Joachim Fornallaz hat sich den Telnet Client No. 1 für den Atari genauer angesehen.
Das Internet wird von manchen Benutzern mit dem World Wide Web gleichgesetzt, obwohl das Netz weit mehr Dienste bietet als nur Websites und eMails. Telnet ist eines der ältesten Protokolle im Internet, mit dem sich entfernte Rechner und auch Webserver im Textmodus "fernsteuern" lassen. Die über Telnet angesprochenen Maschinen haben meist ein auf UNIX basierendes Betriebssystem, das die gleichzeitige Nutzung einer Station durch verschiedene Benutzer erlaubt. Ein entsprechend eingerichtetes MiNT-System kann natürlich auch als Telnet-Server benutzt werden. Im Gegensatz zum WWW erfordert eine Telnet Sitzung meistens eine Zugangsberechtigung zu einem UNIX-System, es gibt aber auch einige Informations- oder Spieleserver, die Gastzugänge erlauben.
Das Telnet-Protokoll dient hauptsächlich zur Übertragung von Text mit Steuerzeichen. Der eingesetzte Telnet-Client emuliert dann einen bestimmten Terminal-Typ, wie VT52 oder VT100. Eine Terminal-Emulation ist notig, damit die Steuerzeichen interpretiert werden können, die vor allem die Textausgabe bzw. dessen Formatierung beinflussen. Einfache UNIX-Kommandos wie z.B. ls oder less benötigen nur ein einfaches Terminal, textbasierte E-Mail-Clients wie Pine oder Mutt bzw. der Webbrowser Lynx setzen hingegen ein reichhaltigeres System wie z.B. VT100 voraus.
Teli ist ein hochmodernes Programm, das aber auch diverse Systemkomponenten voraussetzt, wie das Betriebssystem MagiC 4.5, NVDI 3, KEYTAB und eine Internet-Zugangssoftware (entweder IConnect oder Draconis). Die Voraussetzung der Nutzung von MagiC liegt daran, dass Teli die MagiC-eigenen Threads nutzt, die noch unter keinem anderen System vorhanden sind. Würde z.B. N.AES diese Funktionen unterstützen, so würde Teli auch unter diesem System funktionieren.
Im Lieferumfang von Teli sind diverse Systemtools enthalten, die die Arbeit mit Teli vereinfachen bzw. ermöglichen: BubbleGEM, KEYTAB, Colors, DragFont und ST-Guide. Alle diese Komponenten und Teli lassen sich bequem mit GEM-Setup installieren. Teli liegt zudem in 4 verschiedenen Sprachen vor: Der Anwender kann bei der Installation zwischen Deutsch, Englisch, Französisch und Schwedisch auswählen.
Eine Telnet-Applikation zeichnet sich einerseits durch die eingebaute Terminal-Emulation aus. Teli unterstützt derzeit VT52, VT100 und NVT. Diese Protokolle genügen, damit alle gängigen UNIX-Applikationen unter Teli einwandfrei funktionieren. Auch Farbinformationen werden korrekt interpretiert. Eine wichtige Funktion vieler Internetanwendungen ist die Hotlist, eine Sammlung der meistbenutzten Serveradressen. Teli ist in dieser Hinsicht sehr ausgereift und bietet die Möglichkeit, zu jeder Adresse noch individuelle Einstellungen wie Terminal-Typ, Zeichensatz, usw. festzuhalten. Teli unterstützt Blockselektion für das Telnetfenster, damit Textabschnitte ins Klemmbrett kopiert werden können - der umgekehrte Weg funktioniert übrigens auch.
Will man sich bei einem Server einloggen, so hat man die Möglichkeit entweder einen Eintrag aus der Hotlist auszuwählen oder eine URL neu einzugeben. Für "neue" Telnet-Sitzungen können Standardwerte für die diverse Parameter gesetzt werden, der Benutzer kann aber vor dem Verbinden diese Einstellungen kurzfristig noch ändern. Wählt man einen Eintrag aus der Hotlist, so werden die Einstellungen des Hotlisteintrags übernommen. Steht eine Telnet-Sitzung bereits, so kann man nachträglich diverse Parameter ändern, die auf Wunsch dem Server mitgeteilt werden können. So lässt sich z.B. bei laufendem Betrieb die Terminalgrösse einer Sitzung ändern und entsprechende Applikationen passen sich an die neue Größe an.
Teli unterstützt momentan nur das normale, unverschlüsselte Telnet-Protokoll. Wünschenswert wäre eine Unterstützung von SSH, damit Telnet-Sitzungen auch verschlüsselt stattfinden können.
Teli nutzt Systemfunktionen und Hilfsprogramme optimal aus. Neben einer kontextsensitiven Hypertexthilfe im ST-Guide-Format unterstützt Teli auch die Sprechblasenhilfe BubbleGEM. Die Dialoge sind übersichtlich gestaltet, die Eingabefelder unterstützen sogar Drag&Drop. Alternativ zur eingebauten Farb- und Fontauswahl können Farben und Zeichensätze über Drag&Drop mit Hilfe von DragFont bzw. Colors eingestellt werden. Beide Hilfsprogramme werden übrigens mitgeliefert.
In der IConnect-Version lässt sich die Internetverbindung automatisch erstellen und nach beendeter Telnet-Sitzung auch wieder abbrechen. Unter Draconis funktioniert dieses Verfahren leider nicht. Als eines der wenigen Atari-Programme kann Teli eine automatische Aktualisierung durchführen. Teli erstellt eine Verbindung zum Server des Autors und lädt - falls eine neue Version erschienen ist - die aktualisierte Fassung auf den heimischen Rechner, die sich auf Wunsch gleich installieren lässt. Da Updates zu Teli ziemlich regelmäßig erscheinen, ist diese Funktion sehr willkommen.
Mit Teli steht dem Anwender eine sehr ausgereifte Telnet-Applikation gegenüber, die fast keine Wünsche mehr offen lässt. Personen, die nur selten einen Telnet-Client benötigen, mag T2 (im CAB-Paket enthalten) oder DR-Telnet (Draconis) möglicherweise genügen. Sobald man sich aber häufiger auf entfernten Rechnern einloggen möchte und auch auf eine fast vollständige VT100-Emulation angewiesen ist, so ist Teli die einzige und beste Wahl unter MagiC. Die Shareware-Gebühr von DM 30.- ist das Programm durchaus wert.
Jürgen Koneczny, http://home.ewr-online.de/~gstoll/