Einschalt-Meldung.
Mit Quick ST erhält man eine wirkliche Alternative zu Turbo ST. Aufgrund der höheren Betriebssicherheit und: der besseren GEM-Unterstützung ist Quick ST auch solchen Anwendern zu empfehlen, die auf die umfangreichen GEM-Fähigkeiten nicht gänzlich verzichten wollen. Eine vollkommen sichere Bildschirmausgabe scheint aber derzeit nur mit deb System-Routinen des Betriebssystems TOS und des Blitter erreichbar zu sein.
Quick ST
Anbieter: Branch Always Software, USA
Preis: 25 US-Dollar
Stärken:
einfache Installation
absturzsicherer als Turbo ST
unterstützt Großbildschirme und Overscan
kurzes Programm
verwendet GDOS-Fonts
Schwächen:
englisches, knappes Handbuch
Fehler bei der Belegung von »con_state«
Fehler bei I/0-Redirektion
Fazit: Wegen der höheren Betriebssicherheit eher zu empfehlen als Turbo ST
Turbo ST
Anbieter: Bela Computer, Eschborn
Preis: 89 DM
Stärken:
starke Beschleunigung der Schirmausgabe
einfache Installation
auch als Accessory installierbar
Schwächen:
nicht absturzsicher
keine Unterstützung der GDOS-Fonts
Fehler beim Löschen des Bildschirms
Handling der Systemvariable »con_state« nicht korrekt
knappe Dokumentation
Fehler bei I/O Redirektion
Fazit: Durch Fehler beim GEM-Handling nur eingeschränkt zu empfehlen.
Ulrich Hilgefort/uw
Turbo ST: Bela Computer, Unterortstraße 23-25, 6236 Eschborn
Quick ST: Branch Always Software, 14150 N. 20th Street u 302 Bellevue, WA 98007 U.S.A. ,
Literatur:
[1] Prüßner, L.: »Verbindung erkannt, Gefahr bannt«, ST Magazin 10/89, S. 62 ff
[2] Prüßner, L.: » Reine Existenzfrage«, ST Magazin 2/90, S. 58 f
[3] Isakovic, K.; Hartmann, S.; Jerchel, P »Autoswitch-Overscan - Die Grafikerweiterung für den Atari ST«, Overscan GbR
[4] Reschke, J.: »Der weiche Großbildschirm« ST-Magazin 11/88 S.76 ff