STAD 1.3 Plus: Alle Jahre wieder

Wir werfen einen prüfenden Blick auf die neue Version von »STAD 1.3 Plus«

Als Peter Melzer 1987 mit der ersten Version seines »ST-Aided Design« auf den Markt kam, setzte er mit dem funktionsreichen und übersichtlichen Grafikeditor in mancherlei Hinsicht Maßstäbe. Viele Zeichenbefehle erblickten erst mit diesem Programm das Licht des Atari-Bildschirms. Die gepackte Speicherung der bis dahin 32000 und mehr Bytes verschlingenden Bild-Dateien erlaubte es, eine große Grafiksammlung auch ohne Festplatte zu benutzen. Und der 3D-Teil war damals eine kleine Sensation.

Bild 1. Die Proportionalfonts In allen Größen und Formen sind von SIGNUM importiert worden.

Mittlerweile gehört der Klassiker STAD zusammen mit Veteranen wie z.B. Degas zur Grundausrüstung vieler Grafikfreunde. Im Laufe der nun schon mehr als drei Generationen, die STAD inzwischen hinter sich brachte, wartete man vergebens auf großartige, spektakuläre Änderungen. Statt dessen sorgte der Autor durch manch’ sinnreiche Detailabwandlung für eine flüssigere, einfachere Handhabung; zudem bereicherte er sein Produkt um von der Tastatur aus aufrufbare Befehle.

Dennoch — STAD ist in die Jahre gekommen. Vergleicht man es mit anderen, heute aktuellen Angeboten wie Mega-Paint oder Lavadraw Plus, so stößt man in vielen Punkten an Grenzen, die überholt sind: Vor allem ärgert die auf einen Bildschirm beschränkte Zeichenfläche, die sich zwar nach oben und unten verschieben läßt; das ist aber kein Ersatz für die freie Positionierung des Arbeitsfensters. Und Funktionen, die auf die gesamte, vom Programm verwaltete Zeichenfläche wirken, sucht man bei STAD ebenfalls vergebens. Gleiches gilt für eine komfortable Textausgabe in Proportionalschrift, wie sie von Signum her bekannt ist. STAD bietet hier lediglich GEM-Font-Format und -Größe.

Abhilfe verspricht sich mancher von der neuen Version 1 3 Plus. Doch ein genauer Blick verrät, daß sich die Neuerungen gegenüber älteren Versionen durchaus in Grenzen halten. Die eigentliche Rechtfertigung, von einer neuen Version zu sprechen, liefert jetzt jedoch nicht STAD oder Peter Melzer. Wirklich spektakulär sind die Erweiterungen des Funktionsumfangs, die der geschickte PD-Programmierer A. Voss aus Mannheim dem Hauptteil vorgeschaltet hat. Trickreich macht seine Start-Routine namens »STADGO« dem Standard-Grafiker Beine.

Dabei ist die Handhabung dieser Treiberroutine alles andere als problematisch. Nach dem Aufruf erscheint eine Dialog-Box, die den Anwender nach gewünschtem Großbild fragt. Klickt man hier auf »Nee«, unterbleibt die Speicherreservierung für das Mammut-Zeichenbrett. Die weiteren Funktionen von STADGO bleiben davon jedoch unbeeinflußt. Mit dem Start von STAD 1.3 Plus ist die Arbeit des Treibers getan.

Die Wirkung des lediglich 34 KByte großen Programms ist bemerkenswert: Dem STAD-Anwender steht eine große, zusammenhängende Zeichenfläche zur Verfügung, die das Format von acht normalen Bildschirmen auf sich vereint. Über die in STAD ungenutzten Funktionstasten erfolgt der Aufruf eines Übersichtsbildes, auf welchem die gesamte Fläche stark verkleinert erscheint. Darauf läßt sich ein wählbarer Ausschnitt kopieren, verschieben oder löschen, wobei die Feinheiten dieser Aktionen (z. B. Kopien erstellen) per Tastatur zu steuern sind. Als besonderes Bonbon bietet der Autor A. Voss eine Graustufenumrechnung an. Auf Wunsch scrollt das Programm in kleinen Schritten über die Gesamtfläche; bitweise Verschiebeaktionen fehlen leider. Durch Mausklick rechts kehrt man zu STAD zurück und findet den zuletzt angewählten Ausschnitt des Großbildes auf dem aktuellen STAD-Bild wieder, wo alle STAD-Funktionen zur Bearbeitung bereitstehen. Hier besteht für den ungeübten User schnell die Gefahr der Verwechselung oder der ungewollten Manipulation. Doch wer sich stets vor Augen hält daß STADGO eine externe Zeichenfläche anbietet, zu der lediglich ein Zugang über den aktuellen STAD-Schirm führt, dem fällt der Umgang mit der Erweiterung in kurzer Zeit leicht.

Auch ein anderes Manko von STAD läßt STADGO vergessen: den Mangel an ^ proportionalen Zeichensätzen. Kurzerhand bezieht das Zusatzmodul auf Wunsch einen der fast schon zahllosen SIGNUM-Fonts in seine Aktionen ein und gestattet, mit der gewählten Schriftart die gesamte Groß-Zeichenfläche zu beschreiben — bei Erreichen des Bildschirmrands scrollt die Routine nach. Anders als der Zeichensatzlieferant SIGNUM ist STADGO jedoch in der Lage, alle Formate der Fonts zu benutzen: Wem also die Editorgröße (erkennbar an der Namens-Erweiterung »E24«) zu winzig erscheint, der greife getrost zum entsprechenden »P24«-Pendant (Bild 1). Andererseits verweigert STADGO auch den Zugriff auf die Laser-Fonts nicht, was bei evtl. Größenproblemen und natürlich bei Verfügbarkeit solcher Zeichensätze hilfreich ist.

Bild 2. Mit STADGO lassen sich alle Linien, die Unebenheiten aufweisen, glätten

Obendrein bietet STADGO den Befehl »Splines«. Diese grafischen Objekte bestehen aus mehreren — mindestens drei — Punkten, von denen zwei den Anfang bzw. das Ende der geschwungenen Linie festlegen. Das Programm bietet sowohl natürliche, d.h. mit einem definierten Anfang und Ende versehene Linien, als auch periodische, d h. z.B. kreisförmige Gebilde. Die Strichstärke der erzeugten Bogenlinien läßt sich in einer entsprechenden Dialogbox verändern.

Schließlich stellt STADGO einen Befehl zur Vergrößerung von Zeichnungsteilen zur Verfügung, der mit einem Algorithmus zur Linienglättung kombiniert ist. Wie wirksam dieses grafische »Bügeleisen« ausgefallen ist, beweist Bild 2.

Eigentlicher Schwachpunkt von STADGO: die Dateibehandlung. Entgegen der Erwartung das IMG-Format zu verwenden, zerlegt das Programm die Großzeichenfläche in acht einzelne Bildschirme und speichert diese einzeln im STAD-gepackten Format als Sequenz ab. Der Austausch der großen Bilder mit Benutzern anderer Grafikeditoren erfährt dadurch keine spürbare Vereinfachung, wenn auch der »Brückenschlag« nicht völlig unmöglich ist. Insgesamt bietet das bescheiden im »PLUS« des Versionsnamens versteckte Treiberprogramm eine erhebliche Bereicherung des STAD-Funktionsumfangs.

Da findet sich zunächst ein Installationsprogramm, welches die zum Betrieb erforderlichen Programme in einen Ordner kopiert — für Festplattenbesitzer eine angenehme Sache. Auffallendstes Merkmal der Umgestaltung im eigentlichen Hauptprogramm ist die Menüleiste im 3D-Teil von STAD, die nun mehrere Submenüs in sich vereint. Unter »Plotter« findet der Besitzer eines HPGL-kompatiblen Geräts die Funktionen zur Ausgabe der 3D-Objekte auf den elektronischen Zeichner. Zudem bietet es dem Besitzer erfreulicherweise eine Formatierungsoption im Datei-Menü. Wem also der Speicherplatz auf den Disketten knapp geworden ist, der verschafft sich über die 3D-Brücke wieder Luft. Obendrein greift STAD inzwischen auf maximal 99 Bildschirmseiten zu.

Besonderes Augenmerk widmete der Programmierer offenbar der »Scannerei«. So stehen für viele, sofern der notwendige Speicher verfügbar ist, verbreitete Geräte entsprechende Treiber zur Verfügung. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Marvin-Steuerprogramm »SCANSOFT« beweist dessen Demo-Version, die auf der Diskette zu finden ist.

Schließlich erfuhr die Mausbedienung des Programms durch eine weitergefaßte Tastaturbelegung eine deutliche Bereicherung. Ist die Summe aller Tastaturkommandos viel zu umfangreich, um sie hier im einzelnen zu würdigen, so sei dem Anwender der Blick ins Handbuch und in die Erweiterungsseiten deutlich ans Herz gelegt — es lohnt sich. Das STAD-Handbuch liegt auf zwei Hefte aufgeteilt seit der Version 1.0 unverändert vor. Über die zahlreichen Detail-Verbesserungen erfährt man lediglich in einem beigelegten Info, welches nach Seitenzahlen der Hauptanleitung sortiert, auf evtl. Änderungen hinweist. Leider gestaltet sich die Suche nach einem bestimmten Kommando oder einer besonderen Befehlsfolge als recht schwierig, denn neben den zwei Handbuchteilen jongliert man über oder neben der Tastatur auch noch die Erweiterungsdokumentation. Hier wäre eine Nachbesserung sicher nicht zu verachten.

Bild 3. 3D-Bilder sind kein Problem für STAD und STADGO

Kommen wir zum Finale. Hauptargument für das Update zur Version 1.3 Plus dürfte das von A. Voss zur Verfügung gestellte Treiberprogramm STADGO sein. Als besonders erfreulich ist die große Zeichenfläche und die Einbindung der Signum-Zeichensätze zu bewerten. Eine Warnung an alle PD-Kopierer: STADGO funktioniert nur mit der aktuellen Version von STAD.

Mußte man STAD bislang bereits als Klassiker unter den Zeichenprogrammen einstufen, der — wenn auch teilweise leicht angegraut — mit den heute programmierten Editoren in weiten Teilen durchaus Schritt halten kann, so bringt STADGO einen Schub in Richtung Leistungsfähigkeit. Einziger Wermutstropfen: die Dokumentation der Änderungen. Doch vor dem Hintergrund dessen, was das Gespann STAD-STADGO zu leisten imstande ist, läßt sich dieser verschmerzen. (uw/mb)

Wertung

Name: STAD 1.3 Plus
Preis: 179 Mark
Hersteller: Application Systems

Stärken: □ großer Funktionsumfang □ hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit □ übersichtliche Bedienung □ große Zeichenfläche □ Einbindung von Signum-Fonts aller Formate □ leistungsfähiger Vergrößerungsalgorithmus □ Splines □ günstiger Preis

Schwächen: □ Dokumentation der Erweiterungen □ kein IMG-Format für die großen Bilder

Fazit: für ambitionierte STAD-Anwender eine sehr gute Empfehlung

Application Systems, Englerstraße 3, 6900 Heidelberg


Ulrich Hilgefort
Aus: ST-Magazin 04 / 1990, Seite 20

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