N.AES 2.0 - Das bessere MultiTOS

Wer Multitasking auf dem Atari sagt, meint zumeist MagiC. Dabei war das "magische" Produkt aus dem Hause ASH bei weitem nicht der erste Versuch, auf den Rechnern aus Sunnyvale mehrere Programme parallel laufen zu lassen. Niemand geringeres als Atari selbst schickte sich nämlich Anfang der 90er Jahre an, seinen damaligen Wunderrechner Falcon mit einem multitaskingfähigen Betriebssystem auszustatten. So heiß es auch von der Mehrzahl der Anwender erwartet wurde, so groß war später die Enttäuschung: MultiTOS erwies sich als relativ langsam und setzte daher mindestens einen Falcon oder TT voraus. Wer sich trotzdem nicht scheute, das Multitasking-TOS auch auf einem ST oder STE zu betreiben, wurde mit häufigen Abstürzen "belohnt", da diesen "kleinen" Rechnern die MMU fehlte, die das Betriebssystem für seinen Speicherschutz brauchte. Zwar wurde MultiTOS später von der deutschen Entwicklerfirma Compo durchaus in vielen Punkten noch verbessert, jedoch konnte es sich nie am Markt durchsetzen. Versionen, die für Projekte wie den Falcon 040 oder die Atari Microbox vorgesehen waren, versanken still und klammheimlich wieder in den Entwicklungslabors von Atari.

Auf den ersten Blick ein modernes System: N.AES 2.0 wird standardmäßig mit dem komfortablen Desktop THING ausgeliefert. Dessen Icons sind zum großen Teil dem BeOS entliehen. Am oberen Bildrand sind einige ikonifizierte Applikationen eingetragen, am unteren Bildrand verläuft die Taskleiste MultiStrip.

Mitte der 90er Jahre wollten Entwickler und Anwender nicht länger warten und verlangten nach einem multitaskingfähigen Betriebssystem, auch wenn dieses nicht vom Mutterunternehmen kommen würde. Diese Situation erschuf mehrere Ergebnisse, von denen MagiC sicher schon deshalb das bekannteste und verbreitetste ist, da es in Emulationen auch auf dem Apple Macintosh und dem PC läuft. Einige amerikanische Anwender bevorzugen dagegen Geneva, das sich in Deutschland allerdings nie nachhaltig durchzusetzen vermochte.

Eines besonders auf schnellen Rechnern hohen Beliebtheitsgrads erfreut sich jedoch N.AES, das bei seiner Präsentation als das "schnelle MultiTOS" vorgestellt wurde - und das nicht zu Unrecht. Spätestens durch die Wahl von N.AES als vorinstalliertes Standard-Betriebssystem für den Milan 040 setzte es sich auf dem Atari-Markt als ernstzunehmende Alternative zu MagiC durch.

Die Theorie

Obwohl Atari an der Umsetzung weitestgehend scheiterte, war die Theorie des MultiTOS durchaus fortschrittlich: Der Hauptpunkt war sicherlich die Unterteilung des Betriebssystems in das (schon bekannte) AES und die Betriebssystemerweiterung MiNT (MiNT is no TOS). Grundsätzlich besteht das Atari-Betriebssystem aus vier Elementen: dem GEM-DOS, dem BIOS, dem AES und dem VDI. Das AES bildet dabei die Schnittstelle zum Anwender und ist somit z.B. zuständig für die Darstellung von Fenstern und der Menüzeilen, aber auch für die Auswertung von Maus- und Tastatureingaben. Das AES im originalen TOS hat den Nachteil, dass es immer nur Informationen einer einzigen Hauptanwendung darstellen bzw. auswerten kann. Genau wie MultiTOS stellt N.AES also ein komplett neues AES-System dar, ist aber für sich allein streng genommen noch kein eigenständiges Betriebssystem. N.AES ist übrigens kompatibel zum AES 4.1 von Atari, das auch im Falcon zum Einsatz kommt und unter anderem Farbicons, beliebig viele Fenster, 3D-Darstellungen von Fensterelementen und einen wählbaren Systemfont bietet.

MiNT - kein TOS

Um N.AES zu einem vollständigen Betriebssystem zu machen, ist in erster Linie ein multitaskingfähiger Kernel nötig. Ein Kernel ist für die grundlegendsten Operationen innerhalb eines Systems zuständig, also z.B. für die Verwaltung des Speichers und der Datenträger. Wie der oben ausgeschriebene Name jedoch andeutet, stellt MiNT keinen vollständigen Ersatz des TOS dar, weshalb es nach wie vor ein Original-Betriebssystem im ROM (bzw. bei einer Emulation ein TOS-Image) voraussetzt, da z.B. einige Zugriffe auf das Dateisystem weiterhin vom TOS durchgeführt werden. MiNT erweitert das Original-TOS also um einen multitaskingfähigen Kernel, so dass alternative Dateisysteme eingesetzt und vor allem mehrere Programme nebeneinander betrieben werden können. Dabei wird auf die Methode des präemptiven Multitaskings zurückgegriffen: Hier wird den laufenden Applikationen die Kontrolle über die Nutzung der CPU übertragen, was den Vorteil vielseitiger Kontrollmöglichkeiten über die einzelnen Anwendungen mit sich bringt. Auch MagiC verwendet übrigens präemptives Multitasking, stellt aber ein komplettes Betriebssystem dar, weshalb es auch über Umwege in ein ROM gebrannt werden kann und so das originale TOS ersetzt. Geneva ist hingegen ein Betriebssystem, das wie z.B. auch Windows kooperatives Multitasking bereitstellt.

N.AES hat sich in den letzten Jahren eine treue Anhängerschar erarbeiten können, die vor allem die hohe Flexibilität durch den oben beschriebenen Ansatz schätzen. Seit einigen Monaten ist nun auch endlich die Version 2.0 erhältlich.

Vorteil MiNT

Manch ein Leser mag sich nun fragen, weshalb die Unterteilung von MiNT und dem restlichen Betriebssystem überhaupt erwähnenswert ist, da der typische Anwender doch sowieso nichts davon merkt. Der MiNT-Ansatz bietet jedoch eine Vielzahl von Vorteilen, von denen vornehmlich auch die Anwender profitieren: In erster Linie wäre hier die Kompatibilität zu nennen. Die Anpassung anderer Betriebssysteme (wie z. B. TOS und MagiC) an neue Hardware dauert immer vergleichsweise lange. N.AES läuft dagegen in erster Linie deshalb schon lange auf allen erhältlichen Atari-Clones, da es sich bei diesem AES eigentlich um dokumentierte Betriebssystem-Aufrufe handelt, die unabhängig der zugrundeliegenden Hardware arbeiten. Wichtig ist nur, dass der MiNT-Kernel auf die entsprechende Plattform angepasst wurde - ein Aufwand, der im Vergleich zu anderen Systemen relativ klein ist und der durch die Linux-Philosophie der MiNT-Gemeinde noch unterstützt wird.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Device-Treiber für die Schnittstellen nachladbar sind. Durch die Nähe von MiNT zu UNIX (und damit Linux) sind sehr viele Treiber recht einfach zu portieren. Darüber hinaus ist N.AES im Gegensatz zu MagiC über das MiNTnet mit anderen Rechnern vernetzbar.

Lieferumfang

N.AES 2.0 wird auf CD-ROM ausgeliefert, womit wohl mittlerweile den allermeisten Anwendern Genüge getan wird. Wer allerdings nach wie vor kein CD-ROM-Laufwerk an seinem Atari betreibt, kann auch auf eine alternative Version zurückgreifen, die auf mehreren DD-Disketten geliefert wird. Auf der CD sind neben dem eigentlichen N.AES 2.0 und der aktuellen MiNT-Distribution eine neue Version des speziell an N.AES angepassten Desktops THING (N.THING) sowie eine Sammlung von Programmen und Tools enthalten, die das System für seine Arbeit benötigt oder die die Arbeit noch effektiver machen.

Für den Betrieb von N.AES 2.0 wird ein Atari-Rechner (ST, STE, TT oder Falcon) vorausgesetzt. Alternativ kann natürlich auch ein kompatibler Rechner eingesetzt werden - unterstützt werden Medusa, Hades (040 und 060), Milan und laut der Anleitung sogar die Atari Transputer Workstation (ATW) - ich hoffe, Sie erwarten nicht von uns, dass wir den letzten Punkt nachprüfen. Wie erwähnt, ersetzt die Kombination aus N.AES und MiNT das originale Atari-Betriebssystem nicht vollständig, weshalb ein TOS ab der Version 1.04 vorausgesetzt wird. Wenn Sie bereits einen MiNT-Kernel installiert haben, sollte dieser mindestens die Versionsnummer 1.08 tragen - es ist jedoch empfehlenswert, den auf der CD enthaltenen aktuellen Kernel zu installieren (bei unserer Testversion wurde MiNT 1.15.5 vom 16. November 1999 mitgeliefert). Wichtig ist außerdem, dass Ihr Rechner mit ausreichend RAM ausgestattet ist: Zwar sollte N.AES auch auf relativ kleinen Systemen mit 2 MB Arbeitsspeicher seinen Dienst tun, wer jedoch sinnvoll mit mehreren parallel laufenden Applikationen arbeiten möchte, sollte Speichergrößen ab 4 MB aufwärts in Erwägung ziehen. Unser Testrechner war übrigens ein Hades 040 mit 16 MB RAM. Mit einem komplett laufenden N.AES-System inklusive Desktop, ACCs, NVDI 5 und einigen Zusatzprogrammen waren noch ungefähr 10 MB des Arbeitsspeichers für Applikationen frei - ein für die heutige Zeit durchaus akzeptabler Wert.

Installation

Seit einiger Zeit propagieren wir von der st-computer den Einsatz von GEMSetup als Standard-Installer auf Atari-Systemen. Mit N.AES macht nun (z. B. nach Calamus) ein weiterer "Major-Player" des Marktes von dieser Möglichkeit Gebrauch. Der Anwender kann, bei der Installation zwischen verschiedenen Sprachen wählen, den Zielpfad festlegen (in den meisten Fällen also Partition C:) und die für den eigenen Rechner passende Distribution bestimmen. Sind Sie also Besitzer eines Hades oder Milan, brauchen Sie nach der Installation nicht die für Ihren Prozessor passende MiNT-Version per Hand zu kopieren, sondern können dies automatisch von GEMSetup durchführen lassen - komfortabler geht es kaum. Sie sollten aber in jedem Fall vor der Installation noch einmal den kleinen Pfeil links von dem für Sie passenden Eintrag anklicken: Nun öffnet sich ein Menü, in dem die jeweilige Installation noch im Detail bestimmt werden kann. Wenn Sie z.B. planen, jinnee als Standard-Desktop zu verwenden, brauchen Sie N.THING erst gar nicht installieren lassen. Achten Sie übrigens darauf, dass sich die Konfiguration für den Hades 040/060 und den Milan 040 voneinander unterscheiden - Kompatibler ist also nicht gleich Kompatibler!

Da N.AES 2.0 auf CD-ROM ausgeliefert wird, täuscht übrigens etwas. Während z.B. Windows fast eine komplette Partition für sich beansprucht, hält sich N.AES an den Atari-Grundsatz, dass schlanke Applikationen grundsätzlich eleganter sind: Die Komplettinstallation benötigt gerade einmal knapp 5 MB auf der Bootpartition und ist damit als äusserst sparsam zu bezeichnen.

Sie brauchen sich übrigens keine Gedanken darüber zu machen, dass der Installationsprozess eine bereits bestehende N.AES-Konfiguration komplett verändert: GEMSetup meldet jedesmal brav, wenn eine Datei bereits vorhanden ist. Der Anwender kann sich dann immer noch entscheiden, ob z.B. eine bestehende Konfigurationsdatei erhalten oder umbenannt werden soll. Da die Version 2.0 einige Neuerungen bereithält, ist aber eine komplette Neuinstallation empfehlenswert. Da wir zu den hartgesotteneren Zeitgenossen gehören, haben wir kurzerhand alle alten Dateien überschreiben lassen und keine gravierenden Probleme feststellen können. Natürlich fuhr der Rechner nun mit N.THING als Standard-Desktop hoch (vorher war jinnee installiert), da es sich aber um eine neue Version des Programms handelte, war es interessant, von neuem dessen Leistungsfähigkeit mit jinnee zu vergleichen.

Der erste Eindruck. Unser Testrechner lief vor N.AES 2.0 mit der Version 1.1.6 des Multitasking-Betriebssystems. Im Vergleich zu dieser Version fiel auf den ersten Blick auf, dass die Fenster ein neues Aussehen verpasst bekommen und nun den typischen MultiTOS-Look, der vielen Leuten etwas klobig anmutete, hinter sich gelassen haben. Wer bereits unter MagiC gearbeitet hat oder dieses System alternativ auf seinem Atari nutzt, wird den neuen Look sofort mit dem Betriebssystem aus dem Hause ASH assoziieren. Wer etwas genauer hinschaut, wird aber merken, dass sich das Team um Rainer Mannigel, Jens Hierscher und Konstantin Woller etwas weniger am heutigen MacOS-Look orientiert hat, als das bei MagiC der Fall war: Die Bedienungselemente der Fenster haben nach wie vor ihren eigenen Look.

Zumindest subjektiv hat sich die komplette Überarbeitung der Fensterroutinen auch positiv auf die Geschwindigkeit ausgewirkt: Das Öffnen und Schliessen der Fenster scheint noch etwas schneller vonstatten zu gehen als bei den Vorgängerversionen. Dies trifft meiner Ansicht nach auch auf die Echtzeit-Verschiebung der Fenster zu.

Fensterln

Bleiben wir gleich beim Thema Fenster: MagiC hat nicht zuletzt deshalb soviele Freunde, weil das äußere Erscheinungsbild hochgradig individualisierbar ist. Erreicht wird dies, indem für die Fenster verschiedene Ressourcedateien festgelegt werden können, deren Inhalte das Aussehen der Fensterelemente bestimmen. Auch N.AES kann seit der Version 2.0 nun mit dieser Möglichkeit glänzen. Der Anwender ist also nicht auf das oben erwähnte MagiC-ähnliche Erscheinungsbild angewiesen, sondern kann zwischen den angebotenen Alternativen wählen bzw. eigene Piktogramme für den Fensterobjektbaum entwickeln. Inklusive des Standard-Looks werden bereits acht verschiedene Konfigurationen mitgeliefert. Allerdings sollte man bei Woller Computer überlegen, zu jeder Konfiguration einen Beispiel-Screenshot hinzuzulegen, damit der Anwender sich schon vorab für einen Look entscheiden kann, ohne alle mühsam durchzuprobieren.

Zum Verändern des Fensteraussehens ist bisher nach wie vor das Editieren der Datei N_AES.CNF notwendig, auf die wir später noch zu sprechen kommen. Schon an dieser Stelle sei aber eine kleinen Enttäuschung erwähnt: Das Programm N_Tool liegt der 2.0-Distribution noch nicht bei, weshalb zum Verändern der Konfigurationsdatei nach wie vor ein Texteditor ran muss.

Desktops

Obwohl ein Desktop - also die mit der Maus zu bedienende Benutzerschnittstelle - streng genommen ein eigenes Programm darstellt, stellt es für viele Anwendern das wahrnehmbare Erscheinungsbild eines Betriebssystems dar. Im Gegensatz zu MagiC oder dem guten alten TOS beinhaltet N.AES nur die Minimalversion eines eigenen Desktops. Dieser N.Desk tritt nur dann in Erscheinung, wenn der ansonsten genutzte Desktop entweder beendet oder beim Start nicht gefunden werden konnte. Bei einer Standardinstallation wird außerdem N.THING als Standarddesktop festgelegt, allerdings arbeitet N.AES problemlos auch mit anderen Alternativen zusammen: In der Konfigurationsdatei (also muss auch hier wieder selbst Hand angelegt werden) sind die wahrscheinlichsten Pfade für verschiedene Programme bereits eingetragen, sogar so seltene Paradiesvögel wie der NoDesk oder der Teradesk finden sich hier. Natürlich kann auch jinnee mit N.AES zusammenarbeiten, allerdings kam es bei der Benutzung der Version 1.0 des Vorzeige-Desktops zu einigen Redraw-Problemen. Woller empfiehlt außerdem, bei der Verwendung von jinnee die Autostart-Applikation Copsload beim Hochfahren zu laden, um so Problemen beim Laden der Icons aus dem Weg zu gehen. Wir hatten allerdings auch ohne Copsload keine Probleme.

N.THING ist im Grunde eine an die Möglichkeiten von N.AES angepasste THING-Variante. Mit N.AES 2.0 wird derzeit die aktuelle Version 1.27b vom 2.11.1999 ausgeliefert. N.THING unterstützt u.a. lange Dateinamen und erweiterte Zugriffrechte des MiNT-Systems.

Zur Zeit ist jinnee mit Sicherheit der beliebteste Desktop auf allen Atari-Betriebssystemen. Aber auch Anwender, die ansonsten unter diesem Desktop von ASH arbeiten, sollten sich die mitgelieferte Version von N.THING auf jeden Fall einmal näher anschauen. "Ich persönlich habe vorher ebenfalls vornehmlich unter jinnee gearbeitet (vor jinnee nutzte ich Gemini), und so kam es unter N.AES 2.0 zum ersten wirklichen Kontakt mit einem aktuellen THING-Desktop, der mich nachhaltig überzeugen konnte. Die Oberfläche wirkt äußerst aufgeräumt und die Funktionalität ist ähnlich hoch wie bei jinnee (THING ist übrigens auch schon ein paar Jahre länger auf dem Markt). Die Konfigurationsmöglichkeiten sind äußerst vielfältig. Der Voreinstellungsdialog bedient sich für verschiedene Untergruppen moderner Karteireiter und wirkt damit sogar noch etwas übersichtlicher als jinnee. Wie bei modernen Oberflächen üblich, kann der Desktop mit einem Hintergrundbild verziert werden. Fenster können scheinbar jedoch nicht mit eigenen Mustern versehen werden, nicht einmal die Hintergrundfarbe kann verändert werden. In den Fenstern vorhanden ist jedoch ein Pfeilbutton, der das komfortable Öffnen des nächst höheren Verzeichnisses ermöglicht. Gelungen ist auch die Zuordnung von Piktogrammen. Ein Doppelklick auf eine Abbildung in der Icon-Verwaltung öffnet ein Fenster, in dem das jeweiligen Bildchen einem Programm zugeordnet werden kann.

Da N.THING als AV-Server agiert, sind auch unter N.AES alle bekannten Möglichkeiten der Interprozess-Kommunikation möglich. Auch OLGA kann genutzt werden. Darüber hinaus stellt THING auch für N.AES einen leistungsfähigen Fontselektor bereit, der ähnlich wie das Äquivalent unter MagiC zu nutzen ist.

THING und N.AES werden durch eine Reihe von Programmen ergänzt, die teilweise in neuen Versionen vorliegen. Dazu gehört in erster Linie die Dateiauswahlbox N.Fsel, die in einem eigenen Fenster agiert, lange Dateinamen unterstützt und auch per Tastatur bedienbar ist. Im Aussehen orientiert sich das Tool im Groben und Ganzen an den von Atari gewohnten Auswahlboxen. Das Programm liegt nach wie vor der Version 1.0 vom Frühjahr 1996 bei, was darauf schließen lässt, das N.Fsel nicht "mehr weiterentwickelt wird. Trotzdem lässt sich mit dem Programm noch recht gut leben, obwohl eventuell Tools wie Boxkite vorzuziehen sind.

Windows 95 mag seine Macken haben, jedoch hat es für die Einführung der Taskleisten auf nahezu allen Systemen gesorgt. Auch N.AES liegt mit MultiStrip ein Vertreter dieser Gattung bei. Ausgeliefert wird die Version 1.5 vom Dezember letzten Jahres. Dieses neue Release wurde in einigen Details verbessert und einige Fehler berichtigt.

Nach wie vor gibt es auf dem Atari Programme, die über keine eigene Oberfläche verfügen - der MP3-Player FalcAMP ist ein Beispiel aus der jüngsten Zeit. Damit diese Programme ihre eventuellen Ausgaben nicht auf dem Desktop erledigen müssen, liegt N.AES das Tool TOSWIN2 bei, das die Ausgaben in ein eigenes Fenster umleitet. Auch dieses Programm liegt in einer "frischen" Version vor, die vom Dezember '99 stammt. Zu den wichtigsten Neuerungen zählt, dass TW2 nun die Standard-Terminals vt52 und vt100 nutzt und einige neue Funktionen enthält. Ebenso aktuell überholt wurde auch der Workspace-Manager TWSM/2, der für Übersichtlichkeit auf dem Bildschirm sorgt.

Lange Dateinamen

Dank des aktuellen MiNT-Kernels sind lange Dateinamen nun noch problemloser auch unter N.AES möglich. Unterstützt werden die File-Systeme VFAT, FAT32 und EXT2 (Linux). Allerdings ist die Einstellung von langen Dateinamen für die verschiedenen Partitionen leider nicht so einfach wie bei MagiC. Genügt bei letzterem Betriebssystem die Auswahl in einem kleinen Tool, muss unter N.AES in der Konfigurationsdatei MINT.CNF eine Variable gesetzt werden, mit der festgelegt wird, für welche Partitionen z.B. das VFAT-Dateisystem gelten soll. Auf Anfrage gab der Distributor Woller Systeme bekannt, dass hier noch nach einer besseren Lösung gesucht würde. Wer sich allerdings schon jetzt dazu entschließt, lange Dateinamen unter N.AES zu nutzen, sollte sich darüber im Klaren sein, dass entsprechend vermerkte Partitionen eventuell nicht ohne Probleme unter MagiC weiter nutzbar sind. Wer also z.B. VFAT einstellt, sollte N.AES auch als bevorzugtes Betriebssystem nutzen, um Datenverluste unter anderen Systemen zu vermeiden.

Konfiguration

Die oben geschilderte Problematik führt uns zurück zu einem Punkt, der weiter oben im Text schon einmal erwähnt wurde: Weite Teile des N.AES und des MiNT sind ausschließlich über deren Konfigurationsdateien mit einem Texteditor zu verändern. Lichtblicke gibt es jedoch allemal: Der Distribution liegt z.B. mit dem MiNT Setter ein aktuelles ACC bei, das eine Oberfläche für die Konfiguration des MiNT-Kernels ermöglicht. Außerdem ist mit N_Tool eine Oberfläche zum bequemen Verändern der N.AES.CNF-Datei geplant. Eigentlich sollte diese schon dem 2.0-Paket beiliegen, jedoch ist man sich unter den Entwicklern noch nicht ganz einig, welche der möglichen Umsetzungen man bevorzugt. Sobald das Tool allerdings fertig ist, wird es für Besitzer von N.AES 2.0 kostenlos von der Homepage von Woller Systeme herunterladbar sein.

Und sonst? Auch unter der Oberfläche hat sich N.AES weiterentwickelt und einige AES-Funktionen, die bisher nur unter MagiC verfügbar waren, nachgereicht. Auch die Systemerweiterung WDIALOC ist nun nicht mehr erforderlich. Alles in allem laufen jetzt einige Programme etwas sicherer unter N.AES und bieten Zugriff auf Oberflächenfunktionen, die vorher gar nicht oder falsch dargestellt wurden. Programme, die explizit für MagiC entwickelt wurden (z. B. der E-Mail-Client ASH EMailer) laufen aber zumeist nach wie vor nicht unter N.AES - was jedoch nicht den Entwicklern des MultiTOS-Nachfolgers anzulasten ist.

Dokumentation

Dem uns gelieferten N.AES-Paket liegen mehrere Dokumentationen im ST-Guide-Format bei. Die Online-Hilfe zu N.AES selbst bietet z.B. recht ausführliche Informationen zum Verstehen der Konfigurationsdateien, der Installation und der Arbeit unter N.AES. Einige Teile (z.B. die Sammlung häufig gestellter Fragen) könnten jedoch weitaus umfangreicher sein. Auch der THING-Desktop und die beiliegenden Tools werden durch eigene Online-Hilfsdateien zumeist zufriedenstellend erklärt. Wer tiefer in das Thema MiNT einsteigen möchte, muss jedoch die auf der CD enthaltenen MiNT-Archive entpacken. Vielleicht sollte man überlegen, in Zukunft zumindest einen allgemeinen Führer durch die MiNT-Konfiguration automatisch mit zu installieren.

Woller Systeme plant für die Zukunft auch die Beilage eines kleinen Handbuchs, das unter anderem die Einstellung von VFAT-Dateisystemen erläutern soll und uns bereits für eine erste Durchsicht vorlag. Das Handbuch wird in ausgedruckter Form für einen Aufpreis von 10 DM erhältlich sein. Alternativ kann man es auch als Textdokument im Papyrus-Format von der Webseite von Woller herunterladen.

Wünschenswert wäre ausserdem das Betreiben einer eigenen Webseite für N.AES, da auf diese Weise gerade in einem relativ kleinen Markt wie diesem zusätzliche Informationen, Diskussionsforen und Tipps und Tricks geboten werden könnten.

Persönliches Fazit

Da ich MagiC auf meinem Falcon030 betreibe, habe ich stets den direkten Vergleich zum Mitbewerber um die Gunst der Atari-Anwender. Wie erwähnt, habe ich bisher N.AES 1.1.6 auf meinen Hades 040 betrieben, zog aber die Arbeit unter MagiC 6.x auf dem Falcon vor. Nach der Installation von N.AES 2.0 muss ich allerdings sagen, dass das Betriebssystem aus dem Hause Woller mit dem Konkurrenten von ASH nahezu gleichgezogen hat. Die nun attraktivere Oberfläche, die einfache Installation, die höhere Betriebssicherheit auch auf Clones und die bessere Arbeitsgeschwindigkeit machen es mehr und mehr zur Geschmacksfrage, welches Multitasking-Betriebssystem man auf dem Atari vorzieht. Auf einem Hades oder Milan besteht auch kein wesentlicher Geschwindigkeitsunterschied mehr.

Trotzdem gibt es ein paar objektive Kriterien, die bei einer Entscheidungsfindung helfen: Für MagiC spricht die Verfügbarkeit auf Mac und PC (STEmulator wird immer noch mit einer früheren N.AES-Version ausgeliefert). Auf kleinen Atari-Systemen ist MagiC etwas schneller. Für N.AES spricht die durch das innovative Konzept leichte Portierbarkeit auf alle zukünftigen und vorhandenen Atari-Systeme (z.B. läuft es auch ohne Patches problemlos auf exotischen Systemen wie einem Falcon mit Afterburner) und die Unterstützung von Netzwerken.

Wer also ein modernes Betriebssystem für einen gut ausgestatteten Atari oder Kompatiblen sucht, das zwar etwas umständlicher als MagiC zu konfigurieren, dadurch aber auch hochgradig flexibel ist, trifft mit N.AES 2.0 die richtige Wahl.

Literatur: N.AES 1.2 Version 1.2, STC 03/98, Seite 56
Preis: 129 DM
Update von Version 1.2: 69 DM
Testsystem: Hades 040, N.AES 2.0, NVDI 5.x, 16 MB RAM, Nova-Grafikkarte

Woller Systeme, www.woller.com


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 03 / 2000, Seite 28

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