Es scheint eines der vornehmsten Ziele eines ST-Besitzers zu sein, seinem geliebten Computer einen Hauch von MS-DOS zu geben.
Wer hat nicht dem MS-DOS-Emulator von Atari entgegengefiebert? Wie viele haben ungeduldig auf die Premiere des Superchargers gewartet? Als dann mit dem PC-Speed die Erlösung kam, wurde er zum absoluten Renner. Da aber die XT-Technologie, basierend auf den Intelprozessoren 8088 und 8086 und dem NEC-Chip V30, nicht mehr zum Frischesten gehört, was die MS-DOS-Szene zu bieten hat, drängt sich fast selbstverständlich der Ruf nach einem AT-Emulator auf.
Bei der Firma Vortex hat man sich dies zu Herzen genommen und konnte auf der CeBIT in diesem Frühjahr das erste Exemplar des »ATonce« präsentieren. Gut zwei Monate später (damit wurde der zunächst genannte Erscheinungstermin nur um zwei Wochen überschritten) ist dieser AT-Emulator endlich verfügbar.
Das Lieferpaket des ATonce enthält neben der Platine noch das Handbuch und die Diskette mit der benötigten Software. Die Platine macht einen sehr sauberen, kompakten und ordentlichen Eindruck: Neben dem Prozessor 80L286, das ist die Low-power-Variante des Intel-Chips, befinden sich noch ein VLSI-Baustein und vier SMD-Chips der 74HCxxx-Serie darauf.
Der Einbau gestaltet sich genau wie man es auch vom PC-Speed her kennt. Ein Sockel wird auf den Prozessor gelötet, und darauf steckt man dann die ATonce-Platine. Vortex bietet für den Einbau in den Mega ST auch einen Adaptersockel für den Megabus an, so daß man ATonce auch lötfrei in den Rechner einbauen kann.
Probleme hatten bisher Besitzer eines STE mit dem Einbau von Erweiterungen, die auf den Prozessor sollen, da dieser Rechner den Prozessor nicht im DIP-, sondern in einem PLCC-Gehäuse untergebracht hat. Vortex hat auch hierzu einen Steckadapter im Programm, so daß man auch beim Einbau in den STE den Lötkolben vergessen kann.
Im Handbuch wird auf über 20 Seiten sehr ausführlich und mit vielen Illustrationen der Einbau für die verschiedenen Rechnertypen erklärt. In diesem Punkt ist die Dokumentation vorbildlich.
Ist der ATonce im Computer eingebaut, geht es an die Installation der Software. Auf der mitgelieferten Diskette befinden sich das eigentliche Hauptprogramm, ein Installationsprogramm und zwei Ordner.
Im ersten Ordner »LASER« erlebt man schon die erste Überraschung. ATonce unterstützt uneingeschränkt den Atari-Laserdrucker. Man kann sogar wählen, ob man lieber die Diablo-Emulation von Atari oder die FX80-Emulation des Laserbrain von DMC laufen lassen möchte. Die Print-Screen-Funktion von MS-DOS übernimmt das Programm SDUMP, das mit dem SLM804 ausgeliefert wird.
Der zweite Ordner enthält diverse Hilfsprogramme. Dazu gehören neben verschiedenen Treibern auch Programme, um direkt von MS-DOS aus die Grafik-Emulation zu wechseln. Das mitgelieferte Programm »GEMDOS.EXE« sorgt für das Verlassen von ATonce und nach dem Booten befindet man sich wieder im gewohnten TOS.
Die Arbeit mit ATonce beginnt mit dem Installationsprogramm. Hier lassen sich beispielsweise Grafik-Emulation oder die Anzahl der Floppy- und Festplatten-Lauf-werke einstellen.
ATonce bietet insgesamt vier Grafik-Emulationen an: CGA, Hercules, Olivetti und T3100. Die beiden letzten bieten 640 x 400 in Monochrom an, und sind somit für den ST wie geschaffen.
Leider kennt nicht jedes MS-DOS-Programm diese Grafikkarten, so daß man auf CGA oder Hercules zurückgreifen muß. In der Hercules-Emulation unterstützt ATonce die Hardwareschaltung Autoswitch-Overscan, mit der je nach Monitor die vollen 720 x 348 Punkte dargestellt werden können.
Auch wer keinen Overscan hat, kann mit der Hercules-Emulation arbeiten. Da dann aber nur 640 der 720 Punkte in der Horizontalen gezeigt werden, muß man mit der Help- und der Undo-Taste umschalten. Auf einem Farbbildschirm beherrscht ATonce übrigens nur die CGA-Auflösung.
Die Einstellung der physikalischen Laufwerke ist bei der Software von ATonce gut gelöst. Bei den Floppy-Laufwerken kann man wählen zwischen 1 oder 2, 3,5 Zoll oder 5,25 Zoll und 80 oder 40 Spuren. Die Laufwerke A und B können auch vertauscht installiert werden, so daß man von einem externen 5,25-Zoll-Laufwerk auch booten kann.
Die Angabe der zu verwendenden Festplatten-Partitionen ist physikalisch. Das heißt, man gibt Adapternummer und die Nummer der Partition an, die verwendet werden soll. Bis zu 24 Partitionen kann man so angeben. Leider akzeptiert ATonce nur Partitionen mit bis zu 512 Byte/Sektor, also maximal 32 MByte. Auf größere Partitionen, wie sie seit AHDI 3.0 erlaubt sind und sie es auch unter DOS 4.0 gibt, hat man so keinen Zugriff.
Man kann wahlweise von Festplatte oder von Diskette booten. Als dritte Option bietet ATonce einen Modus, bei dem zuerst versucht wird, von Diskette zu booten. Liegt keine Diskette im Laufwerk, wird von Festplatte gebootet.
Hat man mehr als 1 MByte Hauptspeicher, kann man einstellen, was MS-DOS mit dem Speicher anfangen soll. Der verbleibende Speicher (bei einem Mega 4 immerhin 3 MByte) kann den unter MS-DOS existierenden Modellen für erweiterten Speicher, »EXPANDED MEMORY« und »EXTENDED MEMORY« zugewiesen werden.
Nach erfolgreicher Installation läßt sich endlich die Emulationssoftware starten. Nach einer kurzen Pause meldet sich das ATonce-Bios und startet den Speichertest.
Bevor der Computer bootet, wird noch die Speicheraufteilung und die Belegung der Schnittstellen angezeigt. Hat man den Atari-Laser angemeldet, wird er als LPT1: installiert. Die Centronics-Schnittstelle spricht man als LPT2: an. Auch zwei serielle Schnittstellen lassen sich unter MS-DOS ansprechen. Die eine ist die im ST eingebaute RS232, an der anderen wird die Atari-Maus als Microsoft-kompatible Maus emuliert.
Den für MS-DOS nötigen Treiber MOUSE.SYS liefert Vortex leider nicht mit. Da diese Treiber meistens zusammen mit einer Maus verkauft werden, dürfte es schwer sein, auf legalem Weg an das Programm zu kommen. Vortex sollte hier Abhilfe schaffen.
Die Beschreibung der Software läßt leider zu wünschen übrig. Das DIN A6 große Handbuch enthält gerade mal sieben Seiten über die Installation und den Betrieb des ATonce. Auch eine mitgelieferte README-Datei läßt noch einige Fragen offen. Fachbegriffe für MS-DOS werden überhaupt nicht erklärt, sondern vorausgesetzt, und bei eventuellen Fehlern kann man nicht, wie bei Vortex eigentlich gewohnt, aus dem Handbuch wichtige Tips entnehmen.
Für viele sind Kompatibilität und Geschwindigkeit die wichtigsten Argumente für den Kauf eines solchen Emulators. Vortex gibt als Norton-Faktor (Geschwindigkeit relativ zu einem IBM-PC/XT mit 8088-CPU/4.77 MHz) den Wert 6,5 an, und dies wurde durch die eigene Messung (Norton-Faktor 6,6) bestätigt. Rein vom theoretischen Standpunkt wäre ATonce damit 50 Prozent schneller als z.B. PC-Speed.
In der Praxis ist der Unterschied allerdings nicht mehr so groß. Zwar laufen Pro gramme wie MS-Word oder GEM/3 schneller, aber bei den meisten Applikationen wird man kaum einen Unterschied feststellen können Interessant ist dabei, daß das BDOS des MS-DOS auf dieselbe Platte wesentlich schneller zugreift, als es das GEM-DOS des Atari macht.
Kopiert man die gleichen Dateien unter MS-DOS und unter TOS merkt man, daß MS-DOS mehr als doppelt so schnell ist. Vielleicht laufen deshalb auch Programme wie ARC oder LHARC, die auf den gleichen Sourcen basieren, auf MS-DOS schneller.
In Sachen Kompatibilität hinkt ATonce etwas hinter den etablierten Emulatoren PC-Speed und Supercharge her. Einige Programme, wie die Terminalprogramme Telix und Telemate, laufen auf der Version 1.05 gar nicht oder nur teilweise.
Keinerlei Probleme hingegen bereitet der Einsatz von GEM/3, Microsoft Word und Procomm. Auch Lotus 1-2-3 und dBase laufen einwandfrei. An Systemsoftware wurde alles getestet, was Microsoft an MS-DOS-Versionen seit 2.11 präsentiert hat. Zu empfehlen ist aber nur MS-DOS ab Version 3.20.
Als weiteres Betriebssystem mußte DR-DOS V3.41 herhalten. Auch hier lief alles bestens. Reine 286er Software ist derzeit noch rar. So konnte bisher nur Windows 3.0 für den 80286 zum Test herangezogen werden. Leider konnte es nicht zum Laufen gebracht werden. Laut Vortex liegt es daran, daß Windows 3.0/286 erweiterten Speicher nach EMS 4.0 benötigt, während ATonce bisher nur EMS 1.0 emuliert.
Auch wenn ATonce noch nicht den höchsten Grad der Kompatibilität erreicht hat, fühlt man jetzt schon, daß die Software bald die Konkurrenz eingeholt haben wird. Wahrscheinlich wird man schon in Düsseldorf auf der Atari-Messe auch Windows 3.0/286 auf ATonce bewundern können.
Bemerkenswert beim ATonce ist die Bemühung, die Atari-Hardware so vollständig wie es nur geht, auch unter MS-DOS zur Verfügung zu stellen. ATonce hinterläßt einen mehr als guten Eindruck. Die 498 Mark sind bestimmt keine Fehlinvestition. Es bleibt nur zu hoffen, daß Vortex die wenigen Kinderkrankheiten bald behoben hat. (mb)
Hersteller: Vortex Computersysteme GmbH, Falterstraße 51 - 53, 7101 Flein
Stärken: □ sehr saubere Verarbeitung □ sehr gute Einbauanleitung □ für alle ST-Modelle verfügbar, teilweise steckbar □ gute Installationssoftware □ Atari-Laser wird unterstützt
Schwächen: □ Beschreibung der Software knapp □ nicht so kompatibel wie andere Emulatoren
Fazit: Ein Emulator der Extraklasse, der sich mit Geschwindigkeit und sauberer Verarbeitung sehen lassen kann.
Vortex Computer Systeme GmbH, Falter Straße 51-53, 7101 Flein