Die Legende von Wilhelm Tell: Crossbow

Blutrünstige Kämpfe erschweren die Suche nach Tells Sohn, den es bei diesem Action-Adventure zu finden gilt. Der Weg zum Ziel ist voller Hindernisse.

Auf ihrer nie endenden Suche nach neuem Spielestoff schrecken die Softwarefirmen auch nicht davor zurück, sich in der Welt der Sagen und Legenden zu bedienen. Nachdem bereits Jeanne d’Arc und Robin Hood einer Computerbearbeitung zum Opfer fielen, mußte jetzt auch Wilhelm Tell dran glauben: Das Softwarehaus 7 Screen hat sich der Gestalt angenommen und unter dem Titel »Crossbow - The Legend of William Teil« ein neues Action-Adventure veröffentlicht.

Im Jahre 1307 unterdrückt Herzog Geßler den Schweizer Kanton Uri. Wilhelm Tell, leidenschaftlicher Patriot und außerdem ein guter Armbrustschütze, organisiert den Widerstand gegen den Tyrannen. Der läßt sich das nicht gefallen und entführt kurzerhand Teils Sohn.

In dieser Situation nun schlüpfen Sie in die Rolle des Wilhelm Tell und führen ihn auf der Suche nach seinem Sohn. Ist dieser befreit, gilt es, mit Gessler abzurechnen und ihn seiner gerechten Bestrafung zuzuführen. Wie diese allerdings konkret aussieht und was Sie dazu machen müssen, darüber schweigt sich das Handbuch aus.

Bei Ihren Bemühungen werden Sie von Tells Landsleuten unterstützt, die Ihnen meist mehr mit Rat als mit Tat zur Seite stehen. Einige verschaffen Ihnen nützliche Gegenstände wie Passierscheine oder bessere Waffen, die Ihre Aufgabe erleichtern. Dafür werden Sie von den Leuten aber permanent nach Almosen und Lebensmitteln angebettelt, mit denen Sie sonst Ihre Energie auffrischen.

Zunächst erkunden Sie die Landschaft, die freilich nicht allzu umfangreich ist: Etwa zwei Dutzend Schauplätze werden geboten, von denen sich die meisten sehr ähneln. Manchmal hilft ein Blick auf die Computerlandkarte, um den genauen Standpunkt festzustellen — allerdings nur manchmal, denn das hierfür gedachte Positionskreuz erscheint nicht immer auf dem Bildschirm.

Die Wahl der Waffen

Bei Ihren Streifzügen begegnen Sie neben Ihren Mitbürgern auch einigen weniger freundlich gesinnten Rittern, die von Geßler angeheuert wurden, um Sie zu verhaften. Ist in so einem Fall der Fluchtweg abgeschnitten, muß Tell sich dem Kampf stellen, will er nicht im Kerker landen. Als Bewaffnung stehen Ihnen neben der obligatorischen Armbrust auch diverse Schwerter, Äxte sowie Morgensterne zur Verfügung, die im Laufe des Spieles eingesammelt werden können. Die Steuerung während des Kampfes erfolgt über Icons, die Sie mit der Maus anklicken — eine sehr umständliche Methode, die meist dazu führt, daß Tell bereits einiges an Schlägen einstecken muß, bevor er überhaupt zur Gegenwehr kommt. Wohl zum Ausgleich haben sich die Programmierer einen »Werpmodus« (was auch immer das sein mag) ausgedacht. Ist dieser aktiviert, wird Tell zur Furie und drischt um so schneller auf seine Gegner ein. Allerdings verliert er dabei auch mehr Kraft und wird somit eher verwundbar.

Haben Sie Ihren Gegner oft genug getroffen, sinkt er zu Boden und wird Sie garantiert nicht weiter belästigen; mußten jedoch Sie den Kürzeren ziehen, finden Sie sich im Kerker wieder. Das bedeutet aber noch nicht das Ende des Spiels; Sie verlieren lediglich Ihre Waffen und müssen nun die Flucht planen. Ist diese gelungen, kann Tell den Kampf wieder aufnehmen.

Alle Aktionen werden von digitalisierten Geräuschen begleitet, die zwar einigermaßen realistisch, aber nicht sonderlich abwechslungsreich sind. Gleiches gilt auch für die Grafik: Die Animationen sind ordentlich dargestellt; an Hintergrundbildern hat man auf dem ST aber schon Ausgefeilteres gesehen. Bedenkt man, daß sich Crossbow über zwei Disketten verteilt, dürften die Grafiken vor allem etwas vielfältiger sein.

Ähnlich langweilig gibt sich der Spielverlauf: Die wenigen Schauplätze sind relativ schnell durchwandert und alle Gegenstände eingesammelt. Danach verstrickt man sich meist nur noch in fruchtlose Gespräche mit den Einwohnern (»Wie geht es dir heute? - Gib mir was zum Essen!«) oder ebenso fruchtlose Prügeleien mit Rittern. Für Erheiterung sorgen allenfalls noch die wahrlich genialen Ideen der Programmierer: So kann es Vorkommen, daß Sie von einer Horde Warzenschweine (!) überwältigt und in deren Höhle verschleppt werden — Widerstand ist zwecklos. Weniger erheiternd ist allerdings, daß Tell sich danach im entferntesten Winkel der Spielkarte befindet und alle Wege zurück von ziemlich gefräßigen Wölfen versperrt sind. Gott sei Dank gibt es auch hier einen Ausweg: Sie warten einfach, bis ein Mönch auftaucht, der — gar nicht christlich — meist sofort auf Sie einzuprügeln beginnt. Wenn Sie dann aus dem Koma erwachen, finden Sie sich im heimischen Bett wieder. Derlei abstruse Situationen gibt es bei Crossbow leider zuhauf.

Speichern nicht leicht...

Abspeichern können Sie Ihren Spielstand natürlich auch. Vergessen Sie danach, wieder die Crossbow-Diskette einzulegen, werden Sie zwar vom Computer darauf aufmerksam gemacht, was ihn freilich nicht daran hindert, nach erfolgtem Diskettenwechsel fröhlich bombenwerfend abzustürzen. Daß die (immerhin deutsche) Anleitung dunkelgrau auf hellgrau gedruckt und somit absolut unleserlich ist, zählt da nur noch als Ärgernis am Rande.

Fazit

Crossbow ist ein Adventure, bei dessen Spielprinzip es an allen Ecken und Enden kracht. Und da auch Grafik und Sound allenfalls mittlerer Durchschnitt sind, gibt es keinen zwingenden Grund, für dieses Spiel über 60 Mark auf den Ladentisch zu legen.

(mb)

Crossbow

Hersteller: 7 Screen

Vertrieb: Rushware

Preis: 69,95 Mark

Benötigt: Farbmonitor

Kurzbeschreibung: Mißglücktes Action-Adventure, basierend auf der Legende von Wilhelm Tell

Rushware GmbH, Bruchweg 128-132, 4044 Kaarsi 2


Marc Kowalsky
Aus: ST-Magazin 07 / 1990, Seite 133

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite