Mit »Hillsfar« gibt es nun ein Adventure der »Advanced Dungeons&Dragons«-Reihe auf dem ST. Nach einem Ausflug in die Welt der Original-AD&D-Spiele untersuchen wir, ob es gelang, das Flair der alten Rollenpiele in den Computer zu holen.
Bringe mir Zaubertinte aus den Tentakeln der zehnarmigen Krake.« Mit diesen Worten entläßt der berühmte Meister der Magiergilde den jungen Nachwuchszauberer.
Der stöhnt leise. War es nicht schon schwierig genug, den Meister zu finden? Sein junger Körper ist voll Beulen und blauer Flecken. Beulen vom langen Ritt nach Hillsfar, als der unerfahrene Reiter bei jedem zweiten Hindernis vom Pferd stürzte. Beulen im Wirtshaus von Hillsfar, wo er sich nach dem Haus der Magiergilde erkundigen wollte, dann aber wegen seiner Prahlerei mit den anderen Gästen Streit bekam. Beulen vom Stockfechten in der Arena, wo er nicht einmal gegen einen jämmerlichen linkshändigen Ork ankam. Und jetzt dieser Auftrag. Wo, um alles in der in der Welt von Hillsfar, soll er die Tinte der zehnarmigen Krake finden?
Der junge Magier ist eine selbstgeschaffene Abenteurerfigur im Adventure »Hillsfar«. Dieses Spiel gehört zu den Computer-Fantasy-Spielen, die dem »Advanced Dungeons&Dra-gons«-System nachempfunden sind. Das AD&D-Regelwerk für Fantasy-Rollenspiele entstand Anfang der 70er Jahre in den USA. »Dungeons and Dragons« bedeutet »Verliese und Drachen«, »advanced« heißt »fortgeschritten«. Damit meinten die AD&D-Erfinder Adventures, die sich nicht in einem unterirdischen Labyrinth, sondern auf freiem Feld ereignen. Solche Abenteuer sind wesentlich schwieriger zu entwerfen und sie gehorchen wesentlich komplizierteren Regeln als Höhlenspiele.
Es gab eine Zeit, in der Rollenspiele nicht im Computer stattfanden. Man traf sich zu viert oder fünft zu einem Adventure-Abend — oft wurde ein Wochenende daraus. Der Spielleiter »Dungeon-Master« genannt, übernahm die Rolle, die heute der Computer einnimmt. Seine Fantasie ersetzte die Software, seine Beschreibungen die Bilder auf dem Monitor. Den Ausgang von Kämpfen und andere schicksalhafte Entscheidungen fällte nicht der Zufallsgenerator des Computers, sondern ein Sortiment von vier- bis 20seitigen Würfeln.
Für einen AD&D-Abend denkt sich der Dungeon-Master mit Hilfe des Regelwerks ein Abenteuer in einem bestimmten Szenario aus. Etwa in einem unterirdischen Höhlensystem oder einer Stadt, die mit Monstern bevölkert und mit Fallen und Schätzen vollgestopft ist. Die Spieler schlüpfen in die Rolle der Abenteurer, der sog. Charaktere. Verschiedene Rassen wie Mensch, Zwerg, Elbe oder Hob-bit, und verschiedene Berufe wie Kämpfer, Dieb, Magier oder Kleriker stehen zur Wahl. Ein ausgefeiltes Punktesystem legt unter anderem Kraft, Intelligenz, Geschicklichkeit und Gesundheit jedes Charakters fest. Mit steigender Erfahrung nehmen die Fähigkeiten der Charaktere zu.
Nun kämpft sich die Abenteurerbande, »Party« genannt, durch das Labyrinth. Der Spielleiter beschreibt Räume und Ereignisse. Die Spieler halten das erforschte Gebiet auf selbstgezeichneten Karten fest und schildern, wie sie Gefahren begegnen. Ein typischer Dialog: Master: Ihr geht an langen feuchten Stellen entlang, plötzlich bemerkt Ihr von rechts einen kalten Windhauch. Was macht Ihr?
Spieler: Wir schauen, was da rechts los ist.
Master: Ihr seht, daß rechts ein Gang abzweigt. An der Decke hängt etwas Grünes.
Spieler (nach kurzer Beratung): Wir gehen trotzdem nach rechts.
Master: An der Decke hängt grüner Schleim. Der läßt sich auf euren Elben fallen und ver-ätzt ihn.
Spieler: Wir versuchen, den Schleim mit unseren Schwertern abzukratzen.
Master: Der Schleim bleibt am Elben kleben.
Und so geht es weiter. Der Elbe ist übrigens sehr zu bedauern. Wenn seine Mitstreiter nicht schnell auf die Idee kommen, den grünen Schleim abzufackeln, ist es um ihren Gefährten geschehen. Denn »grüner Schleim« läßt sich nur mit Feuer bekämpfen — so steht es eindeutig im AD&D-Regelwerk.
Die AD&D-Regeln: eine Gesetzessammlung, die die Fähigkeiten der Charaktere, der unzähligen Monster und Zaubermittel definiert; die die Wirkung von Zauber und Gegenzauber, Gift und Gegengift regelt. Und die die Regeln beim (Würfel-) Kampf bestimmt. In unserem Beispiel erfordert es ein umständliches Duell in mehreren Runden und mit mehreren verschiedenseitigen Würfeln, um zu ermitteln, ob nun der Elbe den grünen Schleim verbrannte, bevor er von ihm verätzt wurde, oder umgekehrt.
Die Computerumsetzung hat die grundlegenden Ideen des AD&D-Systems übernommen.
Szenario ist die von einem Tyrannen beherrschte Stadt Hillsfar. An Rassen stehen Mensch, Zwerg, Elbe, Halbelbe, Gnom und Hobbit zur Wahl. Die Berufsentscheidung muß zwischen Kleriker, Kämpfer, Magier und Dieb fallen. Angehörige nichtmenschlicher Rassen können Mischberufe wie den des Kämpfer-Magier-Diebs erlernen. Jede Rasse und jeder Beruf hat Stärken und Schwächen. Kämpfer verzeichnen in der Arena oder beim Eintreten von Türen die größten Erfolge, Magier gehen mit Zaubergegenständen am effektivsten um, und Dieben ist die Verwendung eines Dietrichs beim Schlösserknacken Vorbehalten.
Nach Betreten der Stadt nimmt der Stadtplan ein Drittel der Bildschirmfläche ein, hier sieht man den Helden joystickgelenkt durch die Straßen wandern. Sehr praktisch: Das ganze Spiel ist menügesteuert, man braucht fast nie die Hand vom Freudenstab zu nehmen. Eine weitere Grafik zeigt das Gebäude, in dem sich der Kämpfer befindet. Zwei Textfenster informieren über den Zustand des Helden und die Handlungen, zwischen denen er sich entscheiden kann.
In Hillsfar erfüllt ein einzelner Held Aufträge, die er von seiner Berufsgilde erhält.
Verschiedene Action-Elemente sind integriert: So muß der Spieler vom Lager in die Stadt reiten. Wer dabei allzuoft vom Pferd fällt, verliert Gesundheitspunkte. In der Arena muß sich der Held im Kampf gegen Orks und andere Ungeheuer bewähren — im Prinzip ein einfaches Kampfspiel. Am Schießplatz schließlich geht es um ein gutes Auge und eine ruhige Hand am Joystick, ähnlich wie bei Sportspielen.
Unter jedem Haus befindet sich ein kleines Labyrinth, voll mit Schätzen und Fallen. Wer hier zu lange herumschnüffelt, riskiert, von den Wachen des Tyrannen gefangen zu werden.
Wer will, kann in den Wirtshäusern mit der Barmaid flirten, sich betrinken und eine Rauferei anzetteln. Während die Küche oft laue Gerichte serviert, sind die an der Bar aufgeschnappten Gerüchte manchmal ganz schön heiß. Hier fallen die witzigen Texte des Adventures auf, die übrigens komplett in meist fehlerfreiem Deutsch gehalten sind.
Wir baten einige erfahrene Rollenspielkämpfer an den Computer und überredeten im Ausgleich ein paar Computerfreaks zu einem AD&D-Spiele-abend. Die Meinung einer Rollenspielerin: »Mir geht am meisten der Spaß mit meinen Kampfkollegen ab, und außerdem erlebe ich die Geschichte in meiner Fantasie viel spannender.« Ein Computerfan konterte: »Dafür kann ich Hillsfar immer spielen, ohne zuerst jede Menge Mitspieler zu suchen. Und bei Kämpfen am Joystick kommt es wirklich auf meine Geschicklichkeit an, nicht auf mein Glück beim Würfeln. Am meisten gehen mir aber die komplizierten AD&D-Regeln auf die Nerven.« Ergebnis der Diskussion: Original-AD&D verlangt als Gesellschaftsspiel neben Fantasie, Einfallsreichtum und Gruppengeist ein gehöriges Maß an Rechenkünsten, während das Computerspiel eher den einsamen Tüftler und Joystickakrobaten fordert. Doch beide Spielegenres sind spannend, unterhaltsam und anspruchsvoll.
Der Computerfan erhält mit »Hillsfar« ein interessantes Ad-venture. Zwar werden verschiedene Spielsequenzen wie der Ritt über Hindernisse mit der Zeit eintönig. Doch die Möglichkeit, sich in verschiedene Rassen zu verwandeln und in verschiedenen Berufen zu betätigen, verschiedene Aufträge zu erfüllen und Ausflüge in die Umgebung von Hillsfar zu unternehmen, garantiert länger anhaltenden Spielspaß. (ps)
Hersteller: SSI
Vertrieb: Rushware
Preis: a. A.
Benötigt: Farbmonitor □ läuft mit jeder Speichergröße □ läuft mit und ohne Blitter
Kurzbeschreibung: abwechslungsreiches Adventu-re, das sowohl Rollenspiel-als auch Action-Elemente aufweist
Rushware, Bruchweg 128-132, 4044 Kaarst 2