Sie gilt als das vielleicht letzte Phantom der Atari-Welt: die Textverarbeitung Tempus Word 4. Seit Jahren angekündigt, wurde sie immer wieder verschoben und hat noch immer nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt.
Die Erwähnung der Textverarbeitung Tempus Word erregt in Atari-Kreisen recht unterschiedliche Reaktionen. Da gibt es die ungebrochenen Befürworter, die glänzende Augen bekommen und von Tempus als der besten Textverarbeitung aller Zeiten sprechen, die bis heute auf keinem System erreicht wurde. Dann gibt es die Fraktion der Spaßexperten, die eine neue Version von Tempus gern als Gag benutzen. Zu guter Letzt ist das Thema Tempus Word 4 für viele Anwender fast ein Grund zur Wut, stellt es doch das Thema der gebrochenen Versprechungen des Atari-Markts wie keine andere Software frappierend dar. Der seit drei (!) Jahren auf der Webseite des Entwicklungsunternehmens CCD zu findende Satz «Neue Tempus Word-Version 4 in Kürze verfügbar» gilt mittlerweile als guter und manchmal etwas bitterer Witz unter Atari-Anwendern.
Die Wahrheit sieht - wie so oft - etwas unspektakulärer aus. CCD selbst scheint tatsächlich das Interesse an einer Atari-Version von Tempus Word verloren zu haben. Zu lange hat man gewartet, nun ist der verbliebene Markt zu kleine für ernstzunehmende Umsätze. Hier herrscht also scheinbar Realismus pur - fair wäre es gewesen, hätte sich das Team von CCD jemals zu diesem verständlichen Rückzieher öffentlich geäußert, immerhin sollen nach Angaben einiger Anwender bereits vor Jahren Gelder für das Update auf die Version 4 geflossen sein.
Trotzdem ist das Projekt Tempus Word 4 nicht gestorben, es nährt sich nur so mühsam wie das sprichwörtliche Eichhörnchen. Mittlerweile ackert ein Team, bestehend aus einigen Enthusiasten an der Fertigstellung des Projekts. Nochmalige Ermutigung erfuhren die Entwickler der Atari-Version durch einen Aufruf zur Fortführung von Tempus Word 4, der auch von der st-computer und der Webseite st-computer.net unterstützt wurde. Und tatsächlich gibt es auch weiterführende Pläne für die Textverarbeitung: So werden die Möglichkeiten ausgelotet, Tempus ähnlich wie das Calamus WinPack auch als "getarnte" Windows-Applikation anzubieten, um eine Weiterentwicklung zu rechtfertigen (erste Versionen mit dem STEmulator sollen sogar schon zufriedenstellend arbeiten). Auch unter Mac OS X böte sich die Nutzung der Atari-"Virtual Machine" ARAnyM an - aber dies alles ist Schnee von übermorgen. Wichtiger ist, dass sich die Arbeiten an der reinen Atari-Version langsam, aber sicher scheinbar sicher dem Ende nähern. Ein neuerlicher Blick wurde uns also gestattet.
Derzeit läuft eine intensive Testphase, die zum Ziel hat, Tempus Word 4 auf möglichst allen bekannten Atari-Betriebsumgebungen stabil laufen zu lassen. Insofern soll nachträglich auch die lange Entwicklungszeit gerechtfertigt werden: Ein wirklich sehr stabiles Endergebnis würde sicher viele Anwender nachträglich zufrieden stellen.
In unserem Test nutzten wir Tempus Word 4 auf einem Atari Mega STE 4, einem Atari Falcon 030 und unter MagiCMac. Auf dem Falcon mit MagiC 6.1 und unter MagiCMac machte Tempus auch keinerlei Probleme. Der STE zeigte sich weniger kooperativ: Tempus Word war weder unter MagiC noch unter TOS 2.06 zur Zusammenarbeit mit dem Mega STE zu bewegen.
Wer alte Versionen von Tempus Word kennt, der wird auf den ersten Blick mit einem Programm konfrontiert, das einen wesentlich professionelleren Eindruck macht und auch optisch mit ähnlichen Lösungen auf dem Atari, PC oder Macintosh mithalten kann. Die Oberfläche wirkt sehr aufgeräumt, über der eigentlichen Arbeitsfläche lassen sich die wichtigsten Programmfunktionen über ein Piktogrammfeld aufrufen.
Etwas weniger modern wirken hingegen die Dialoge des Programms: Diese sind nach wie vor in modalen Fly-Dials untergebracht, es wäre schön gewesen, wenn hier mit einer neueren Bibliothek gearbeitet worden wäre, sodass Tempus auch wirklich den Anspruch erhebt, ein Atari-Programm des Jahres 2003 zu sein. Aber die neue Version wurde ja noch nicht offiziell veröffentlicht - vielleicht wandern die Dialoge ja doch noch in GEM-Fenster.
Angenehm fällt die von einem Atari-Programm gewohnt hohe Startgeschwindigkeit auf. Auf dem Falcon (14 MBytes RAM, 32 MHz) war das erste Dokument nach nur vier Sekunden eingerichtet. Wer schon einmal Microsoft Word auf einem Mac oder PC hat ächzen und stöhnen sehen, der weiß einmal mehr den Vorteil schlanker Atari-Programmierung zu schätzen.
Noch etwas: Der Tempus-eigene Desktop wurde ersatzlos gestrichen. Im Zeitalter von Multitasking-Systemen wäre dieser auch wirklich fehl am Platze gewesen. Schade nur, dass man diese Konsequenz nicht auch auf die Dialoge übertragen hat. Geblieben vom alten Tempus ist lediglich die eigene Dateiauswahl, die bestimmt bei einigen Anwendern sehr bleibt ist. Auf Wunsch kann diese jedoch abgeschaltet werden.
Ein erstes Stöbern durch die Menüs von Tempus Word 4 verrät ansatzweise den umfangreichen Leistungsumfang, den dieses Programm mittlerweile besitzt. So werden eine Vielzahl von Funktionen unterstützt, die von einer heutigen Textverarbeitung geboten werden müssen. Anders als zum Beispiel papyrus scheint Tempus jedoch konsequenter seinen Wurzeln als Textprogramm treu bleiben zu wollen und wagt nicht so frei den Einstieg ins DTP. Dies tut der Übersichtlichkeit und dem Einsatzgebiet des Programms auch sichtlich gut - wer professionell layouten will, kann schließlich auf Calamus zurückgreifen.
Bei der Zeichensatzauswahl zeigt sich Tempus selbstverständlich flexibel: Alle im GDOS installierten Schriften wurden problemlos unterstützt. Dabei weiß das WYSIWG durchaus zu überzeugen, die Bildschirmdarstellung ist also erfreulich hochwertig. Heutige Konkurrenzsysteme wissen zwar zusätzlich mit bereits vom Betriebssystem gelieferter Kantenglättung zu überzeugen, dies ist aber auf dem Atari bekanntlich nicht vorhanden - erst neue Versionen des freien VDI-System fVDI könnten dies nachreichen, sollen diese doch ein AntiAlias gleich mitliefern. Wie langsam eine Kantenglättung besonders auf klassischer Atari-Hardware werden kann, zeigt jedoch Porthos. Summa summarum: Die Bildschirmdarstellung von Tempus weiß auch ohne AntiAlias zu überzeugen und kann sich mit der von papyrus messen.
Erfreulich schnell erfolgt auch die Darstellung von Vektorzeichensätzen. Dies ist bei Weitem nicht so selbstverständlich, wie es sich liest, denn selbst auf schnellen PCs bzw. Macs mit ausreichend Speicher wühlt zum Beispiel Microsoft Word schon einmal gern erst auf der Festplatte, bevor das erste Zeichen dargestellt ist. Atari war hier ja schon immer anders, und das im positiven Sinne.
Mussten in vorherigen Versionen verschiedene Schnitte eines Zeichensatzes per Hand ausgewählt werden, übernimmt Tempus Word 4 diese Zuordnung nun innerhalb einer Fontfamilie automatisch. Attribute (fett, kursiv etc.) werden nur dann berechnet, wenn eine Schriftfamilie den entsprechenden Schnitt nicht mitliefert. Auch bei der Zeichensatzgröße fielen alte Hindernisse: War früher bei 48 Punkt Schluss, können nun Prozentwerte von o.i bis zu 999.9 Prozent eingestellt werden, wobei Feinabstimmungen per Zehntelschritten möglich sind. Damit das Schriftbild dabei einheitlich auf dem Papier erscheint, wird das Kerning unterstützt, sofern eine Schriftart die erforderlichen Informationen mitliefert. Die Auswahlmöglichkeiten des Schriftstils sind einzigartig umfangreich und dürften auch auf anderen Plattformen bisher schwer zu toppen sein.
Eingeschränkt ist hingegen die Auswahl der Schriftfarbe: Gerade einmal 16 Farben werden hier unterstützt. Hier wäre ein Auswahl je nach Farbtiefe wünschenswert gewesen. Die Farbauswahl des Desktops jinnee bietet zum Beispiel 256 Farben und hat diese recht übersichtlich untergebracht. Dies hätte sich auch Tempus Word gut zu Gesicht gestanden.
Etwas ungewöhnlich ist das Angebot verschiedener Arbeitsmodi: ASCII, T_Word, Layout und Doppelseiten. Standardmäßig ist der Layout-Modus eingestellt, der die angesprochene WYSIWYG-Darstellung erst ermöglicht. Sichtbar sind dabei alle Elemente einer Seite, inklusive Kopf- und Fußzeilen, Fußnoten usw. Sollen auch noch die gegenüberliegenden Seiten im Layout kontrolliert werden, empfiehlt sich der Doppelseiten-Modus, der ebenfalls das Ergebnis so darstellt, wie es später im Ausdruck erscheint. Ersetzt wurde dadurch die bisherige Funktion der manuellen Umbruchkontrolle, die in Vorgängerversionen innerhalb einer Vorschau bereitgestellt wurde.
Der Layout-Modus ermöglicht auch die exakte Platzierung von Objekten in der Druckvorstufe. Dabei werden alle Referenzen in Echtzeit aktualisiert und angepasst. Der Dialog von Vorgängerversionen, der einen globalen Umbruch auslöste, gehört somit der Vergangenheit an. Sämtliche Referenzierungen und Nummerierungen werden in Echtzeit vorgenommen.
Tempus Word 4 arbeitet grundsätzlich rahmenorientiert. Grafiken können also frei platziert und von Text umflossen werden. Für individuelle Gestaltungsaufgaben können in das normale Layout zusätzliche, auch mehrspaltige Textrahmen eingefügt werden. In diesen Textrahmen lassen sich alle Gestaltungsmöglichkeiten anwenden.
Im Vergleich zu ersten öffentlichen Demoversionen scheint Tempus in den WYSIWYG-Modi etwas an Geschwindigkeit gewonnen zu haben. Auf dem Falcon mit 32 MHz erfolgte die Arbeit in durchaus annehmbarer Geschwindigkeit. Langsamer wird es natürlich, wenn Grafiken genutzt werden. Diese dürfen übrigens in den Formaten XIMG, GIF und TIFF vorliegen. Die Darstellungsmöglichkeiten im Layout wurden stark verbessert: Grafiken sind nun vor und hinter dem Text platzierbar, können wie erwähnt umflossen werden oder transparent agieren.
Die klassische Editierumgebung wird mit den ASCII- und Tempus-Modi geboten. Diese sind auch auf "kleinen" STs hervorragend nutzbar.
Zahlreiche Erweiterungen gab es im Bereich der Absatzformatierung. Auffälligste Neuerung ist sicherlich die Möglichkeit zur Definition eines Absatzvor- und eines Absatznachabstandes, was die Formatierungsmöglichkeiten erheblich erweitert - sogar negative Werte können hier benutzt werden. Jedem Absatz kann außerdem ein Initial vorangestellt werden, wobei auch hier alle Zeichenschnitte voll nutzbar sind. Kapitälchen können vom Benutzer exakt bestimmt werden. Einzug, Einrückung und Bezugsrand können vom Anwender ebenso frei eingestellt werden, auf Wunsch können natürlich Tabs verwendet werden. Beim Kopieren von Textblöcken werden eventuell unterschiedlich eingestellte Absatzformate beachtet.
Jedem Absatzformat können auch individuelle Umbruchparameter zugeordnet werden. Die Silbentrennung kann dabei vollautomatisch erfolgen, wobei scheinbar noch die Trennregeln der alten Rechtschreibung gelten. Um ein sauberes Layout zu erzeugen ist sogar eine Vermeidung von Schusterjungen und Hurenkindern vorhanden - längst nicht jede Textverarbeitung kann hier mithalten.
Sogar die Nummerierungen können absatzbezogen festgelegt werden. Dies bedeutet in der Praxis, dass in einem Absatz normal mit arabischen Ziffern nummeriert werden kann, während der Folgeabsatz römische Zahlen bietet. So wird auch das Verfassen von Dissertationen usw. erheblich flexibler.
Stichwort Folgeabsätze: Diese können nun innerhalb der Stilparameter festgelegt werden. Nach einem Betätigen der Return-Taste wird dann ein Folgeabsatz erzeugt. Haben Sie zum Beispiel einen Einlauftext definiert, so kann danach automatisch der eigentliche Fließtext folgen - praktisch.
Das Seitenlayout wird nunmehr in einem Absatz neu gesetzt und bleibt somit für die Folgeseite gültig. Auf diese Weise können auch komplexe Layouts einfach erzeugt werden. Zum Beispiel Briefe mit eigenem Briefkopf und die nächsten Folgeseiten sind nunmehr stressfrei mit einem (!) weiteren Layout zu erschaffen.
Tempus Word galt schon immer als Vorreiter heutiger Korrektursysteme. In der kommenden Version 4 wurden die Möglichkeiten auch in dieser Hinsicht nochmals erheblich erweitert. So können nun gleichzeitig bis zu drei Haupt- und fünf Spezialwörterbücher im Speicher gehalten werden. Hinzu kommt ein Textwörterbuch. Zur Erleichterung des Austausches und der Pflege von Wörterbüchern können Wörterbuchdateien auch automatisiert zusammengefasst werden. Ein neues Hauptwörterbuch nach der neuen deutschen Rechtschreibung wird zwar auf den Webseiten von CCD versprochen, die uns vorliegende Version 2.51 der Korrektur arbeitet jedoch noch mit dem alten Lexikon. Die endgültige Auslieferung soll jedoch ein Wörterbuch nach der neuen deutschen Rechtschreibung enthalten.
Tempus 4 bietet nun auch Möglichkeiten zur gezielten Nachbearbeitung von Trennungen. Ein entsprechender Dialog wird über eine Tastenkombination aufgerufen, sodass direkt im Text gearbeitet werden kann. Vorbildlich ist weiterhin, dass jedem Absatz individuell eine neue Trennregel zugewiesen werden kann. Dies macht Tempus auch für den Satz eines mehrsprachigen Handbuchs interessant.
Ein dickes Manko der Version 2.gx von Tempus war sicherlich, dass Spalten immer dieselbe Breite aufweisen mussten. Diese Beschränkung wird mit Tempus Word 4 aufgehoben. Der Anwender kann hier also recht flexibel arbeiten und in einem umfangreichen Voreinstellungsdialog jeder Spalte eine unterschiedliche Breite verleihen.
Gewohnt erstklassig und ohne Fehl und Tadel zeigen sich die Voreinstellungen von Fuß-, Kapitel- und Endnoten. Diese können selbstverständlich gleichzeitig innerhalb eines Dokuments zum Einsatz kommen. Die dazugehörigen Formatierungsmöglichkeiten wurden in der Version 4 des Klassikers nochmals überarbeitet und lassen keine Wünsche offen. Ob bei der Trennung und dem Abstand vom Fließtext, in der Platzierung oder auch der Nummerierung - Tempus zeigt sich als Referenz. Selbst umfangreiche und wichtige Dokumente wie Doktorarbeiten und sogar Buchprojekte lassen sich mit Tempus hervorragend realisieren.
Der Fußnotentext wird nunmehr umgebrochen. Die Platzierung hat eine Feinabstimmung erhalten und kann mit der Einstellung eines Beginns auf der gleichen Doppelseite noch gezielter im Buchsatz eingesetzt werden.
Kopfzeilen werden mittlerweile mit Feldern formatiert, die Verwendung von verstecktem Text, der die für die Kopfzeile nötigen Informationen enthält, entfällt somit. Damit hängt zusammen, dass die komplette Funktionalität der Felder vollständig neu gestaltet wurde, wobei es jedoch durchaus gelungen ist, die Anwendung zu vereinfachen, dabei aber das Ergebnis zu verbessern.
Hand in Hand gehen die Einstellungen für die Index- und Referenzierungsverwaltung: Merke: Tempus Word ist ein hochprofessionelles Programm, das auch plattformübergreifend seinesgleichen sucht.
Die Indexfunktion gestattet jetzt Untereinträge in bis zu zehn Stufen. Außerdem kann jetzt ein beliebiger Indexeintrag an einer beliebigen Textstelle vorgenommen werden. Jede Stufe kann mit Absatzformaten automatisch formatiert werden. Ein einmal erstellter Index wird hinsichtlich der Seitenangaben, die auf Wunsch auch zusammengefasst werden können (f, ff), automatisch beim Schreiben aktualisiert.
Der Index kann übrigens bis zu zehn Stufen enthalten. Generell zeigt sich hier, dass auch ein fertiges Inhalts- oder Indexverzeichnis in Echtzeit aktualisiert wird, wenn Text eingeschoben wird. Dies erfolgt jedoch nicht, wenn neue Überschriften oder Index-Einträge eingefügt werden. In diesem Fall muss beides neu erzeugt werden.
Jede Textverarbeitung ist genau so gut, wie das Ergebnis, das sie zu Papier bringt. Die Druckfunktionen und -dialoge orientieren sich jetzt an dem geladen Druckertreiber. Die bisherigen Popups "Ausgabe" und "Druckerport" wurden ersetzt durch einen Treiber-Dialog, der alle installierten Ausgabetreiber auflistet. Somit werden natürlich auch die Treiber des installierten GDOS-Systems gelistet. Unter MagiC-Mac (Classic) und MagiC PC ist unter Zuhilfenahme von NVDI auch der installierte Systemtreiber des Mac OS bzw. von Windows nutzbar.
Sehr umfangreich kommen die Voreinstellungsdialoge daher. Dem Anwender werden hier wirklich umfangreiche Möglichkeiten zur Individualisierung des Programms geboten. So lässt sich die Menüleiste den eigenen Anforderungen anpassen, der Systemspeicher kann frei aufgeteilt (ST- und TT-RAM werden unterstützt), Sonderzeichen können ausgewertet und Maßeinheiten den eigenen Wünschen gemäß bestimmt werden. Umfangreicher geht es kaum. Auch hier ist der Ansatz, ein wirkliches professionelles Textsystem zu bieten, spürbar.
Wie erwähnt will Tempus Word nicht mit professionellen Layout-Programmen wie Calamus konkurrieren. Die Möglichkeiten bleiben in dieser Hinsicht entsprechend rudimentär. Trotzdem steht zum Beispiel eine einfache Auswahl von Vektorobjekten bereit, die in ihrer Form variieren. Verschieden Parameter (Rahmenstärke, Farben etc.) können gesetzt werden. Außerdem können Vektorgrafiken im GEM-Format geladen werden, CVG oder gar AI wird leider nicht unterstützt. Vorgesehen sind auch Formeln als Grafikobjekte, diese Option ist jedoch zumindest in unserer Testversion noch nicht anwählbar, sollte aber eine öffentliche Freigabe des Programms auch nicht blockieren.
Weiterhin lassen sich Textrahmen mit mehreren Spalten und Maßen frei setzen, wobei Textrahmen, Platzierung und Textumfluss äußerst flexibel gesetzt werden können.
Hervorragend gelungen ist auch der Tabelleneditor, auch dieser kann in Sachen Einstellungsmöglichkeiten so manches andere Programm recht blass aussehen lassen. Die Tabellenfunktionen erscheinen komplett neu erarbeitet und ist ähnlich den Fußnoten als Subtext gestaltet. Die mühsame Ausrichtung von Tabellen anhand von Tabulatoren ist somit vollständig passe. Funktionen wie das Rechnen im Text runden das Leistungsspektrum positiv ab.
Interessant ist auch die Kommentarfunktion: Hierbei handelt es sich eigentlich um nichts anderes als Textrahmen, die jedoch auf dem Ausdruck nicht erscheinen.
Etwas weniger aktuell sind die Ausgabemöglichkeiten. Fast alle modernen Textverarbeitungen unterstützen zum Beispiel die direkte PDF- oder auch HTML-Ausgabe. Nicht alle Anwender haben jedoch einen Nutzen dafür, und eine Implementierung sollte das Programm nicht weiter verzögern. Ergänzen kann man immer noch. Sowieso bleiben die Export-Funktionen stark hinter denen von papyrus zurück. Geboten wird das Tempus-Format, Fließtext und RTF. CTX (Calamus) ist scheinbar in Planung, der Sinn eines solchen Filters darf bezweifelt werden, verfügt Calamus SL doch mit Eddie über einen eigenen Editor, der seinen Ansprüchen eher genügen dürfte. Ein Word-Filter muss jedoch vermisst werden - übrigens verwendet auch papyrus hier "nur" über einen optimierten RTF-Filter.
Tempus Word 4 bietet eine Undo- bzw. Redo-Funktionalität. Die Grenze ist dabei der vom Benutzer zugewiesene Speicher. Wer also viel Speicher über hat, kann hier große Schritte machen.
Tempus Word hätte sicher seinen hohen Wert und würde dem Atari weitere Berechtigung für seinen Einsatz im täglichen Arbeitsprozess geben. Das Programm ist mehr denn je erste Wahl für umfangreiche Textarbeiten, ich persönliche würde Tempus jeder anderen Textverarbeitung, die ich auf verschiedenen Systemen kenne, in dieser Hinsicht vorziehen. Aber auch das schnelle Tippen eines Briefes ist problemlos möglich, Tempus Word wirkt nicht so aufgebläht wie zum Beispiel das Office-Paket von Microsoft auf PC und Mac.
Ob Tempus Word als reine Textverarbeitung papyrus vorgezogen werden kann, wage ich nicht zu beurteilen. Ohne Zweifel bietet Tempus Möglichkeiten, die auch papyrus nicht hat. Andererseits weiß papyrus in der flexibleren Gestaltung von Layouts und vor allem durch eine sehr viel aktivere Weiterentwicklung zu glänzen - Vergleiche sind hier also fehl am Platz.
Aber auch Tempus Word 4 gibt sich kaum mehr Blößen. Das einzige dicke Minus ist die Verwendung modaler Dialoge - dies gehört sich für ein modernes Programm einfach nicht und blockiert das Multitasking. Außerdem steht zu hoffen, / dass bald die Kompatibilität zum STE gewährleistet wird, immerhin ist der Mega STE immer noch ein beliebtes Arbeitspferd zur Textverarbeitung.
Die uns vorliegende Betaversion könnte unser Meinung nach jedoch endlich auf die Öffentlichkeit losgelassen werden - fehlerfreier ist kaum ein kommerzielles Programm. Die wartende Anwenderschaft hätte einen so dicken Fisch im Atari-Softwarenetz endlich verdient. Vage Hoffnung gibt es allemal: Tempus Word 4 soll möglichst zumindest in der reinen Atari-Version in diesem Sommer erscheinen. STC
Preis: noch nicht festgesetzt