Ein gutes HD-Recording-Programm macht noch lange keinen guten Sound, das wissen auch Cubase Audio-Benutzer. Das Geheimnis professionellen Klangs ist vielmehr im gelungenen Mastering zu suchen.
Strom-Musiker kennen das Problem: Aus der Sampling-Workstation für Euro 4000.-- mit integriertem Effektprozessor klingt der Sound eines eben produzierten Stücks auf den Studiomonitoren für Euro 1000.-- so wuchtig, dass die Wände wackeln. Einmal in ein HD-Recording-Programm wie Cubase Audio Falcon oder den angeblich moderneren Varianten auf PC und Macintosh gebannt und auf CD gebrannt, klingt alles langweilig wie plätscherndes Wasser, sobald es im heimischen CD-Player landet. Weit weniger innovative Stücke deutscher Schunkelmusiker à la Bohlen und amerikanischer Fließband-Rap-Produzenten à la Dr. Dre wummern hingegen schon aus recht einfachen Kofferradios recht eindrucksvoll heraus. Es ist also nicht immer der Sound der verwendeten Instrumente oder gar die Songidee, die eine Heimproduktion immer irgendwie etwas langweiliger klingen lassen. Vielmehr entscheidet auch eine professionelle Produktion und Nachbearbeitung über Erfolg und Misserfolg eines Stücks.
Als Geheimwaffe professioneller Studios werden zumeist teure Kompressoren empfohlen. Das Ergebnis ist jedoch nicht immer analog zum investierten Preis: Breitband-Kompressoren sind schwer zu handhaben, die Regelzeiten kaum richtig einstellbar und die eigentliche Kompression weiß meist auch nicht vom Hocker zu reißen. Kann uns der Atari nicht wieder einmal aus der Patsche helfen? Bevor wir diese Frage beantworten, wollen wir noch etwas Theorie pauken...
Milka ist nicht gleich Milka, Kompressor ist nicht gleich Kompressor. Tatsächlich sind verschiedene Varianten in Gebrauch, am verbreitetsten sind Breitband- und MultibandKompressoren.
VCA-Breitband-Kompressoren stellen streng genommen nichts anderes als eine automatische Ansteuerungskontrolle dar, wie sie von klassische Tapedecks her bekannt sind. In Abhängigkeit vom zeitlichen Mittelwert des Eingangssignales wird das gesamte Signal mehr oder weniger stark verstärkt. Mittels Attack- und Release Regler lässt sich die Ansprech- und Abklinggeschwindigkeit regeln. Da sich diese Regelung aber an den energiereichsten Signalen also am Bass - orientiert und das gesamte Signal regelt, kommt es zu Pump-Effekten, besonders bei lauten Tief bässen und Bassdrums. Als Summenkompressor ist dieses Gerät daher nur sehr bedingt geeignet.
Dieser Pump-Effekt wird mit so genannten VCA-Multiband-Kompressoren vermieden. Das Eingangssignal wird hier in mehrere Frequenzbänder separiert. jedes dieser Bänder wird wieder mittels einem eigenen Kompressor komprimiert. Tiefbässe und das Schlagzeug können nun kein Pumpen mehr verursachen. Trotzdem hat dieses Verfahren einen gewaltigen Nachteil: Das Frequenzbild wird verändert, da die Kompressoren nun unabhängig voneinander arbeiten. Somit sind die Lautstärkeverhältnisse innerhalb des Mixes nicht mehr fixiert, außerdem treten an den Eckfrequenzen der Bandfilter meist Phasenverschiebungen auf, welche das Signal zusätzlich beeinflussen. Durch das verwendete Prinzip kann die Produktion hinterher manchmal regelrecht kraftlos wirken. Auch dieses Verfahren ist nicht immer der Weg zum Ziel.
Der Schlüssel zum eindrucksvollen Ziel liegt ganz woanders - und dies wussten auch schon die Toningenieure der „prädigitalen“ Zeit. Entweder benutzten diese schlauen Köpfe nämlich Röhrenverstärker, die jenseits ihrer Spezifikationen betrieben wurden, oder bei der Aufnahme auf Magnetband wurde kräftig im roten Bereich gearbeitet also oberhalb 0 db. Mit der Einführung digitaler Bandsysteme war dies aber nicht mehr möglich, weshalb auch heute noch viele Produzenten auf Analogband mastern. Werke von Lenny Kravitz dienen hier als gute Beispiele. Der Vorteil dieses Verfahren ist, dass es keinerlei Pumpeffekte geben kann, da es keine zeitabhängigen Komponenten gibt. Die Pegelverhältnisse innerhalb des Mixes bleiben ebenfalls in einem festen Verhältnis ind Phasenverschiebungen sind aufgrund fehlender frequenzabhängiger Komponenten auch nicht zu befürchten.
Sollte es also heißen: Vorwärts in die Vergangenheit? Sicherlich will nicht jeder Musiker wieder auf Audiobänder setzen, zumal die digitale Ausrüstung die alten Ausstattungen doch gerade abgelöst hatte. Ziel muss es also sein, die akustischen Breitwandeffekte guter Produktionen auch mit digitalem Equipment zu erzeugen. Dies ist allerdings alles andere als einfach, da einerseits ein phantastischer Stereoeffekt gewünscht ist, andererseits aber beim Druck auf die Monotaste nicht alles verschwinden darf.
Um unserem optimalem Ergebnis noch nähern zu kommen, müssen wir noch etwas tiefer gehen und die Frage klären, wie der Mensch überhaupt Töne wahrnimmt. Das menschliche Gehirn bestimmt aus den Lautstärke-Verhältnissen zwischen links und rechts, sowie den Laufzeiten, die die ausgesandten Signale brauchen, um unsere Ohren zu erreichen, die Raumposition. Ein Instrument, das links zu hören sein soll, wird also links und rechts gehört, allerdings zeitlich verschoben. Um das nun realitätsnah am Mischpult nachzuvollziehen, müsste die Panoramastufe gleichzeitig Phasenlage und Intensität regeln. Obwohl digitale Mischpulte dies könnten (wenn die Programmierer es wollten) gibt es einproblem: Genau wie bei der A/B-Mikrofonierung klingt der Sound in Stereo phantastisch, bei Druck auf die Monotaste fällt aber alles zusammen, da die Phasenverschiebungen hässliche Kammfiltereffekte erzeugen. Solange es also noch Monoübertragungen gibt (Fernseher, Küchenradio etc.) ist dieser Ansatz tabu, und wir müssen uns auf lntensitätsStereophonie beschränken. Dass allerdings ein zu 100 Prozent links gepanntes Signal nicht echt klingt, ist bekannt. Für eine realistische Breitenwirkung müssen ein paar Tricks angewendet werden. Wie das ganze funktioniert, dürfte dem Musiker nun ziemlich egal sein, Hauptsache ist, dass es gut klingt. Und genau hier kommt der Atari ins Spiel...
DynamiX ist ein Mastering-Werkzeug für den Atari Falcon, dass eben für die Optimierung von Klangmaterial eingesetzt werden kann, damit eine realistische Breitenwirkung in volldigitalen Produktionen erreicht wird. Das Programm bietet die im Mastering-Prozess am häufigsten benötigten Funktionen an, nämlich die Lautheitsmaximierung (der gewisse "Wumms" auf den Boxen) und das Stereo-Enhancing.
DynamiX wurde für den Atari Falcon 030 entwickelt und nutzt zur Soundausgabe des Audio-BIOS von Ataris Wundervogel. Zum Betrieb werden mindestens 3 MBytes an freiem Speicher benötigt, weshalb ein Falcon mit 4 MBytes RAM Grundvoraussetzung ist. Sollen jedoch größere Audiodateien optimiert werden, sollten es schon gern 14 oder mehr MBytes RAM sein. DynamiX unterstützt außerdem ein FDI-kompatibles S/P-DIF-Interface. Dieses ist selbstverständlich optional.
in unserem Test vertrug sich DynamiX auch mit Multitasking-Betriebssystemen gut. So machte das Programm unter MagiC 6.1 auf einem Atari Falcon 030 mit 32 MHz kaum Probleme, lediglich die Eingabezeile für das Eingangs- und Ausgangsmaterial wird nicht dargestellt. Der Anwender muss also blind dahin tippen, wo sich diese unter TOS befindet. Ein eingebauter mathematischer Co-Prozessor wird scheinbar unterstützt, jedenfalls meldet das Programm, das es einen solchen erkennt.
DynamiX wird mit einer recht guten Dokumentation im HTML-Format ausgeliefert, alternativ steht auf der Webseite der Entwickler ein PDF-Handbuch bereit. Leider wird DynamiX nicht mehr weiterentwickelt, weshalb auch kein Support mehr geleistet wird. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass das einstmals kommerziell geplante Programm nun frei aus dem Internet geladen werden kann. Die zur Verfügung gestellte Version stammt vom Februar 2000.
Bei der Gestaltung des Programms haben die Entwickler von FutureGroove nach eigenen Angaben viel Wert auf eine einfache Bedienung gelegt. Der Anwender soll mit so wenig Parametern wie nötig konfrontiert werden. Alle nötigen Einstellungen werden daher in einem einzigen GEM-Fenster vorgenommen. Dieses ist allerdings etwas sehr trist geraten, viele Elemente scheinen selbst gestrickt zu sein. Die Benutzung einer gängigen GEM-Library hätte auf jeden Fall ein weitaus angenehmeres Ergebnis geliefert. Auch einige Buttons mehr hätten den Anwender sicherlich nicht sonderlich verwirrt, sondern wären eher hilfreich gewesen. Wenn zum Beispiel eine Audiodatei abgespielt wird, ist dieser Vorgang nur über die [UndolTaste abzubrechen. Einmal abgesehen davon, dass [Undol eigentlich eben für eine ebensolche Funktion geschaffen wurde, wäre ein einfaches Bedienungsfeld wie bei einem CD-Player sicher nicht zu viel verlangt gewesen.
Von der reinen Funktionalität her ist an der Oberfläche ansonsten eigentlich nicht viel auszusetzen: Sie gibt zwar nicht viel für das Auge her, ist aber komplett mit der Maus zu bedienen. Zur Verfügung stehen einige Slider, eine direkte Eingabe der Werte ist jedoch auch möglich.
Bearbeitungs- bzw. Rechenprozesse werden mittels einer Fortschrittsanzeige dargestellt.
Apropos Berechnung: Die Arbeit vor allem mit großen Audiodateien verlangt dem Falcon natürlich einiges an Rechenleistung ab. Damit die Verfügung stehenden Mittel jedenfalls exklusiv für die Berechnung der Daten verwendet wird, kann DynamiX auf Wunsch die Bildschirmausgabe während des Rechenprozesses abschalten. Da beim Falcon Grafik und CPU dasselbe Bussystem nutzen, kann es hier zu deutlichen Geschwindigkeitsgewinnen kommen.
Im Prinzip besteht das Arbeitsfenster von DynamiX aus drei Bereichen: Links werden Daten eingegeben, in der Mitte befindet sich der eigentliche Mastering-Prozessor, rechts erfolgt die Ausgabe. Bei der Eingabe zeigt sich das Programm recht flexibel. Unterstützt werden die Formate AVR (Atari), WAV (Windows), AIF (Macintosh) und SND (Sun, Unix, Linux, NEXT). Alle Dateiformate werden lediglich in der 16-Bit-Stereo-Version unterstützt, auch wenn das Programm sich bei anderen Formaten nicht immer explizit einer Zusammenarbeit verweigert. Da beim WAV-Format zeit- und speicheraufwändige Konvertierungen nötig sind, sollte dieses nur verwendet werden, wenn es unbedingt nötig ist.
Nachdem die Audiodatei geladen ist, wird deren Sample-Frequenz angezeigt. Ein Play-Button dient zum Abhören des Ausgangsmaterials.
Parallel dazu existiert der AusgabeDialog. Hier wird das Ausgabeziel festgelegt, wobei der Anwender hier die Wahl zwischen dem Speichern als Datei auf der Festplatte, der Ausgabe über den internen Digital-/AnalogWandler des Atari Falcon (DAC) sowie über ein optionales S/P-DIF-Interface bzw. den Kanälen i und 2 eines angeschlossenen Analog8-Interfaces von Soundpool hat. DynamiX zeigt sich also auch bei der Ausgabe sehr flexibel.
Eigentliches Herzstück von DynamiX ist natürlich die so genannte "Processing Area", also der Teil des Programms, in dem die eigentliche Klangoptimierung vorgenommen wird. Hier werden die einzelnen Prozessoren selektiert, die auf das Audiomaterial angewendet werden sollen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Bedienung mittels der Slider dann aber doch: Die hier eingestellten Werte werden nämlich erst dann übernommen, wenn der Anwender danach auf das Eingabefeld klickt. Alle getätigten Einstellungen werden übrigens beim Beenden des Programmes gespeichert. Der Klangprozessor selbst besteht aus verschiedenen Einheiten.
Der Saturator dient der Lautheitsmaximierung des eingelesenen Audiomaterials und verwendet einen nichtlinearen Kompressionsalgorithmus. Einzustellen sind hier der die Werte Threshold und der Gain. je grösser der beim Gain eingestellte Wert ist, desto größer wird naturgemäß auch die Lautstärke nach der Bearbeitung. jedoch darf auch nicht vergessen werden, dass damit gleichzeitig auch wesentlich mehr harmonische verzerrungen bei lauten Signalen, zum Beispiel bei Schlagzeug, erzeugt werden. Ein vorsichtiges Vorgehen ist also zu empfehlen.
Threshold ist hingegen derjenige Signalpegel, unterhalb dessen keine Bearbeitung stattfindet. Anders ausgedrückt: Alles, was leiser als dieser Wert ist, passiert den Saturator unbearbeitet. Gemessen wird in Dezibel. Um einen warmen, runden Klang zu erhalten, sollte der Anwender den Threshold-Pegel so niedrig wie möglich einstellen. Dies verursacht eine gleichmäßigere Bearbeitung über den gesamten Bereich, gerade bei hohen Gain-Werten. Der Arbeitsbereich reicht von -60 db bis <0 db.
Der Stereoexpander vereint alle Funktionen, die eine Manipulation des Stereobildes erlauben. Alle drei zur Verfügung stehenden Varianten sind dabei monokompatibel, beim Druck auf die Monotaste des Mischpultes erscheint also das Klangbild des Monosignales exakt so, als ob keine Bearbeitung stattgefunden hätte. Die gefürchteten Kammfiltereffekte oder Phasenauslöschungen entfallen somit. Alle drei Varianten können prinzipbedingt nur funktionieren, wenn das Ausgangsmaterial bereits stereophon ist - was als Monosignal hinein geht, kommt auch stets nur als Monosignal heraus.
Die Center Reduction verbessert den Stereoeffekt, indem alle Signale, die sowohl im rechten als auch im linken Kanal gleichphasig - also monophon - vorliegen, in ihrem Pegel linear reduziert werden. Die Stärke der Pegelreduktion ist mittels des Amount-Reglers einstellbar, wobei der Einstellbereich von o (keine Bearbeitung) bis 100 Prozent (vollständige Eliminierung des Monosignales) reicht. Mit dieser Variante ist es möglich, die Instrumente auch außerhalb der Stereobasis zu platzieren, allerdings sollte die Basisbreitenerweiterung nur soweit getrieben werden, bis die volle Breite zwischen den Lautsprechern ausgenutzt wird.
Das Surround Phase Delay ist wesentlich deutlicher wahrnehmbar, neigt aber bei zu starker Anwendung zum Verschmie,en des Stereobildes. Mittels dem Amount-Regler lässt sich der Anteil des zugemischten Effektsignales einstellen (o bis 100 Prozent), mit dem Delay-Regler kann die Platzierung der Instrumente auf Stereobasis beeinflusst werden. Der Abgleich dieses Wertes sollte so vorgenommen werden, dass die einzelnen Instrumente deutlich zu orten sind. Bei hohen Amount Werten wird beim Abhören über zwei normale Stereoboxen der Eindruck erzielt, als ob die Instrumente von allen Seiten kämen - selbst von hinten.
Letztlich steht noch der DSX-Kompressor bereit. Hierbei wird der Stereoeffekt erhöht, indem der Raumanteil des Stereosignales nicht! inear komprimiert wird. Der Amount-Regler bestimmt hier wie stark das Raumsignal komprimiert wird. Dieser Parameter ist äquivalent zum GainParameter des Saturators, allerdings werden intern andere Parameter für die Kompression verwendet.
Vor dem eigentlichen Schreiben des endgültigen Ergebnisses kann mit dem Normalize-Button eine nichtdestruktive Normalisierung durchgeführt werden. Dabei wird die gesamte Datei gescannt und dabei die Maximalpegel gemessen. Ist einer der Stereo Enhancer aktiviert, erfolgt die Messung des Pegels nach dessen Bearbeitung, um die dabei entstehenden Pegelverluste wieder vollständig zu kompensieren. Anschließend werden die Parameter des Saturators so optimiert, dass die neu erzeugte Datei bis auf das letzte Bit ausgesteuert ist.
DynamiX ist durch seine relative Formatvielfalt auch als Konverter von Audiodateien hervorragend einsetzbar. Das Programm konvertiert die Daten dabei 1:1 - Samplerate, Auflösung etc. werden also nicht verändert. Sind DAC oder S/P-DIF-Interface unterstützt, kann der Anwender beim Konvertieren mithören. jegliche Kompressorfunktionen sollten beim reinen Konvertieren natürlich abgeschaltet werden.
Unter der unscheinbaren bis hässlichen Oberfläche von DynamiX verbirgt sich ein erstaunlich professionelles Werkzeug, das wohl jeden Musikproduzenten und Musiker interessieren sollte. Entsprechende Konkurrenzprodukte auf Mac und PC sind häufig ein paar Hundert Euro „schwer“, weshalb der Falcon einmal mehr als Geheimtipp im professionellen Audio-Produktionsprozess gelten kann. Auch Hobbymusiker, die sich auf den größtenteils theoretischen Einstieg in das Programm einlassen, werden mit etwas Geduld erstaunliche Ergebnisse erzielen, die bei zunehmender Übung den Unterschied zu professionellen Produktionen aus teuren Studios hörbar schmelzen lassen. Wer HD-Recording auf dem Falcon, sollte sich DynamiX keinesfalls entgehen lassen.
Preis: Freeware www.fgmedia.de/Dynamix/dynamix.html