Interface war jahrelang das Tool No. 1, wenn es um das Design von Ressource-Dateien ging. Atari-Anwender mit Internet-Zugang können das Programm nun frei herunterladen.
Höchstwahrscheinlich werden sich viele Leser an den Resource-Editor namens Interface erinnern. Dieses Programm war jahrelang die Referenz in Sachen Konstruktion von GEM-Oberflächen auf dem Atari. Bis zum Erscheinen von ASHs ResourceMaster 3.0 im Jahre 1998 war Interface - trotz mangelnder Weiterentwicklung seit 1994 - das wohl meistgenutzte Programmiererwerkzeug seiner Art. Seit Anfang dieses Jahres ist das Programm für alle kostenlos erhältlich. Wir wollen an dieser Stelle jedoch darauf hinweisen, dass diese "öffentliche" Version lizenziert ist und nur von der betreffenden Homepage [1] heruntergeladen werden darf. Sie finden Interface also nicht auf CDs oder Shareware-Dis-ketten. Trotzdem ist die Möglichkeit des freien Herunterladens aus dem Internet ein Grund für uns, Interface noch einmal vorzustellen.
Startet man Interface zum allerersten Mal, so mag der grüne Programm-Desktop manchen modernen Atari-User ein wenig schockieren, doch dieser lässt sich zum Glück über Umwege abschalten. Ist dieses aus SingleTOS-Zeiten rege benutztes Feature aus dem Weg geschafft, so präsentiert sich ein durchaus modernes Programm dem Atarianer des 3. Jahrtausend. Historisch bedingt kann das Programm leider nicht mit langen Dateinamen und anderen Modernisierungen wie proportionalen Systemfonts umgehen, doch wenn man von diesen Punkten absieht, muss man eingestehen, dass Interface im Jahre 1994 seiner Zeit fast voraus wahr.
Das Programm stellt alle Dialoge in Fenstern dar und bietet eine MagiC-ähnliche 3D-Oberfläche, die intuitiv bedienbar ist und aufgeräumt wirkt. Da zu beinahe jedem Dialog ein Hilfsfenster aufgerufen werden kann, wird man das fehlende Handbuch kaum vermissen.
Interface ist ein kompletter Ressource-Editor, der fast keine Wünsche übrig lässt, was die Bearbeitung von Objekten, Bildern, Piktogrammen und Alerts betrifft. Erfreulicherweise lassen sich alle Objekt-States und Flags bearbeiten, sodass problemlos erweiterte Objekte wie sie MagiC und N.AES anbieten erstellt werden können.
Der Iconeditor - der übrigens hervorragend mit Farbicons umgehen kann - ist ein weiteres Highlight, das dieses Programm auszeichnet. Neben den üblichen Zeichenfunktionen können Piktogramme im IMC-Format abgespeichert werden, andererseits kann Interface direkt Windows-Icons importieren. Für das direkte Einbinden in den Programmcode können Ressourcen als C-Quelltext exportiert werden, Konstantendefinitionen können für die Programmiersprachen C, Pascal, GFA-Basic und Modula2 ausgegeben werden.
Interface bietet einige Funktionen, die in keinem anderen Editor zu finden sind. Wir wollen an dieser Stelle diese Besonderheiten etwas genauer betrachten. Zum einen sind uns die Such-Funktionen aufgefallen. Nach Eingabe eines Suchbegriffs - sogar Wildcards sind erlaubt - sucht das Programm alle Objekte (Buttons, Textobjekte usw.) einer Ressourcedatei nach dem Vorkommen des Textes durch und zeigt passende Objekte an, indem sie kurz blinkend hervorgehoben werden. Man kann aber nicht nur nach Texten in Objekten sondern auch deren Bezeichnungen (Labels) suchen, was sich beim Umgang mit umfangreichen Ressource-Dateien als ziemlich praktisch erweist.
Ein anderes Feature ist der Ressourcevergleich. Hiermit lassen sich 2 beliebige Ressourcen nach Unterschieden untersuchen. Bevor Interface die Vergleichsaktion startet, kann der Benutzer wählen, nach welchen Kriterien die Ressourcen verglichen werden sollen. Zur Auswahl stehen mehr als 10 Aspekte wie z.B. Objekt-Grösse, Text, Position, Anzahl usw. Das Programm geht Baum für Baum und Objekt für Objekt durch die ganze Ressourcedatei und zeigt die Unterschiede wenn möglich auch visuell dar. Besonders praktisch ist diese Funktion, wenn man verschiedene Sprachversionen eines Programms pflegen muss.
Die dritte Spezialität ist die Möglichkeit, mehreren Objekten gleichzeitig bestimmte "States" oder "Flags" zu setzen. Dazu müssen alle Objekte eines Baumes selektiert werden, die gemeinsam bearbeitet werden sollen. Dann lässt sich der betreffende Dialog öffnen, wo der Benutzer bestimmen kann, welche Flags global gesetzt werden sollen. Ein Anwendungsbeispiel wäre z.B. das Setzen der 3D-Flags für bestimmte Objekte. Statt nun für jedes Objekt die Flags einzeln bearbeiten zu müssen, genügt es mit dieser Methode, alle Objekte anzuwählen und dann die gewünschten Flags anzukreuzen. Interface überträgt dann die Einstellungen auf alle Objekte.
An der eigentlichen Funktionalität ist das "Alter" des Programms nicht zu erkennen. Vielmehr treten Probleme beim Zusammenspiel mit modernen Umgebungen auf, sei es das Betriebssystem oder der Desktop. Das erste Manko ist die fehlende Unterstützung von langen Dateinamen. Hinzu kommt, dass RSC-Dateien, die einen klein geschriebenen Namen haben, nicht richtig erkannt werden, wenn sie über VA_START geöffnet werden (z.B. durch das Ziehen einer RSC-Datei auf das Inter-face-lcon). Arbeitet man aber ausschließlich mit Interface, so tritt dieses Problem nicht auf, da Interface Dateien groß geschrieben speichert.
Ein anderes Problem tritt bei der Verwendung von proportionalen Systemfonts auf. Gibt man aber im Desktop an, dass Interface keine solchen Fonts unterstützt, so sind Darstellungsfehler nur noch an wenigen Stellen sichtbar.
Weitere Probleme sind uns aber nicht aufgefallen; das Programm läuft ansonsten sehr stabil unter allen TOS-kompatiblen Betriebssystem, sei es unter MagiC, N.AES oder diversen Emulatoren.
Interface vs. RSM
Man kann sich nun berechtigterweise fragen, ob sich die Anschaffung des kommerziellen Ressource-Editors ResourceMaster aus dem Hause ASH immer noch lohnt, da mit Interface nun ein exzellentes Programm umsonst erhältlich ist. Für die Pflege von mehrsprachigen Resourcen wird die Wahl wohl eindeutig auf RSM fallen, für weniger umfangreiche Verwendungszwecke muss wohl der Benutzer selber entscheiden, ob der Nullpreis gleich viel Wert wie Support, Weiterentwicklung und Unterstützung von modernen Systemfunktionen hat. Es lohnt sich aber für alle, die Interface noch nicht kennen, sich das Programm anzuschauen.
[1] hadley.de