Gleich an mehreren Arbeitsplätzen präsentierte Atari auf der CeBIT den TT einem breiten Publikum. Das ST- Magazin bekam nach der Messe die Gelegenheit, eine der raren Entwicklermaschinen in der Redaktion genauer zu untersuchen.
Daß Atari den TT auf der Messe in so großer Anzahl zeigte, legt den Schluß einer baldigen Markteinführung nahe. Auch die Tatsache, daß die Geräte nach der CeBIT einigen ausgesuchten Softwarehäusern - zumindest für einige Tage - zur Verfügung gestellt wurden, unterstreicht diesen Verdacht. In zähen Verhandlungen konnte das ST-Magazin einen dieser »Erlkönige« für einen ersten Test bekommen. Um es vorweg zu sagen: Die Ergebnisse unserer »Spionagearbeit« sprechen für eine baldige Markteinführung des TT.
Rein äußerlich hat sich der TT seit der Atari-Messe im letzten Jahr nicht mehr verändert. Das Design seines 'Gehäuses unterstreicht seine Eigenständigkeit. Im unteren Teil residiert die Hauptplatine, der linke kastenartige Aufsatz beherbergt das Schaltnetzteil und ein Floppy-Laufwerk. Unter dem rechten kleineren »Kasten« brachte Atari das eingebaute 3/2-Zoll-Festplatten-Laufwerk unter. An der linken Seite des Gehäuses kommen alte Bekannte zum Vorschein: Auch beim TT brauchen Sie auf den ROM-Port nicht zu verzichten. Außerdem finden Sie hier die bei Atari übliche Buchse, um die Tastatur anzuschließen. Ebenso dachte Atari an die Musiker und plazierte hier zwei MIDI-Buchsen. Dahinter liegt eine Buchse, die denen des »Macintosh« sehr ähnlich sieht. Sollte sich hier etwa eine Apple-Talk-kompatible Schnittstelle befinden? In der Tat: Das Entwicklerteam konzipierte den TT sozusagen als »offenes System«, das den Kontakt zur Außenwelt nicht scheut.
Das beweist auch ein Blick an die Rückseite des Computers Hier finden sich eine Vielzahl voll Anschlußbuchsen. Ganz links finden wir schon die erst Neuerung gegenüber der ST-Serie, einen SCSI-Bus. Gleich daneben liegt die altbekannt Floppy-Anschlußbuchse. Hier zeigt sich der »Fluch« eine Hausstandards. Atari mußte an die vielen potentiellen Aufsteiger denken. Nun, so muß der Anwender eben weiter mit den unhandlichen Steckverbinderinder ST-Serie leben. Die Buchse nebenan entspricht zwar auch einem Hausstandard, doch wird wohl niemand größere Kritik an diesem Anschluß üben. Hier befindet sich nämlich die sog. »ACSI-Schnittstelle« zum Anschluß von ST-Festplatten und - das ist noch wichtiger - des Atari-Laserdruckers »SLM 804«. Weiter rechts liegt die Centronics-Buchse. Beim Anschluß eines Monitors verließ Atari dann den Pfad der hauseigenen Norm. Hier setzten die Ingenieure aus Sunnyvale auf die verbreitete Sub-D-Buchse. Dafür bescherten uns die Entwickler gleich zwei serielle Ports.
An der Rückseite des TT finden Sie eine reichhaltige Auswahl an verschiedenen Schnittstellen
Beim weiteren Blick entlang der Rückseite wartet der TT dann noch mit einem besonderen »Schmankerl« auf: Hier finden Sie zwei sonst an Computern unübliche Buchsen. Diese zeichnen sozusagen für den guten Ton verantwortlich. Hier können Sie zum Beispiel Ihre Stereoanlage anschließen und damit fast HiFi-Ton genießen. Im Inneren des Computers sorgt hochwertige PCM-Technik mit 8 Bit für den entsprechenden Ohrenschmaus.
Über dieser ganzen Batterie von Schnittstellen sorgt ein Gehäusedurchbruch dafür, daß auch eine interne Erweiterungskarte den Weg, nach draußen findet. Ein Blick- auf die Hauptplatine offenbart neben dem VMESteckplatz noch das »Herz« des TT, einen MC 68030, das mit 16 MHz schlägt. Sollte Ihnen diese geballte Rechenkraft noch nicht genügen, so geben Sie Ihren TT durch den Einbau eines MC 68881- oder MC 68882-Coprozessors bei Rechenaufgaben so richtig die Sporen.
Die CPU war bei unserem Testmuster Herr über ein 2 MByte großes Gedächtnis, das sich mit sog. SIMM-RAMs leicht auf 8 MByte erweitern läßt. Wenn in absehbarer Zeit die 4MBit-DRAMs erhältlich sind, kann dieser Speicher sogar leicht auf bis zu 26 MByte anwachsen.
Atari liefert den TT zusammen mit einer neuen Tastatur aus. Auf den ersten Blick fällt die Neugestaltung der Funktionstasten auf. Über diesem Tastenfeld liegt eine flache Mulde, die sich als Stiftablage geradezu anbietet. Das Schreibgefühl der neuen Tastatur hebt sich deutlich vom schwammigen Druckpunkt der »kleinen« STs ab. Die Qualität der Tastatur liegt sogar noch etwas über der bei den Mega-STs üblichen Keyboards. Jeweils an den Seiten der Tastatur liegen die Anschlußbuchsen für die Maus und einen Joystick. Übrigens können Sie auch die Tastatur eines Mega-ST verwenden, wenn Sie Ihnen lieber ist. Beim Systemstart verhält sich der TT geradezu »Gentlemanlike«: Er wartet brav, bis die eingebaute Festplatte betriebsbereit ist und beginnt dann erst mit seiner Arbeit. Nach dieser Wartezeit erscheint die beim ST gewohnte Benutzeroberfläche. Ein erster flüchtiger Augenschein läßt keine Unterschiede zum Gewohnten in Erscheinung treten.
Die ersten Abweichungen zum ST fallen unter dem Menüpunkt »Extras« auf. Der letzte Eintrag - hier schalten Sie sonst den Blitter ein oder aus - heißt »Cache«. Der Prozessor des TT, ein MC 68030, enthält einen schnellen Zwischenspeicher, in dem er Daten und Instruktionen ablegt. Verträgt sich nun ein Programm nicht mit diesem Cache, so schalten Sie diesen einfach per Mausklick aus. Unter dem Menüpunkt »Voreinstellung« bietet das Betriebssystem eines ST drei verschiedene Bildschirmauflösungen an. Der TT läßt sich auch hier nicht lumpen und bietet neben den gewohnten Auflösungen drei zusätzliche Arbeitsmodi an. Als erstes zaubert er bei einer Auflösung von 320 x 480 Pixeln 256 Farben aus einer Palette von 4096 gleichzeitig auf den Bildschirm. Die nächste Stufe bringt es immerhin noch auf 16 Farben bei 640 x 480 Bildpunkten. Bei 1280 x 960 Pixeln Auflösung bleibt dann schließlich nur die Schwarzweißdarstellung. Genaugenommen verfügt der TT noch über eine vierte Darstellungsart, den sog. »Duo-Chrome-Modus«. Hier stellt der Computer dann 640 x 400 Punkte in zwei Farben dar. Diese Darstellung entspricht in etwa der höchsten Auflösung des ST.
Eine weitere Änderung des Desktops ist schon nicht mehr so offensichtlich: Er fällt erst beim Formatieren von Disketten auf. Hier erschien bei unserem Testmuster zwar die gewohnte Menübox mit den Punkten einseitige oder doppelseitige Formatierung, aber ein drittes Feld bot 1,44-MByte-Disketten an. Leider war dieser Menüpunkt nicht anwählbar, doch es spricht alles dafür, daß der Serien-TT auch mit HD-Disketten umzugehen weiß. Allerdings scheint beim Desktop noch nicht das letzte Wort gesprochen zu sein. Der TT hätte sicher die »Power«, um auch eine komfortablere und leistungsfähigere »Schreibtischoberfläche« verwalten zu können. Wem fallen da nicht ein paar hübsche »Features« ein, die sein Computer durchaus bieten könnte?
Nach diesem kurzen Streifzug durch den Desktop interessierte uns natürlich die Frage, wie es um die Kompatibilität des TT und seines Betriebssystems »TOSO30« zum ST bestellt ist. Deshalb versuchten einige Staudardprogramme auf ihre Lautfähigkeit auf dem TT. Da gerade ein DTP-Programm wie »Calamus« von der größeren Geschwindigkeit und der höheren Auflösung profitieren dürfte, stand unser erster Testkandidat schnell fest. Calamus und TT verstanden sich auf Anhieb. In der Auflösungsstufe von 640 x 400 lief Calamus dann auch wie er auf einem ST, natürlich nur ungleich schneller. Leider verfügte unser Test-TT über einen Farbmonitor, der die höchste Auflösung des TT nicht darzustellen vermochte. Eine Abfrage im Calamus verhinderte jedoch ein Arbeiten in den hochauflösenden Farbmodi des TT, so daß wir keine Aussage über die anderen Darstellungsarten treffen können. Spätestens mit der Version »Calamus SL« dürfte dieses Fragezeichen jedoch aus dem Weg geräumt sein. Ein weiterer wichtiger Testkandidat war das Programm »1st Word Plus«. Leider verhielt sich dieses Programm nicht so mustergültig. Es ließ sich zwar anstandslos starten, doch beim Versuch, einige Zeilen zu schreiben, zeigte sich gar Grausliges auf dem Bildschirm: Das Programm scheint sich irgendwie bei der Wahl der Bildschirmfonts (Schriftarten) zu vergreifen. Es erscheinen nur riesige Buchstaben, die weder in der Höhe noch in der Breite auf den von Wordplus bereitgestellten Platz passen. So läßt sich leider nicht mit diesem von Atari vertriebenen Produkt arbeiten. Eine Rücksprache mit Atari ergab, daß der Fehler dort bekannt und eine Lösung in Aussicht sei.
Als Alternative versuchten wir es darauf mit dem Editor »Tempus«. Doch das Programm brachte den TT schon beim Start gründlich durcheinander und verweigerte seinen Dienst. Nicht viel besser erging es dem großen Bruder »Tempus Word« in der Version 0.9. Zwar zeigte sich das Programm mit dem Startbildschirm, doch eine kleine Bewegung mit der Maus, und aus war der Traum. Leider zeigten sich solche Totalausfälle auch bei »Signum« und dem beliebten Hilfsprogramm »Harlekin«. Alle diese Fehlschläge müssen nicht unbedingt dem TT angelastet werden, meistens haben die Programmierer etwas »zu nahe am ST« programmiert. So gesehen ist der TT ein Prüfstein für saubere Programmierung. Deshalb kommt jetzt eine erfreuliche Nachricht. Zum einen eben für diese Programmierer und dann auch für die Anwender: Wir starteten danach natürlich erst einmal verschiedene Programmiersprachen und Pakete auf dem TT. Und siehe da, hier gab es keinen Absturz oder ähnlich häßliche Phänomene. So liefen z. B. »Turbo-C«, das »Entwicklungspaket« von Atari, »Megamax C« und »CCD-Pascal« einwandfrei. Bei anderen wie z. B. bei »GFA-Basic« funktionierte der Editor nicht richtig, es ließ sich aber mit ihnen arbeiten. So stehen den Programmierern zumindest die Werkzeuge zur Verfügung, um ihre Programme an den TT anzupassen.
Sicherlich wird die Markteinführung des TT auch dazu beitragen, daß Programme in Zukunft sauber und hardwareunabhängig geschrieben werden. Hoffentlich spielen nun die Softwarehäuser mit und verlangen für die notwendigen Updates nicht auch noch allzuviel Geld. Schließlich möchte der Anwender auf dem TT ja nicht auf seine gewohnte Software verzichten.
Zu guter Letzt wollten wir noch wissen, wie es um die reine Geschwindigkeit des TT bestellt ist. Deshalb haben wir einige Testprogramme auf diesem Computer laufen lassen. Hierbei zeigte der TT sich als wahrer Sprinter. So liefen alle Programme etwa zwei- bis fast viermal so schnell wie auf einem normalen ST. Insgesamt hinterläßt der TT einen durchaus fertigen Eindruck. Daß einige Programme auf ihm den Dienst versagen, ist nicht unbedingt diesem Computer anzutasten. Auch wenn einiges an diesem Computer noch verbesserungswürdig ist, so machte er doch einen fast serienreifen Eindruck. Dies unterstreicht auch die Hauptplatine, die aussah, als würde sie aus einer Großserienfertigung stammen.
(uw)