Der Grenzgänger: Grafikprogramm Public Painter

Nicht nur Bilder, sondern auch Texte lassen sich mit dem Grafikprogramm »Public Painter« gestalten

Obwohl auf dem ST ein breites Spektrum an Anwendungssoftware existiert, leiden Grafikprogramme oft unter ihrer klar abgesteckten Bandbreite.

Während Desktop Publishing für viele Aufgaben dem berühmten »Mit-Kanonen-auf-Spatzen-Schießen« gleicht, sind DTP-Programme auch aufgrund des hohen Preises für den gelegentlichen Einsatz unerschwinglich. Textverarbeitungen lassen, wenn überhaupt, die Grafikverarbeitung nur in sehr beschränktem Umfang zu. In diesem Fall ist außerdem ein Zeichenprogramm erforderlich, mit dem Sie die einzubindende Grafik erst einmal entwerfen. Gewöhnliche Zeichenprogramme müssen sich oft Kritik an ihrer starken Spezialisierung auf Malfunktionen gefallen lassen. Malen geht bei ihnen in der Regel auf Kosten der Textbearbeitung.

Programme, die die individuellen Vorteile vereinen, sind dünn gesät: Die Verbindung eines kompletten Malprogramms mit einer flexiblen Textbearbeitung zu einem vernünftigem Preis ist bisher nirgendwo besonders geglückt.

Die Firma Axel Braukmann ist da jedoch anderer Meinung. Mit dem Grafikprogramm »Public Painter Monochrome« will sie zumindest einige der vorhandenen »Software-Löcher« stopfen: »Dieses Programm ist kein Desktop Publishing-Programm. Es ist auch kein Malprogramm. Und auch kein pures Textverarbeitungsprogramm. Dennoch wurde das zirka 70seitige Handbuch ohne großen Aufwand damit erstellt«, heißt es in der Anleitung von »Public Painter« und läßt aufhorchen.

Zusätzlich zum Handbuch sind noch zwei Disketten im Lieferumfang enthalten. Während die eine lediglich einige Demo-Bilder enthält, ist die andere mit 118 Dateien inklusive 68 Zeichensätze bis zum Rand gefüllt.

»Public Painter Monochrome« findet seine Geburtsstätte in der Welt der Public Domain-Software, wo die Versionen 0.0 und 0.1 heute noch frei zugänglich sind. Da die Funktionsvielfalt und die investierte Arbeit bis zur hier getesteten Version 0.45 jedoch stark zugenommen hat, entschloß sich der Autor Axel Braukmann das Programm zu einem, laut Handbuch, Selbstkostenpreis von 79 Mark zu vertreiben.

Nach dem Start von »Public Painter« eröffnet sich dem Anwender eine GEM-übliche Oberfläche. Hier befinden sich die bekannten Pull-Down-Menüs, ein Werkzeugkasten in Form einer Fensterähnlichen Iconleiste sowie ein Funktionsbalken zur Auswahl der Zeichensätze. Die Arbeitsflächen, mit einer maximalen Größe von 640 x 800 Bildpunkten, stehen in Form von Fenstern zur Verfügung, von denen »Public Painter« bis zu acht gleichzeitig darstellt.

»Public Painter« verarbeitet Farb- und Schwarzweiß-Bilder der gängigsten Formate, bevorzugt jedoch das GEM-Image-Format. Ein Pull-Down-Menü ist identisch mit dem »Werkzeugkasten«, was sich als recht nützlich erweist, sollte dieser einmal von einem Fenster verdeckt sein. Die Symbole des »Werkzeugkastens«, der sich übrigens an jede beliebige Stelle des Bildschirms positionieren läßt, vermittelt einen ersten Eindruck der verfügbaren Utensilien. Der überwiegende Teil hiervon zählt zu den Zeichenfunktionen. Von hieraus läßt sich mit einem Mausklick anwählen, ob Sie freihändig malen, gerade Linien zeichnen, Rechtecke, Kreise, Ellipsen benutzen oder mit Farbtopf oder Sprühdose arbeiten wollen. Die auch von anderen Malprogrammen her bekannten Funktionen verbergen aber zum größten Teil mehr, als auf den ersten Blick zu ersehen ist. Während das Füllen von Flächen noch in gewohnter Weise abläuft, bietet zum Beispiel das Freihand-Zeichnen einige Besonderheiten: Auf Wunsch läßt sich eine Operation einschalten, die Freihandlinien mit Hilfe einer Funktion des Mathematikers Bezier glättet.

Zum Zeichnen von Kurven stehen zwei ungewöhnliche Werkzeuge bereit. Während ARC1 zur Gestaltung einfacher Bögen auf das Zeichnen halber Ellipsen gedacht ist, läßt sich mit ARC2 eine Linie wie ein Gummiband zu einer beliebigen Kurve ziehen. Andere geometrische Figuren, wie Kreise, Ellipsen und Rechtecke, werden wahlweise leer oder gefüllt, sowie mit oder ohne Rahmen konstruiert. Auffallend ist bei diesen Funktionen die geschickte Programmierung, denn ein Flimmern beim Aufziehen eines Körpers, wie man es von den meisten anderen Malprogrammen her kennt, ist für »Public Painter« ein Fremdwort.

Nachteilhaft erscheint hier allerdings, daß sich mit Betätigung der Maustaste die Lage des Körpers nicht mehr verändern läßt. Erst mit Hilfe der Blockfunktion lassen sich die Körper an die richtige Stelle kopieren.

Eine Lasso-Funktion erlaubt das elliptische und das Freihand-Ausschneiden beliebig geformter Bildteile, ähnlich einer Schere. Da sich die hier erzeugten Lasso-Blöcke jedoch lediglich verschieben beziehungsweise kopieren lassen, ist die Lasso-Funktion als Erweiterung der eigentlichen Block-Funktion anzusehen, die für sich allein schon sehr flexibel ist: Ein definierter Bildausschnitt kann in allen vier Richtungen vergrößert und verkleinert, sowie gedreht und gespiegelt werden. Perspektivische Effekte erzielen Sie, indem Sie den rechteckigen Rahmen zu einem Trapez auseinanderziehen. Zur Zwischenablage von Bildausschnitten steht ein Klemmbrett bereit. Zusätzlich wählt der Anwender aus insgesamt zwölf Biegungsarten aus. Dies beginnt beim herkömmlichen Verzerren, geht über sinus- und cosinusabhängige Biegungen und endet bei zylindrischen Biegungen, die den Block um einen Zylinder wickeln. Die hierbei neu entstandenen Blöcke finden sich anschließend in einem separaten Fenster wieder.

Text- und Bildbearbeitung sind die Stärken von Public Painter
Der Funktionsplotter verdaut auch umfangreiche Gleichungen

Damit ist aber immer noch nicht das Ende der Bildfunktionen erreicht. Die Fähigkeit, den Blockinhalt zu schattieren, hell, fett oder umrandet darzustellen, fordert zum Experimentieren heraus. Da Sie einen solchen Block schließlich auch noch im Standard-Icon-Format abspeichern können, besitzen Sie mit »Public Painter« gleichzeitig einen komfortablen Icon-Editor.

Betrachten wir die bisher geschilderten Funktionen als Werkzeug für die Grobarbeiten, so dürfen natürlich auch die notwendigen Utensilien für die Feinarbeit nicht fehlen. Natürlich gehört eine Lupe dazu, die pixelgenaues Arbeiten erlaubt. Dabei stellt »Public Painter« den vergrößerten Ausschnitt in einem eigens dafür bereitgestellten Fenster dar. Das Fenster ist zwar in der Größe festgelegt, läßt sich aber frei auf dem Bildschirm plazieren. Insgesamt stehen vier Zoom-Faktoren von 1:4 bis 1:32 zur Verfügung. Wünschenswert zur genauen Arbeit wäre noch die Darstellung des Zeichenwerkzeuges (Cursor) in Form eines Fadenkreuzes. Auch auf eine genaue Positionsanzeige mit Hilfe von X- und Y-Koordinaten muß man bisher verzichten.

Zwei für Malprogramme recht ungewöhnliche Funktionen sind die Berechnung von einfachen Kuchengrafiken und ein Funktionsplotter. Während Sie bei der Kuchengrafik auf die Eingabe ganzzahliger Werte beschränkt sind, bietet der Plotter mehr Flexibilität: In einer separaten Dialogbox geben Sie eine maximal vier Zeilen lange Formel, die vier Achsenlängen des Koordinatenkreuzes sowie den Definitionsbereich ein. Außerdem läßt sich noch über das Ein- oder Ausblenden des Achsenkreuzes und die Darstellung der Einteilung und Beschriftung entscheiden. Die Größe des Funktionsgraphen wird durch die Größe eines frei definierbaren Rechtecks festgesetzt.

Dieser Einsatz setzt allerdings voraus, daß »Public Painter« sinnvoll Texte verarbeitet. Um überhaupt Buchstaben auf dem Bildschirm darzustellen, benötigen Sie zumindestens einen Zeichensatz.

»Public Painter« verwendet GEM-Zeichensätze, wie sie auch zum Beispiel bei Easy-Draw und GEM-Draw üblich sind. Auf der Programmdiskette befinden sich insgesamt 68 Zeichensätze, zum Teil in mehreren Größen.

Der Anwender belegt die Funktionstasten mit den Zeichensätzen seiner Wahl. Eine Änderung der Tastenbelegung hat auf schon Geschriebenes keinen Einfluß. Um etwas zu schreiben, müssen Sie zunächst den Cursor positionieren.

Hier tauchten einige Schwierigkeiten auf: Die Positionierung ist ungenau, da der Cursor nur ein Rahmen in der Größe des Zeichensatzes ist. Haben Sie eine Zeile erst einmal mit Return beendet, so läßt sie sich später nicht mehr editieren.

Da »Public Painter« GEM-Zeichensätze verwendet, können Sie problemlos in Proportionalschrift schreiben. Auf Tastendruck rückt »Public Painter« die Zeichen noch enger zusammen, wobei es den Text so berechnet, daß immer nur ein Pixel in horizontaler Richtung zwischen den einzelnen Zeichen steht. Weitere Funktionen zentrieren eine Zeile, bewegen sie über den Bildschirm oder stellen sie gar im Blocksatz dar. Hierbei gilt der Fensterrahmen als Blattbegrenzung, was mit ein wenig Übung sogar einen Spaltensatz erlaubt.

Wer auf die optische Manipulation (wie der Schattierung bei den Blockfunktionen) verzichtet, kann auch fertige ASCII-Dateien einlesen. Daß sich mit »Public Painter« tatsächlich größere Texte schreiben lassen, zeigt am besten das gelungene Handbuch, das Axel Braukmann mit dem Programm verfaßte.

»Public Painter« hält Druckertreiber für Epson- und NEC P6-kompatible Drucker bereit. Ein Treiber für Laserdrucker ist in Vorbereitung. Sollte der eigene Drucker mit diesen Treibern nicht so recht zur Arbeit zu bewegen sein, lassen sich mit Hilfe einer Dialogbox diverse Einstellungen und Steuercodes verändern. Der Ausdruck erfolgt in drei verschiedenen Qualitäten, wobei die schlechteste der einer gewöhnlichen Hardcopy entspricht.

»Public Painter« ist für den Heimbereich gedacht und gehört mit seinem guten Preis-/Leistungsverhältnis in die erste Garnitur der Malprogramme. Nicht zuletzt tragen Arbeitshilfen wie die umfangreichen Blockmanipulationen oder auch der Funktionsplotter ihren Teil dazu bei. Wünschenswert sind allerdings noch geeignete Text-Editor-Funktionen mit automatischem Zeilenumbruch. Für Zeichnungen, in denen nicht nur die Grafik, sondern auch der Text eine Hauptrolle spielt, erweisen sich die 79 Mark als lohnende Ausgabe. (am)

Axel Braukmann GmbH, Am Sportplatz 51, 4005 Meerbusch 2

Wertung

Produktname: Public Painter Monochrome
Preis: 79 Mark
Hersteller: Axel Braukmann GmbH

Stärken:
□ viele neuartige Funktionen □ umfangreiche Blockmanipulationen □ zahlreiche Textfunktionen □ gute Ausdrucksqualität

Schwächen:
□ Textoperationen nur auf aktive Zeile wirksam □ streckenweise etwas umständliche Bedienung □ kein Fadenkreuz □ keine Koordinatenanzeige


Andreas Käufer
Aus: ST-Magazin 09 / 1988, Seite 28

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