Erinnern Sie sich noch an die Ur-tage des Atari 520 ST? Ehrfurchtsvoll hockten die stolzen Erst-Besitzer dieses neuen Supercomputers vor ihrem plastikgrauen Tastaturflachmann und schoben mit wachsender Begeisterung die Laufwerk-Icons und den Papierkorb über den, von nun an als GEM-Desktop titulierten, Computerbildschirm. Alle waren sich einig: Der ST ist ein toller und extrem leistungsfähiger Computer!
Seine phantastische Leistungsfähigkeit jedoch durfte dieses softwaremäßig unterbelichtete Geniestück der Hardwarekunst zunächst lediglich mit den beiliegenden Programmiersprachen Logo und Basic unter Beweis stellen, da Anwendungsprogramme anfangs überhaupt nicht verfügbar waren.
Allerdings konnte im Laufe der eingehenden Beschäftigung mit dem aus heutiger Sicht berüchtigten ST-Basic trotz allen Pioniergeistes von Begeisterung kaum mehr die Rede sein. Was da über den flimmerfreien Monochrom-Bild-schirm spukte, spottete bei nüchterner Betrachtung jeder Beschreibung. Auf dem Speichergiganten ST mit seinem 512-KByte-RAM blieben unter Basic ganze 1024 Byte für eigene Programmierversuche übrig.
Selbst als dieses Manko mit der ersten offiziellen Version des ST-Basic beseitigt war, stellten das Schneckentempo der Bildschirmausgabe und die phänomenale Rechengenauigkeit die Duldsamkeit der ST-Gemeinde auf eine harte Probe. Auch das Hantieren mit vier Fenstern, das so viel Komfort versprach, erwies sich in der Praxis als zu langsam und zu umständlich.
Zu diesem Zeitpunkt begann man in diversen Softwarehäusern nach eigenen Lösungen zu suchen. »GFA-Basic« und »Omikron.Basic« ließen alsbald das ST-Basic völlig in Vergessenheit geraten. Auch eine umfassende Revision der Atari-eigenen Basic-Kreation konnte diese Entwicklung nicht mehr aufhalten.
Offensichtlich hat man sich bei der deutschen Atari-Zentrale inzwischen dazu durchgerungen, mit einem harten Schnitt im nationalen Alleingang einen neuen Anfang zu wagen. Der frisch gegründete Atari-Software-Vertrieb besitzt nämlich die Vertriebsrechte an einem bereits etablierten und verbreiteten Basic-Interpreter. Die Wahl fiel dabei auf das deutsche Omikron-Basic in der neuesten Version 3.0.
Der Omikron-Basic-Interpreter einschließlich Handbuch gehört ab sofort zur Grundausstattung aller in Deutschland ausgelieferten ST-Computer. Für ST-Besitzer, die sich noch mit unbändigem (oder grimmigem) Vergnügen an dem »Text-Adventure für Basic-Freaks« (so wird das alte ST-Basic von bösen Zungen verspottet) erfreuen durften, halten die Fachhändler Systemdiskette und Handbuch zum Preise von 19,90 Mark bereit. Es gibt also genug Gründe, die Version 3.0 des Omikron-Basic genauer unter die Lupe zu nehmen.
Im Gegensatz zum alten ST-Basic haben die Omikron-Programmierer auf eine GEM-Benutzeroberfläche verzichtet. Nach Programmstart erscheinen auf dem Bildschirm eine Copyright-Meldung und der Hinweis, daß man durch Drücken der Help-Taste in den Editor gelangt. Ein lapidares »OK« und ein blinkender Cursor runden das ansonsten leere Bildschirm-Bild ab.
Auf dieser Bedienungsebene erinnert das Omikron-Basic sehr stark an das Basic des legendären C 64. Der Cursor läßt sich mit Hilfe der Cursor-Tasten frei über den Bildschirm führen, Programmzeilen oder Befehle im Direktmodus (ohne Zeilennummer) erscheinen ab der aktuellen Cursorposition. Schließt man die Eingabe durch Drücken der Return-Taste ab, so übernimmt Omikron-Basic die Zeile in den Programmspeicher oder führt die Direktbefehle aus. Sogar bereits abgearbeitete Befehlszeilen sind nochmals ausführbar, sofern sie nicht aus dem Bildschirm herausgescrollt sind. Man muß den Cursor lediglich in die entsprechende Zeile positionieren und auf die Return-Taste drücken.
Der Befehl LIST listet den aktuellen Basic-Programmtext auf dem Monitor auf. Mit Hilfe der Tastenkombination < Control-C > läßt sich die Listing-Ausgabe jederzeit abbrechen. Die Cursortasten erlauben das Auf- und Abscrollen des Programmtextes sowie eine Positionierung des Cursors an beliebige Stellen zur Änderung oder Erweiterung des Programmes.
Dieser Editor, der ja bereits von den älteren Versionen des Omikron-Basic her bekannt ist, stand stets im Kreuzfeuer der Kritik, da er ganz und gar auf Maus und GEM verzichtete und bei äußerst spartanischem Bedienungskomfort nur die allernötigsten Hilfsfunktionen bereitstellte. Nicht zuletzt dieser bedauerliche Mangel verhalf dem wesentlich komfortableren Konkurrenten GFA-Basic zu seiner weiten Verbreitung.
Dies haben endlich auch die Omikron-Entwickler erkannt. Im Omikron-Basic 3.0 findet man neben dem nostalgischen C 64-Touch eine zusätzliche Bedienungsebene mit mausorientierter Steuerung und einem ausgefeilten Fullscreen-Editor, der sich als wahres Glanzstück des Basic-Systems erweist.
Der Editor ist nicht in eine GEM-Oberfläche eingebunden, sondern benutzt selbst programmierte und daher besonders schnell arbeitende Bedienungselemente. Am oberen Bildschirmrand findet man eine Menüleiste mit sechs Pull-Down-Menüs. Leiste und Menüeinträge erscheinen gegenüber den gewohnten GEM-Gegenstücken invertiert (also weiße Schrift auf schwarzem Grund) und heben sich dadurch besser von der weißen Schreibfläche ab.
Die Menüleiste enthält die Pull-Down-Menüs FILE, FIND, BLOCK, MODE, GO und RUN. Ein Desk-Menü mit Einträgen für die installierten |: Desktop-Accessories sucht man aller-1 dings vergeblich. Durch Anklicken von »Accessory« im Pull-Down-Menü RUN läßt sich eine GEM-Menüleiste aufrufen, über die man auf die Accessories zugreift und wieder in den Basic-Editor zurückspringt.
Im FILE-Menü finden sich Befehle wie LOAD und SAVE, die in den früheren Versionen 1.0 und 2.0 nur im Direktmodus zugänglich waren. Nach Anklicken eines dieser Menüpunkte erscheint die vertraute GEM-Datei-Auswahlbox auf dem Bildschirm, in der sich der gewünschte Dateiname auswählen läßt. Omikron-Basic verarbeitet neben dem eigenen Dateiformat (Kompression durch Tokenisierung der reservierten Worte) auch normale ASCII-Texte. Daher lassen sich sogar Programmtexte des alten ST-Basic laden und an die neue Syntax anpassen.
Unter dem Menü FIND bietet Omikron-Basic eine Reihe von Su-chen/Ersetzen-Funktionen. Die flexible Funktion LIST stellt ein nützliches Werkzeug beim Debugging bereit. Der Editor sucht im Text nach einer bestimmten Zeichenkette, zeigt alle Zeilen an, die den gesuchten Begriff enthalten, und stellt den Begriff invertiert dar.
Das dritte Menü BLOCK enthält alle Funktionen zur Blockbehandlung, wie COPY, MOVE, INSERT, SAVE oder LOAD. Blöcke lassen sich auf besonders elegante Weise mit der Maus definieren, sogar über den sichtbaren Bildschirmbereich hinaus. Erreicht der Mauszeiger beim Markieren das obere oder untere Ende des Bildschirms, so scrollt der Editor automatisch weiter, die in den Bildschirm hineingescrollten Programmzeilen werden zum Bestandteil des Blockes.
Für die Grundkonfiguration des Editors sind die Menüpunkte im Pull-Down-Menü MODE verantwortlich. Je nach Einstellung entwirft man Programmtexte mit oder ohne Zeilennumerierung. Beim Abschalten der Zeilennummern numeriert Omikron-Basic die vorhandenen Programmzeilen intern neu durch, die alte Numerierung geht unwiderruflich verloren. Leider paßt Omikron-Basic dabei GOTO- oder GO-SUB-Programmverzweigungen auf Zeilennummern nicht automatisch an. Man sollte daher auf derartige Verzweigungsanweisungen verzichten und ausschließlich aussagekräftige Namen als Ansprungs-Label verwenden.
Eine verkleinerte Textdarstellung verdoppelt die Anzahl der dargestellten Programmzeilen und verschafft dem Programmierer eine bessere Übersicht beim Lesen längerer Routinen. Der besseren Übersicht dient auch der Befehl »SPLIT«. Er unterteilt den Bildschirm in zwei Hälften, deren Größe veränderbar ist. Mit Hilfe dieses Tricks lassen sich beispielsweise an unterschiedlichen Stellen des Programms befindliche Unterprogramme gleichzeitig auf dem Bildschirm betrachten. Ein Klick auf »SAVE SETTINGS« sorgt dafür, daß alle individuellen Einstellungen gespeichert werden und nach jedem neuen Start zur Verfügung stehen.
Das RUN-Menü erfüllt die Funktion einer Steuerungs-Shell. Den Zugang zu Desktop-Accessories haben wir bereits angesprochen. Ein eventuell vorhandener Compiler und beliebige andere Programme lassen sich direkt aus dem Editor starten. Basic-Interpreter und Editor bleiben dabei speicherresident. Ein weiterer Menüpunkt (»TRON & RUN«) aktiviert die Trace-Funktion beim Testlauf eines Basic-Programmes.
Der Omikron-Basic-Editor besitzt keinen Parser, der wie etwa im GFA-Basic aus Bruchstücken die vollständigen Befehlsworte generiert. Für Schreibfaule sind jedoch die meisten alphanumerischen Tasten bei gleichzeitigem Drücken der Alternate-Taste mit besonders häufig benutzten Basic-Befehlen belegt. So erscheint zum Beispiel beim Drücken der Kombination <Alternate-V> das Wort VARPTR auf dem Bildschirm. Die 24 vorgesehenen Tastaturbelegungen lassen sich nicht verändern. Die Funktionstasten dagegen sind frei mit Zeichenketten belegbar. Die so abrufbaren Funktionstasten-Belegungen stehen leider nicht im Editor, sondern nur in Programmen und im Direktmodus zur Verfügung.
Der Sprachumfang der Version 3.0 des Omikron-Basic ist gegenüber der Vorläuferversion 2.0 nur unwesentlich erweitert. Omikron-Basic 2.0 zeichnete sich durch eine Fülle von Befehlen aus, die nur wenige Wünsche offenlassen. Vor allem das Sprachkonzept mit mehrzeiligen Funktionen und Prozeduren erlaubt eine fast beliebige Erweiterung des Befehlsumfangs. So ist beispielsweise die komplette GEM-Library als Basic-Text organisiert, die man den eigenen Programmen vollständig oder selektiv anfügen kann.
Etwas umständlich im Vergleich zu anderen Programmiersprachen, aber auch im Vergleich zu GFA-Basic 3.0, gestaltet sich der Zugriff auf Objekte des AES. Man ist gezwungen, PEEK- und POKE-Befehle sowie verschiedene Stringmanipulationen zu benutzen. Abhilfe soll hier eine EASY-GEMLIB schaffen, die ab Herbst erhältlich sein wird.
Neben den GEM-Befehlen sind auch alle Systemroutinen von GEMDOS, BIOS und XBIOS aufrufbar. Omikron-Basic 3.0 akzeptiert in diesen Aufrufen jetzt auch Langwörter (4 Byte). Dazu ist dem zu übergebenden Wert oder der Variablen ein »L:« voranzusetzen. Somit entfällt das hinderliche Aufteilen in zwei Worte mit den Funktionen HI und LOW.
Omikron-Basic bietet insgesamt sieben verschiedene Datentypen an. Die Integertypen LONG, WORD und BYTE lassen nur ganze Zahlen zu, sorgen aber für sehr hohe Verarbeitungsgeschwindigkeiten. Im Prinzip kann man auch BOOLEAN zu den Integertypen zählen, da nur die ganzen Zahlen 0 und -l zugelassen sind. Zwei Fließkommatypen und die Zeichenketten (Strings) repräsentieren die restlichen drei Typen.
Ein besonders heikles Thema beim Testen von Programmiersprachen haben wir uns bis zuletzt aufgehoben, nämlich die Arbeitsgeschwindigkeit des Interpreters. Einige Testberichte auch im ST-Magazin berücksichtigten nicht alle Aspekte, um die Leistungen des Omikron-Basic vollständig auszuloten. Kurz und bündig gesagt: Das Omikron-Basic 3.0 darf sich zu Recht als schnellster Basic-Interpreter in der ST-Welt bezeichnen. Die Integer-Arithmetik läßt jeden anderen derzeit verfügbaren Interpreter klar hinter sich.
Die Meßwerte für Fließkommazahlen blieben (und bleiben) nur deshalb hinter GFA 3.0 zurück, wenn man wie in unseren Testreihen die doppelte Genauigkeit verwendet, die für die Zahlen 10 Byte und 19 Stellen benutzt. Omikron-Basic bietet darüber hinaus noch eine einfache Genauigkeit mit 5 Byte und neun Stellen an, die erheblich schneller (um einen Faktor 4 bis 8) arbeitet. Für die meisten Anwendungen reicht diese Genauigkeit völlig aus!
Das Omikron-Basic 3.0 (oder sollte man doch besser schon ST-Basic sagen?) stellt ein rundum überzeugendes Werkzeug zur Programmentwicklung dar. Die neue grafische Bedienungsebene erlaubt auch Anfängern einen bequemen Zugang zu diesem Basic-Interpreter. Zusammen mit dem bei Omikron erhältlichen Compiler bildet der Interpreter ein leistungsfähiges professionelles Programmier-Paket für Basic-Freunde. Ob auch Anhänger der als professioneller eingestuften Programmiersprachen Pascal oder C sich von der Qualität des neuen ST-Basic überzeugen lassen, hängt letztlich nur davon ab, ob diese »erlauchte« Schar ihre Vorurteile über Bord werfen und ein objektives Urteil fällen kann. (W. Fastenrath/uh)
Atari Deutschland GmbH, Frankfurter Str. 89-91, 6096 Raunheim
Wertung |
Produktname: Omikron-Basic Preis: gehört ab Juli zum Lieferumfang, sonst 19,90 Mark Hersteller: Omikron Software |
Stärken: - sehr guter Editor - sehr schnell - sehr genaue Fließkomma-Arithmetik
Schwächen:
Fazit: Endlich ein gutes Basic, das zum Lieferumfang des ST gehört |
Erathos Savage Abweichung GFA-Basic 3.0 43.9 39.5 1E-6 (13 stellige Genauigkeit) Omikron.Basic 3-0 34.8 156.4 8E-9 Omikron.Compiler 2.4 2.5 153.2 8E-9 (19 stellige Genauigkeit) Omikron.Basic 3.0 34.8 22.6 5.5 Omikron.Compiler 2.4 2.5 2l.2 5.5 (9 stellige Genauigkeit)