ST-Transformer - Der Verwandlungskünstler im Test

Seit geraumer Zeit geistern Gerüchte bezüglich eines Programmes herum, welches Ataris alte 8-Bit-Computer auf dem ST emulieren soll. Nachdem wir einige Prototypen gesichtet hatten, setzten wir uns mit dem Autor in Kanada in Verbindung. Hier ein Test der neuesten Emulatorversion 2.52 Zunächst einmal ist zu sagen, daß die Emulation des XEs auf einem ST grundsätzlich an Probleme stoßt, da der 8-Bit-Rechner über spezielle Custom-Chips ver fügt, die Sie im ST vergeblich suchen. Allen voran der brillante »Antic«, ein Grafikchip, der es den Atari-Computern schon 1979 ermöglichte, bis zu 256 Farben gleichzeitig darzustellen. Dieser Spezialchip erledigte Dinge wie Scrolling und Sprites (dort Player/Missiles genannt) quasi nebenbei und stellte eine Vielzahl von Grafikmodi zur Verfügung, von denen der ST-Besitzer nur träumen kann. Auch das Mischen der vielfältigen Grafikmodi erledigte der »Antic«, ohne daß die 6502C-CPU dadurch behindert wurde. Darüber hinaus verfügten die »alten« Ataris über bessere Soundchips und sogar A/D-(Analog- > Digital-)Wandler.

Diese Hardwarespezifikationen machen eine Emulation von vornherein problematisch. Dennoch ist es Mihocka, dem Autor des »ST-Transformers«, gelungen, eine Emulation auf relativ breiter Basis zu ermöglichen.

Der Transformer entstammt ursprünglich einem größeren Emulationsprogramm, das in seinem Kern aus einem 6502 Emulator besteht. Das ursprüngliche Programm konnte neben den 8-Bit-Ataris auch noch den Apple II und den Commodore 64 emulieren. Doch nach den ersten Programmversionen, die als Shareware-Programme auf den Markt kamen, drohten die Firmen Apple, Commodore und Atari mit gerichtlichen Schritten. Während Mihocka mit Atari eine Regelung finden konnte, die beide Seiten zufriedenstellt, war dies bei Apple und Commodore nicht möglich. Die Emulationen der beiden anderen Rechner entfernte der Autor deshalb.

Wie ein kompletter 130 XE

Aufgrund der gütlichen Einigung mit Atari konnte Mihocka sogar die Rechte am Vertrieb der beiden 8-Bit Betriebssystem-Versionen erwerben, deren letztere Version der Emulator beinhaltet. Es steht demzufolge das komplette Betriebssystem eines 130 XE zur Verfügung.

Nach dem Laden der Emulator-Software erscheint ein »reichhaltiges« Auswahlmenü (Bild 1). Hier stellen Sie die gewünschte Konfiguration Ihres Systems ein. ln früheren Versionen (bis V. 2.3) besaß der Transformer noch die Fähigkeit, zwischen den zwei unterschiedlichen Betriebssystem-Versionen der 8-Bit-Computer hin- und herzuschalten. Diese Fähigkeit ging wegen des knappen Speichers der 512-K-STs verloren Dafür läuft der Transformer jetzt auf allen STs. Wer weiterhin nicht auf die alte Betriebssystem-Version verzichten will (und für manche Programme ist dies unerläßlich), kann dieses von Disk nachladen. Das alte OS ist nicht im Lieferumfang enthalten.

Den Datenaustausch zwischen den »alten« und den »neuen« Ataris ermöglicht ein mitgeliefertes Kabel, das Sie zwischen den Druckerport des STs und dem Disketten Laufwerk des XEs schalten. Mittels dieses Kabels können Sie entweder ganze Disketten auf das 3’/2-Zoll-Format des STs kopieren oder direkt von der 8-Bit-Floppy booten. Letzteres funktioniert sogar im High-Speed-Modus der gängigen Floppyspeeder, wie beispielsweise dem Happy-Drive. Die Billiglösung von Engl Elektronik erzielt keine Geschwindigkeitsverbesserung. Wir testeten den Transformer an den 810-und 1050-Laufwerken von Atari sowie an einem umgebauten Percom-Laufwerk, wobei jedes der Laufwerke vom Transformer ansprechbar war Der Autor versichert, daß sein Programm auch mit dem Atari XF551-Laufwerk sowie Stationen von Rana oder Indus arbeitet. Dabei adressiert es selbst ausgefallenste Formate, die Kapazitäten der Diskettenstationen dürfen 90, 128, 180 und sogar 360 KByte betragen. Die dazu nötigen DOS’s (»Disk Operating Systems«) ließen sich problemlos emulieren.

Modems bis zu 1200 Baud

Der Transformer spricht bis zu acht Laufwerke an, sowohl Disketten-Laufwerke, Hard Disks und RAM-Disks. Dabei muß es sich nicht unbedingt um die (ohnehin wenig benutzten) XE-Hard-Disks handeln, auch die am ST angeschlossenen Hard-Disks arbeiten problemlos mit dem Transformer.

Ins gepatchte Betriebssystem des Transformers hat der Autor auch einen Modemtreiber mit der Kennung R: eingebaut, mit dem Sie Modems bis zu 1200 Baud ansteuern. Außerdem können Sie wahlweise neue Rechenroutinen zuschalten, die Floating-Point Operationen beschleunigen. Als zusätzliches Feature verfügt der Transformer noch über einen eingebauten 6502-Debugger sowie mehrere Zeichensatze, die wir hier aber nur am Rande erwähnen wollen Nun sollte sich der Emulator in der Praxis bewähren. Überraschenderweise funktioniert das Programm recht gut. Nachdem wir einige DOS’s ausprobierten, die fehlerfrei liefen, testeten wir die Geschwindigkeit des Emulators sowohl in Basic als auch im 6502-Assembler. Dabei stellte es sich heraus, daß der Emulator auf dem ST etwa ein Drittel bis halb so schnell läuft wie der 800XL, den wir zu Referenz zwecken benutzten. Das Basic läßt sich merkbar durch Zuschalten der neuen Floating-Point-Routinen beschleunigen, jedoch führen gerade diese Routinen bei einigen Programmen zu Abstürzen. Daraufhin ließen wir das »frühe Werk« von Frank Ostrowski, »Turbo-Basic XL« laden. Selbst dieses Programm arbeitete fast einwandfrei, es ergaben sich jedoch manchmal Probleme bei dem Befehl »DSOUND«, worauf wir aber später noch zurückkommen werden.

Daraufhin wollten wir die Emulation der Custom Chips testen. Dabei stellte sich heraus, daß der Transformer erfreulicherweise ein Großteil der Antic- und GTIA Modes emuliert, was nicht einmal zur merklichen Verlangsamung des Emulators führt. Das erste wirkliche Problem tauchte bei einem Test der 256 Farben auf. Wie auch der Autor in der etwa 20seitigen englischen Anleitung schreibt, stellt der Emulator nur 128 Farben dar. Weiterhin erzeugt das Programm keine Player/Missile-Grafiken. Damit ist der Emulator für die Benutzung der meisten Spiele wertlos. Als erfreuliche Ausnahmen erwiesen sich die Spiele Choplifter, Spare Change und The Goomes (Bild 2), die keine Player/Missiles verwenden. Bei diesen Spielen fällt eine weitere Fähigkeit des Emulators erfreulich auf: der eingebaute Freezer. Durch einen Tastendruck unterbrechen Sie den Emulator jederzeit und laden oder speichern das gesamte System Möchten Sie nur den Bildschirminhalt abspeichern, so bietet der Emulator Ihnen die Möglichkeit, den momentanen Screen als Degas-Bild zu speichern.

Ein Problem in der Emulation zeigt sich auch bei der Soundprogrammierung. Denn während der »Pokey«-Chip der 8-Bit Rechner noch vier Kanäle mit 8-Bit-Auflösung oder zwei Kanäle mit 16-Bit-Auflösung erzeugen konnte, reicht es beim ST nur zu drei Soundkanälen mit 12-Bit-Auflösung. Das Programm schaltet deshalb ständig zwischen den Soundkanälen hin und her. Bei der Benutzung von mehr als zwei Soundkanälen geht also immer etwas verloren, was in der Praxis aber wenig auffällt lm »Turbo-Basic XL« er gab sich, wie bereits erwähnt, ein Fehler bei der Benutzung des Befehls »DSOUND«, wahrscheinlich deshalb, weil dieser Befehl von einer Sound-Auflösung von 16 Bit ausgeht. Ein weiteres Problem ist der fehlende A/D-Wandler an den Joystick Ports des STs. Dies ist ein Manko, das sich softwaremäßig nicht beheben läßt. Auf den Anschluß von Paddies oder Lightpens müssen Sie also verzichten.

Um Hardcopies zu drucken, verwenden Sie entweder weiterhin den am ST angeschlossenen Drucker oder drucken auf dem 8 Bit Printer aus. Wir testeten dies an einem Atari 1027, die Hardcopies entstanden fehlerfrei. Durch einen Menupunkt im Transformer-Hauptmenü bestimmen Sie, ob der Transformer durch das mitgelieferte Kabel eine Diskettenstation oder einen Drucker anspricht Noch ein weiteres Feature fällt auf: Das F- Gerät. Als Gerät F. sprechen Sie jederzeit und aus jeder Programmiersprache GEMDOS-Dateien des ST-Systems direkt an. Dies ist dann von Vorteil, wenn Sie einmal nicht vollständige Disketten auf das ST-System übertragen wollen, sondern nur einzelne Dateien Weiterhin erleichtert dies den Datentransfer zwischen verschiedenen Programmen auf den beiden verschiedenen Systemen.

So ist es z.B. möglich, Daten, die Sie ursprünglich mit dem Datenverarbeitungsprogramm »Synfile +« auf dem XE verwaltet haben, auf das ST-System zu überspielen und dort (nach einigen Anpassungen) mit »Adimens« weiterzuverarbeiten Wir testeten dies mit einer etwa 100 KByte langen Schallplatten Sammlung, die wir »Adimens«-tauglich konvertierten. Das System lauft seit geraumer Zeit ohne Beanstandungen. In der Praxis zeigt ich der Emulator als durchaus brauchbar. Wenn Sie auch auf den größten Teil der 8-Bit-Spiele verzichten müssen, so läuft fast jede Anwendungssoftware einwandfrei.

Im Lieferumfang enthalten sind Programme zum schnellen Datenaustausch zwischen ST und XE, eine Hard-Disk-Verwaltung, und eine XE Diskette mit Anwendungssoftware, die bereits auf das ST-System übertragen wurde. Darüber hinaus natürlich der Emulator selbst

Den ST-Transformer erhalten Sie zum Preis von 45 kanadischen Dollar (umgerechnet sind das etwa 75 Mark) bei:

Darek Mihocka Box 2624 Station B Kitchener, Ontario N2H 6N2 Canada (mb)


Laurenz Prüßner
Aus: ST-Magazin 05 / 1990, Seite 59

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