Atomix

Daß die einfachsten Spielideen meist die besten sind, zeigt der anhaltende Erfolg des Geschicklichkeitsspiels »Tetris«. »Atomix« steigt in seine Fußstapfen.

Ein pfiffiges und verzwicktes Denkspiel, das wie Tetris großen Erfolg auf dem Spielemarkt haben kann

Das Gütersloher Softwarehaus Thalion unternahm nun den Versuch, den Spielemarkt um ein weiteres Programm dieser Güte zu bereichern. »Atomix« heißt ihr neuestes Kind und versteht sich als deutsche Antwort auf Tetris & Konsorten.

Wer nach dem gelungenen Intro ein pixelstrotzendes Grafikwunder erwartet, wird zunächst enttäuscht: Nüchtern und zweckmäßig gibt sich der Bildschirm, am linken Rand die Punktanzeigen, der Rest ist Spielfläche. Und auch der Sound beschränkt sich — von der fetzigen Titelmusik abgesehen — auf das Nötigste.

Links unten auf dem Bildschirm ist die Struktur eines chemischen Moleküls vorgegeben, das es auf dem Spielfeld nachzubauen gilt. Die verschiedenen Atome dazu sind über den ganzen Bildschirm verteilt. Sie können sie mittels Joystick horizontal oder vertikal verschieben. Ein einmal angestoßenes Atom — und hier liegt der Reiz der Sache — bewegt sich so lange in eine Richtung, bis es auf ein anderes Atom oder einen der zahlreichen Blockadesteine auf dem Spielfeld trifft. Sie müssen nun die einzelnen Atome so lange verschieben, bis ihre Anordnung dem vorgegebenen Molekül entspricht. Freilich dürfen Sie die Teile dabei nicht wahllos aneinanderklatschen, sondern müssen genau auf die passenden Elektronenverbindungen achten. Und schließlich gibt es für jede Struktur ein Zeitlimit, damit Sie nicht ewig an Molekülen herumbasteln. Die Sekundenzahl hängt von der Komplexität der zu errichtenden Struktur ab.

Was sich hier so einfach anhört, erweist sich im Spiel als äußerst anspruchsvolle Knobelei. Wer die Atome nämlich nur blind in der Gegend herumschiebt, sieht sie bald alle am Spielfeldrand kleben, von wo aus sie wieder mühsam weggekratzt werden müssen. Brücken bauen heißt die Kunst, und das geht nur wiederum mit anderen Atomen. Diese gilt es, in die richtige Position zu bringen, damit die Teilchen bei ihrer Fahrt rechtzeitig gestoppt werden. Da muß man manchmal schon ein Dutzend Züge im voraus denken, bis ein Rangiermanöver von Erfolg gekrönt ist. Jede Bewegung will wohlüberlegt sein, denn ein verirrtes Atom bekommt man oft nur sehr schwer wieder an seinen Platz.

Die auf dem Spielfeld verteilten Blockadesteine helfen zwar beim Rangieren, versperren jedoch auch Platz für das fertige Molekül. Am Anfang steht daher das Problem, erst einmal die richtige Stelle zu finden, an der die Elemente zusammenmontiert werden sollen. Manchmal gibt es nur einen einzigen Platz auf dem Spielfeld, der das Molekül aufnehmen kann. Oft vergeht bereits die Hälfte der Zeit, bis dieser Platz gefunden ist. Zum Schummeln ist die Breaktaste übrigens wenig geeignet: Das Spielfeld wird nämlich während einer Denkpause ausgeblendet.

Keine Chance für Schummler

Sie beginnen Ihre Konstruktionsversuche mit einer relativ einfachen Aufgabe, nämlich H2O (umgangssprachlich auch Wasser genannt). Später begegnen Ihnen dann anspruchsvollere Moleküle wie Methyl-Propanol (CH3OHCH3CH3) das aus immerhin 15 Atomen besteht und Sie schon ganz schön ins Schwitzen bringt. Glücklicherweise kommt nach jeder sechsten Runde ein Bonuslevel, bei dem Sie relativ einfach zu Punkten gelangen können. Aufgabe ist hier jeweils das richtige Anordnen von grafischen Symbolen ähnlich einem Schiebepuzzle.

Sollten Sie einmal ein Molekül nicht in der vorgegebenen Zeit zusammenbauen, muß das nicht unbedingt das Ende bedeuten: Vorausgesetzt, Sie haben genügend Punkte auf Ihrem Konto, können Sie für einen fünfstelligen Betrag einen weiteren Versuch kaufen.

Drei Schwierigkeitsstufen stehen zur Verfügung, die sich aber nur hinsichtlich der zur Verfügung gestellten Zeit unterscheiden. Wer Atomix lieber in Gesellschaft spielt, für den ist gesorgt: Zwei Spieler können beispielsweise abwechselnd jeweils 15 Sekunden an einem Molekül arbeiten. Teamwork ist hier angesagt, damit sich die Kontrahenten nicht gegenseitig ihre Taktiken durchkreuzen. Die Punkte am Ende einer Runde bekommt aber nur der Spieler, der das Molekül fertigstellt.

Die Highscores werden von Atomix erfreulicherweise gespeichert. Dazu müssen Sie jedoch den Schreibschutz auf Ihrer Originaldiskette entfernen. Leider läßt sich der Spielstand nicht sichern. Sie sind also gezwungen, eine Partie in einem Rutsch zu spielen. Auch das Überspringen bereits geschaffter Level ist nicht möglich; bei jedem neuen Spiel beginnen Sie wieder in Runde eins.

Unverständlicherweise läuft Atomix nur auf einem Farbmonitor, obwohl eine Anpassung an den Monochrommonitor in diesem Fall technisch wirklich nicht schwierig wäre, zumal keine aufwendigen Grafiken verwendet wurden.

Das mitgelieferte Handbuch faßt auf drei Notizzetteln das Wenige zusammen, das es zu sagen gibt. Ob wir es mit einem »absoluten Suchtspiel« zu tun haben — naja! Ohne Zweifel allerdings ist das Spielprinzip von Atomix eines der fesselndsten, das bisher das Licht der Monitore erblickt hat. Ob es zu einem Kultspiel à la Tetris reicht, bleibt abzuwarten; ohne die genannten Schönheitsfehler wären die Chancen sicherlich noch größer. Dennoch ist Atomix Freunden von Denk- und Knobelspielen sehr zu empfehlen. (mb)

Atomix

Hersteller: Thalion

Vertrieb: Ariola Soft

Preis: 69,95

Benötigt: Farbmonitor, Joystick

Kurzbeschreibung: Pfiffiges Denkspiel für eine oder zwei Personen

Ariola Soft GmbH, Hauptstr. 70, 4835 Rietberg


Marc Kowalsky
Aus: ST-Magazin 07 / 1990, Seite 130

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