Rufus — Ein Terminalprogramm für alle Fälle

Die neue Computergeneration hat einen wahren Boom in Richtung DFÜ mit sich gebracht. Längst ist Datenfernübertragung kein Metier mehr, das nur eingefleischten Computerfreaks zugänglich ist. Eine fast unüberschaubare Anzahl an Programmen erleichterte den Einstieg in die Welt der Datenströme, doch keines der bislang erhältlichen Programme unterstützte uneingeschränkt alle Konfigurationen des Atari ST.

Aus dieser Not entstand »Rufus«, die neueste Entwicklung in Sachen Software. Rufus wurde vor allem in der Absicht, ein Terminalprogramm für alle Auflösungen zu schaffen, programmiert. Angefangen bei Standards wie der mittleren Auflösung des Farbmonitors bis hin zum Matrix-Großbildschirm oder aber Exoten wie Hyperscreen, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Dabei sollten jedoch keine qualitativen Einbußen erfolgen. Außerdem wurde bei Rufus »saubere Programmierung« groß geschrieben.

Rufus präsentiert sich in gewohnter GEM-Umgebung und verfügt trotz seiner geringen Programmlänge (ca. 90 KByte inklusive Resourcedatei) über leistungsstarke Funktionen, die Datenreisen recht komfortabel gestalten. Da Rufus über das Shareware-Prinzip vertrieben wird, wird es in jeder guten Mailbox enthalten sein. Der zufriedene Benutzer wird aufgefordert, 50 Mark an den Autor zu überweisen und erhält ein gedrucktes Handbuch. Außerdem wird er als registrierter Benutzer über Updates informiert. Rufus enthält im Grundumfang die GDOS-Version AMCGDOS. Dieses Programm ist notwendig, um weitere Fonts (ebenfalls enthalten) in Rufus einzubinden.

Rufus zeigt sich auf den ersten Blick eher schlicht. Nach Programmstart wird ein Fenster geöffnet, das später die Terminalfunktion übernimmt. Ist AMCGDOS installiert (dazu muß es sich im AUTO-Ordner des Bootlaufwerks befinden), blickt man einem neuen Zeichensatz entgegen. Insgesamt stehen acht verschiedene Zeichensätze zur Verfügung. Unter ihnen auch der inzwischen weit verbreitete Macintosh-Font. Für Benutzer eines Farbmonitors ergibt sich hier allerdings das erste Problem. Die geringe Auflösung von 640 x 200 Punkten gestattet es nicht, Gebrauch von externen Zeichensätzen zu machen, da in diesem Fall immer nur ein Teil des Terminalfensters angezeigt wird. Ein ausreichendes Ergebnis erhält man nur bei der 9-Punkt-Darstellung des 6 mal 6-Systemfonts. Doch sind auch hier nur 21 der sonst üblichen 24 Zeilen zu erkennen. Viele Mailboxen erlauben jedoch eine variable Zeilen-und Spaltenzahl. Besitzer eines Großbildschirms kommen mit dieser Funktion in den Genuß eines wahrlich überdimensionalen Terminals.

In der Titelzeile des Fensters steht — sofern geschehen — der Name der zuletzt besuchten Mailbox. Darunter befindet sich eine Statuszeile. Sie gibt Auskunft über Modemparameter, (Online-) Zeit, Füllgrad des Capture-Buffers sowie Terminalart und Protokollauswahl. Die wichtigsten Einstellungen werden in der Menüzeile unter dem Punkt »Parameter« vorgenommen. Der Menüpunkt »RS232« ist für grundlegende Funktionen wie z.B. Übertragungsparameter und Handshakemodus vorgesehen.

Im Parameter-Menü findet man die verschiedenen Terminalemulationen
Übertragungsparameter und Handshakemodus werden im RS232-Menu eingestellt

Wie die meisten Programme seiner Art beherrscht Rufus Emulationen der verschiedenen DEC-Terminals. Hier stehen dem Anwender VT-52- und VT-100-Emulation nebst ASCII zur Verfügung. Das VT-100-Terminal ist voll ANSI-fähig und beherrscht außerdem die Befehle der VT-2xx-Terminals. In einer späteren Version von Rufus soll zusätzlich eine Grafikterminalemulation enthalten sein. Da sich die Zeilen- und Spaltenzahl der einzelnen Emulationen individuell verändern lassen, ist es ein leichtes, Rufus an jede Gegebenheit anzupassen. Unter Verwendung des VT-52-Terminals, das nur Inversschrift als Stilmittel unterstützt, lassen sich entsprechend hervorgehobene Textstellen je nach Geschmack auch unterstrichen oder fett darstellen.

Um eine größtmögliche Kompatibilität zu den Originalterminals von DEC zu gewährleisten, werden wahlweise die Funktionen des Zehnerblocks entsprechend den Originalfunktionen angepaßt. Echofunktionen (Halb- bzw. Vollduplex oder lokal) werden ebenfalls in diesem Menü ausgewählt. Eine Funktion zum Wortumbruch ist bereits vorgesehen, jedoch noch nicht implementiert. Rufus verfügt über fünf verschiedene Protokollarten: X-, Y- und Z-Modem sowie Stream und Y-Modem-G. Das Stream-Protokoll wird bislang nur von Rufus unterstützt und dient in erster Linie zur Datenübertragung auf fehlerarmen Leitungen. Anwendungen hierfür bieten sich vor allem beim Zusammenschluß zweier oder mehrerer Computer. Das Z-Modem-Protokoll wird von zwei externen Programmen übernommen, die bei Bedarf nachgeladen werden. Leider verweilen diese nicht resident im Speicher, so daß bei erneutem Gebrauch dieses Protokolls eine weitere, wenn auch kurze Wartezeit anfallt, sofern man keine Festplatte besitzt.

Eine besondere Fähigkeit eröffnet sich, wenn Rufus als Accessory installiert ist. Ist dies der Fall, laufen Uploads oder Downloads bei Verwendung des X-, Y-oder Y-Modem-G-Protokolls wahlweise im Hintergrund ab, ohne den gesamten Rechner für andere Arbeiten zu blockieren. Falls gewünscht, wird das aktuelle Programm nach der Übertragung unterbrochen und Rufus erneut aufgerufen. Alle Protokolle arbeiten fehlerfrei und zuverlässig. Ein weitere Besonderheit bildet die eingebaute Wahlwiederholung. Um diese zu nutzen, ist es zunächst notwendig, Modemkommandos und Rückgabestrings des Modems anzugeben. Dies geschieht mittels dem Menüpunkt »Modem«. Rufus verlangt die Befehle für Wählen und Modemreset. Die Rückgabestrings des Modems benötigt Rufus, um auf Ereignisse wie »No Carrier« oder »Connect« richtig zu reagieren. Da die meisten Modems dem Hayes-Standard unterliegen, dürften sich die Angaben nicht wesentlich von denen in Bild 3 unterscheiden. Manche Modemtypen verlangen jedoch eine etwas längere Wartezeit nach dem Befehl »ATZ« (Modemreset). Wurden alle Angaben korrekt gemacht, bietet Rufus eine umfangreiche Wahlwiederholung mit integriertem Telefonregister.

Der größte Unterschied zu herkömmlichen Funktionen dieser Art liegt vor allem darin, mehrere Nummern wiederholt zu wählen. Leider läßt sich der Wählvorgang nicht abbrechen und reagiert auf Mausklicks während dieser Zeit recht zimperlich — bis hin zum Abstürzen des Rechners. Ist der gewünschte Anschluß besetzt, kann bis zum nächsten Wählvorgang eine frei definierbare Pause eingelegt werden, um die Relais im Modem nicht über Gebühr zu belasten. Als Besonderheit sei hier das sog. Klemmbrett erwähnt. Ein Klemmbrett dient dazu, beliebige Daten kurzzeitig festzuhalten. Dazu wird ein entsprechender Ordner eingerichtet, in den diese Daten kopiert werden. Programme, die diese Option unterstützen, können somit ohne großen Aufwand Daten austauschen. Ist der interne Pufferspeicher voll, wird er wahlweise an eine dafür vorgesehene Datei angehängt oder gelöscht. Eine weitere sehr nützliche Funktion bietet die Verarbeitung von Batch-Dateien. Unter ihnen versteht man kleine Programme, die von Rufus abgearbeitet werden. Hierzu stehen zahlreiche Befehle zur Verfügung, die sogar das Einbinden von Dialogboxen erlauben. Durch Labels und Kommandos wie »IF« und »GOTO« besteht die Möglichkeit der unbedingten und bedingten Programmverzweigung.

Befehle zum Senden und Empfangen von Dateien oder Strings sind natürlich ebenso enthalten wie Funktionen zum Verändern aller notwendigen Parameter. Solche kleinen Programme können vom Einloggen bis zum Downloaden der neuesten Mail oder Programme jede nur erdenkliche Aufgabe übernehmen. Zum besseren Verständnis der Programmierung dienen bereits vorgefertigte Batch-Dateien. Mit der Funktion »Befehl eingeben« wird ein einzelner Befehl ausgeführt. Diese Funktion ist sehr zweckmäßig, um Befehle auszuprobieren. Von Batch-Dateien gleich zum Aufruf externer Programme. Rufus unterscheidet dabei in TOS- und GEM-Programme. Im Falle eines TOS-Programms startet Rufus den im Atari eingebauten VT-52-Emulator und läßt das Programm in einem Fenster ablaufen. GEM-Programme starten wie gewohnt. Unabhängig vom Programmtyp wird nach einer Kommandozeile gefragt, die dem angegebenen Programm übergeben wird. Wurde ein Kommandozeileninterpreter installiert (z.B. Mupfel), kann dieser über den Menüpunkt »Shell-Aufruf« gestartet werden.

Auch bei dem Transferparameter-Menü findet man nicht nur die »Standardparameter«
Die Wahlwiederholung wird in diesem Menüpunkt definiert und auch Modemrest etc. sind hier einzustellen

Um die ständig wachsende Anzahl an Pufferdateien, downgeloadeten Programmen und Batch-Dateien nicht in einem völligen Chaos enden zu lassen, bietet Rufus für die wichtigsten Dateien frei definierbare Pfade. Zusammen mit den übrigen Voreinstellungen werden diese in der Datei RUFUS.INF gesichert.

Zum Abschluß noch ein paar Worte zu einer Umgebung, die mehr und mehr Gefallen unter den Programmierern gefunden hat. Rufus verwendet sog. »fliegende Dialoge«. Die Vorteile dieser Abkömmlinge der allseits bekannten Dialogboxen können sich sehen lassen. Fast jede Einstellung läßt sich sowohl über die Maus als auch die Tastatur bewerkstelligen. Dabei ist der entsprechende Buchstabe im Dialog durch einen Unterstrich gekennzeichnet. Mit einem speziellen Feld in der rechten oberen Ecke lassen sich alle Dialoge auf dem Bildschirm verschieben. Will man z.B. eine Nummer in das Telefonregister übertragen, die Dialogbox den Textabschnitt mit eben dieser Nummer jedoch verdeckt, wird der Abschnitt durch Verschieben der Box wieder sichtbar. Die neue Position wird gespeichert und bei Wiederaufruf des Dialogs verwendet. Eine Eingliederung in die Datei RUFUS.INF erfolgt nicht, d.h. die Dialoge erscheinen bei jedem Programmstart zunächst wieder in der Bildschirmmitte.

Zur besseren Gestaltung der Dialogboxen verwendet Rufus für Schalter und Knöpfe eigene, Macintosh-ähnliche Symbole Die Dialoge sind durchgehend übersichtlich aufgebaut und erleichtern das Arbeiten mit Rufus sehr. Wie bereits kurz erwähnt, läßt sich Rufus durch Umbenennen der Programmdatei in RU-FUS.ACC auch als Accessory installieren. Der Aufruf erfolgt in gewohnter Manier über die Menüzeile des Desktops bzw. eines anderen GEM-Programms.

Da Accessories bekanntlich kein eigenes Drop-Down-Menü besitzen dürfen, wurde die Menüauswahl durch sog. Pop-Up-Menüs ersetzt. Klickt man mit der Maus in das geöffnete Terminalfenster, erscheint an der aktuellen Mausposition ein kleines Menü. Dieses Menü enthält alle Punkte der sonst angezeigten Menüzeile. Fährt man nun mit dem Mauszeiger auf einen bestimmten Eintrag, erscheint ein Untermenü (gleichwertig zu Drop-Down-Menüs).

Rufus zeigte sich als Accessory vor allem in Verbindung mit anderen Programmen nicht immer betriebssicher. In Zusammenarbeit mit 1st Word Plus verschwanden merkwürdigerweise die Verschiebebuttons der fliegenden Dialoge. Außerdem verabschiedete sich das Programm des öfteren mit Bombenangriffen. In dieser Hinsicht fehlerfrei, arbeitet Rufus jedoch mit penibel sauber geschriebenen Programmen wie z.B. dem Edison-Editor. Ein kleines Manko findet sich auch in der Maussteuerung, die vor allem auf Mausklicks im Accessorymodus zu träge reagiert. Da es sich aber bei der getesteten Version um eine Betaversion handelte, dürften die Fehler bis zum Erscheinen der Endversion bereinigt sein.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Rufus seinen Erwartungen in jeder Hinsicht gerecht wird. Gerade unter dem Aspekt der Lauffähigkeit auf allen bekannten Systemen, ganz gleich unter welcher Konfiguration, verdient das Programm auch hinsichtlich seiner Leistung Anerkennung, (mb)

Die umfangreiche Wahlwiederholung ist nur dann möglich, wenn man alle Angaben korrekt gemacht hat
Die aktuelle Mausposition ist entscheidend für den Erscheinungsort des angeklickten »Pop-Up-Menüs«

Wertung

Name: Rufus

Preis: 50 Mark (Shareware)

Programmierer: Michael Bernards

Stärken: □ unterstützt alle Auflösungen, □ komplett in GEM eingebunden, □ eigene Programmiersprache, □ Z-und Y-Modem-G-Protokoll

Schwächen: Fehler im Accessorymodus

Fazit: Gutes Terminalprogramm, das kaum Wünsche offen läßt

Bezugsquelle: z.B. im Maus-Net


Armin Hierstetter
Aus: ST-Magazin 06 / 1990, Seite 32

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