Fast möchte man sich schon die Tage ankreuzen, an denen einmal ein neues Spiel für den Atari erscheint. Aber: es ist wieder soweit!
Besonders Besitzer schneller Ataris, die ab und zu ein Spiel schätzen, können mit der Spiele-Auswahl nicht zufrieden sein. So laufen zwar viele ST- und GEM-Spiele, aber der Großteil von ihnen ist äußerst farbarm. Von der Geschwindigkeit könnten CT60-Falcon und Milan aber durchaus farbenfrohe Spiele handhaben, ohne bei der Rechenleistung in die Knie zu gehen. Aufgrund der geringen Verbreitung und der schwierigen Programmierung (ein Bild mit 256 Farben in hohen Farbtiefen auf allen Systemen gleich darzustellen ist nicht einfach) gibt es jedoch so gut wie keine Spiele - von diversen Ego-Shootern einmal abgesehen.
Abhilfe schafft jetzt ScummVM vom Portierungs-Spezialisten Patrice Mandin. ScummVM ist eine Nachprogrammierung von Scumm, einer Adventure-Sprache. Mit dieser Sprache entwickelte LucasFilm Games in den achtziger und neunziger Jahren einen Adventure-Hit nach den anderen - heute sind sie eher für größtenteils lausige Star Wars-Versoftungen bekannt.
Der Vorteil von Scumm ist, das ein Adventure Plattformunabhängig programmiert werden kann. Für die möglichen Plattformen muss "nur" ein Scumm-Interpreter geschrieben werden, der die Adventuredaten, Grafiken und Sounds abspielt. Das erste Adventure, das Scumm benutzte, war Maniac Mansion. Im Gegensatz zu Adventures von Infocom waren die LucasFilm-Spiele grafikorientiert. Mit einem Cursor wurde die gewünschte Anweisung ausgewählt und in Verbindung mit der Umgebungsgrafik als Aktion ausgeführt. Text muss so gut wie gar nicht eingegeben werden. Damit werden auch Verständigungsschwierigkeiten zwischen Mensch und Computer ausgeschlossen.
Spätere Adventures und Versionen des Scumm-Interpreters konnten auch Action-Szenen mit einbauen.
Die Lucas-Adventures wurden im Laufe der Zeit komplexer. Der Atari profitierte eine Weile davon, dass die EGA-Grafik auf dem PC unterstützt wurde. Als dann der große Umschwung auf VGA kam, erschienen keine ST-Versionen mehr. Der Amiga wurde noch eine Weile mit 32-Farb-Versionen versorgt.
Einige Programmierer sind nun auf die Idee gekommen, Scumm nachzuprogrammieren. Es ist nämlich keinesfalls möglich, zum Beispiel den eingebauten Scumm-Interpreter der ST-Version von Indy III zu nehmen, um damit das VGA Indy IV zu spielen - natürlich einmal davon abgesehen, das sich die ST-Version nicht mit Grafikkarten verträgt.
ScummVM ist ohne die Original-Sourcen entstanden. Deshalb gibt es bei fast allen Spielen mehr oder weniger starke Einschränkungen.
Die Atari-Version ist nicht besonders stark an die Plattform angepasst. Als Grundlage diente wieder einmal die SDL - wer also immer noch eine Begründung behauptet, das Atari-SDL würde nichts taugen, der findet in ScummVM einen Beleg dafür, das SDL sehr wohl voll einsetzbar ist. Ähnlich wie beim GameBoy-Emulator gnuboy gibt es eine Programm-Datei ohne Endung. Am besten man gibt der Datei die Endung TTP.
Auch wenn es zunächst so erscheint, als ob ScummVM MiNT benötigt, ist dem nicht so, da das Programm auch unter SingleTOS läuft. Allerdings erwartet es ein Unix-ähnliches Dateisystem. Ist dies nicht vorhanden, gibt es einige Einschränkungen.
Wer das interne Menü von ScummVM benutzt, wird eine SCU-Konfigurationsdatei vorfinden, die gelöscht werden muss. Die Programmdatei muss auch im gleichen Verzeichnis wie die Spieldaten sein.
Ein Spiel wird über die Kommandozeile so gestartet:
-e null -g normal -f -a <Spielname>
Der erste Parameter schaltet die Sound-Emulation ab. Diese benötigt dadurch natürlich Rechenzeit. Ohne Sound sind tatsächlich einige LucasFilm-Adventures auf einem gewöhnlichen Falcon spielbar. Das "-f" startet das Adventure im Vollbild-Modus. Solange ScummVM kein richtiges GEM-Programm ist, ist dieser Parameter aber praktisch nutzlos. "-a" stellt bei Amiga-Spielen die richtigen Farben ein und "-g" ist der gewünschte Videomodus. "-f" und "-g" scheinen aber laut einer Aussage im Atari-Forum das Programm etwas instabiler zu machen. Mit den Parametern muss also manchmal etwas experimentiert werden.
Der Sound kann manchmal noch Probleme bereiten, obwohl bereits die erste Version Musik und Sound-Samples unterstützt.
Ähnliches gilt für die Grafik. So kann momentan nicht garantiert werden, dass ScummVM mit jeder Grafikkarte funktioniert. Für diese Fälle gibt es auf Patrice Mandins Seite ein paar Testprogramme. Die Daten helfen dann, bei zukünftigen Versionen die Grafikkarte zu unterstützen.
Drei Teenager suchen in einem spukigen Haus nach ihrer entführten Freundin. Das erste Scumm-Adventure hatte zahlreiche Gags zu bieten und auch Aktionen, die zwar nicht im Spiel weiterhalfen, aber das Spiel auflockerten.
Außerirdische wollen über die Telefonleitungen die Menschheit verdummen und tarnen sich dabei als Cowboyhut-Träger. Keiner will dem Reporter Zak McKracken glauben - kein Wunder, sind seine Geschichten doch stets erfunden.
Das Spiel ist zwar auch für den ST erschienen, aber mit ScummVM läuft auch die Version mit 256 Farben.
Das Spiel lehnt sich eng an den Film an. Indy ist auf der Suche nach dem heiligen Gral. Wertvolle Anhaltspunkte bietet das Tagebuch seines Vaters. Von Indy gibt es eine Version mit 256 Farben.
Brian Moriaty, ein ehemaliger Infocom-Spieleautor ("Wishbringer", "Trinity") schuf mit Loom ein Spiel, bei dem sich alles um einen musikalischen Zauberstab dreht. Dem Original lag sogar ein deutsches Hörspiel bei.
Das Adventure fiel bei der Kritik größtenteils durch. Mit ScummVM ist die (für damalige Verhältnisse) multimediale CD-Version mit 256 Farben spielbar.
Ein gut abgehangenes Piraten-Abenteuer mit einem Piraten-Azubi (Guybrush), vielen schönen Frauen und einem fiesen Oberpiraten.
Monkey Island war eines der letzten LucasFilm-ST-Spiele. Mit ScummVM ist auch die VGA-Version nutzbar.
In Teil 2 will Guybrush Threepwood den legendären Schatz "Big Whoop" heben und macht sich in die Karibik auf. Dort landet er auf Scabb Island, wird sein gesamtes Ersparnis los und muss erst einmal drei Prüfungen bestehen, um der Insel zu entkommen.
Monkey Island 2 erschien nicht mehr für den ST. LucasFilm brachte keine EGA-Version mehr für den PC heraus - der Aufwand, extra für die ST-Version die Grafiken auf 16 Farben herunterzurechnen, war aufgrund der niedrigen Verkaufszahlen zu hoch.
LucasFilm nahm einen möglichen vierten Teil schon zuvor. Indy entdeckt Atlantis - inzwischen nur noch auf Mac und PC.
Das Tentakel hat sich in Maniac Mansion als Kultfigur entpuppt. In dem Nachfolger enthält es eine größere Rolle. Grafisch hat sich einiges verändert. Es dominiert ein Comicspiel mit größeren, einfarbigen Flächen.
In Sam & Max ermitteln ein weißer Hase und ein Hund im Anzug. Das Spiel ist wie Day of the Tentacle komplett im Comic-Stil gehalten. Das anklickbare Vokabular wurde gekürzt - hier sorgt ein Wechselcursor für die Aktionen. Dennoch bietet das Adventure durchaus anspruchsvolle Rätsel.
Das Adventure erschien mit satten vier Jahren Verspätung. Die Weltraum-Story sollte ursprünglich ein Steven Spielberg-Film werden, aber endete dann doch als LucasFilm-Adventure.
Auch der dritte Teil von Monkey Island hatte den gleichen Grafikstil wie "Tentacle" und "Sam & Max".
ScummVM unterstützt nicht nur LucasFilm-Spiele. Beneath a Steel Sky ist als einziges Spiel ganz legal im Internet herunterzuladen. Revolution Software hat den ScummVM-Programmierern sogar den Assembler-Source Code zur Verfügung gestellt. In einer der nächsten Versionen soll sogar Broken Sword 2 unterstützt werden.
Rekord am Rande: Das Adventure dürfte in Verbindung mit ScummVM eines der größten Atari-Spiele sein - die CD-Version ist über 70 MB groß.
Die Abenteuer des Zauberers Simon sind jetzt auch auf dem ST spielbar. Ähnlich wie "Beneath of a Steel Sky" stammt das Spiel nicht von LucasFilm.
ScummVM selber ist rechtlich absolut legal. Natürlich muss ein Spiel heruntergeladen werden, um überhaupt etwas mit dem Programm anfangen zu können. Ein Spiel, "Beneath a Steel Sky", ist als Freeware freigegeben worden. Ob es nach dem neuen deutschen Urheberrecht erlaubt ist, etwa Monkey Island mit ScummVM zu benutzen, wenn man das Original besitzt, ist nicht sicher.
ScummVM ist eine sehr schöne Portierung - wenn sie denn erst einmal läuft. Ähnlich wie bei gnuboy fehlt eine Atari-spezifische Anleitung und auch sonst hat man erst das Gefühl, die falsche Version herunter geladen zu haben. Etwas herumspielen mit den Parametern ist schon erforderlich und natürlich sollte der Rechner stimmen. Das Programm läuft nur ab einem 68020, mehr als 4 MB RAM sind sehr empfehlenswert. An der Stabilität und Kompatibilität wird noch gearbeitet, daher kann es durchaus sein, das einige Spiele noch vor sich hinzuckeln.
http://membres.lycos.fr/pmandin/