Interview mit Manfred Lippert (jinnee)

Manfred Lippert hat mit seinem Desktop jinnee einen neuen Standard für Benutzerfreundlichkeit auf dem Atari geschaffen. Passend zu unserem Testbericht der aktuellen Version 2 stellte Bengy Collins ihm einige Fragen.

ST-Computer: Wie immer interessiert uns zuerst einmal Ihr Computersystem: Welche Computer besitzen Sie zur Zeit, welches System favorisieren Sie?

Manfred Lippert: Ich besitze einen Power Macintosh 7500 mit einem PPC-604eProzessor, der mit 200 MHz läuft und ein altes PowerBook 190 (68040/33). Der „Big Mac“ ist mein persönlicher Favorit, aber das Book ist toll, um unterwegs zu programmieren.

ST-Computer: Beides sind gute Maschinen für den Betrieb von MagiC. jinnee hat sich ziemlich schnell zu dem beliebtesten und leistungsfähigsten alternativen Desktop in der Geschichte des Atari entwickelt. Wie lange haben Sie an jinnee gearbeitet, bevor die erste Version veröffentlicht werden konnte? Was hat Sie dazu bewogen, einen weiteren Desktop zu entwickeln?

Lippert: Ich habe mit der Arbeit an jinnee im April 1996 begonnen. Zuerst schrieb ich das Programm einfach für den Eigenbedarf. Den wahren Grund für die Entwicklung von jinnee weiß ich eigentlich gar nicht - hauptsächlich war es aus Spaß an der Freud’. Vielleicht war ich einfach auch nicht zufrieden mit den anderen erhältlichen Desktops.

ST-Computer: Wo kommt der Name „jinnee“ überhaupt her? Steckt darin irgendeine Bedeutung?

Lippert: Anfangs habe ich meinen Desktop „Bump“ genannt, da ich eine Menge Funk-Musik höre (und mache). Meine Lieblingsband war damals eine Gruppe namens „Tower of Power“, sie hatten einen wirklich tollen Song namens „The Educated Bump“ auf einer ihrer CDs. Aber ich wollte einen anderen Namen für meinen Desktop, einen Namen, der anzeigt, dass das Programm dazu da ist, gemäß den Wünschen des Benutzers zu dienen - und genau das ist es, was ein „Dschinn“ oder eine „jinnee“ macht. Es handelt sich dabei um einen netten Geist, der manchmal in einer Lampe lebt - oder eben in einem Computer.

ST-Computer: Das ergibt Sinn und passt perfekt! Wie lange arbeiten Sie schon mit Atari-Computern? Wann haben Sie angefangen, unter TOS bzw. GEM zu entwickeln?

Lippert: Mein erster Computer war ein Atari. Ich habe ihn vor ungefähr 15 Jahren zu Weihnachten geschenkt bekommen. Ich habe nie andere Computer als Ataris und Macs besessen. Ich habe mit ST-BASIC angefangen zu programmieren, das ich bald durch GFA-BASIC ersetzte. Nach einer langen Zeit - es muss so um 1993 gewesen sein - probierte ich die Programmiersprache C aus, und ich fand sie sofort toll! Von da an entwickelte ich alle meine Programme in C und lernte eine Menge über GEM-Programmierung.

ST-Computer: Ich habe Zugang zu einer Menge Computer, die unter verschiedenen Betriebssystemen und Desktop-Shells laufen. Meiner Ansicht nach schlägt jinnee in puncto Leistungsfähigkeit und Benutzerfreundlichkeit sogar Produkte großer Entwicklungsfirmen. Ziehen Sie Ihren eigenen Desktop dem Apple Finder oder dem Desktop von Windows 98 vor?

Lippert: Mit Sicherheit.

ST-Computer: Es ist auch wirklich überlegen. Die Entwicklung eines Desktops, der so robust und sicher ist wie jinnee, zeugt wirklich von sehr guten Fähigkeiten. Haben Sie sich das Programmieren selbst beigebracht, oder lernten Sie es irgendwo?

Lippert: Ich habe mir fast mein ganzes Programmiererwissen selbst angeeignet.

ST-Computer: Das ist erstaunlich. Warum sind Sie der Atari-Plattform über all diese Jahre treu geblieben? Denken Sie, dass Sie den Atari auch in Zukunft weiter benutzen werden oder planen Sie, auf eines der anderen Betriebssysteme zu wechseln?

Lippert: Ich denke die Atari-Plattform ist ideal, wenn man Programme für den eigenen Bedarf entwickeln möchte. Es ist ein tolles und gleichzeitig einfaches System. Außerdem ist es sehr einfach, die Autoren anderer Programme zu kontaktieren. Auf anderen Plattformen hat man diese Möglichkeiten in der Regel nicht. Aber es dürfte klar sein, dass man auf dieser Basis nicht für alle Zeiten weitermachen kann, also schaue ich auch nach anderen Betriebssystemen aus. Das System, das ich für die Zukunft favorisiere, ist das MacOS.

ST-Computer: Um welche Features planen Sie, jinnee in Zukunft zu erweitern?

Lippert: Meine Liste der Dinge, die ich noch implementieren will, ist lang. Es hängt von meiner freien Zeit ab, wieviel ich von meinen Plänen umsetzen kann. Ich möchte z. B. den Kopier-Manager neu schreiben, damit mehr als eine Kopierfunktion auf einmal möglich wird. Interessant ist auch ein Interface für Module, die die Leistungen von jinnee erweitern können. Dazu könnte z. B. ein FTP-Client gehören, der es erlaubt, mit jinnee auf jedem FTP Server zu surfen; oder ein Packer-Modul, das es erlaubt, gepackte Dateien genauso zu behandeln wie normale Verzeichnisse.

ST-Computer: jinnee ist nicht das einzige Programm, das Sie für den Atari geschrieben haben: Könnten Sie uns kurz etwas zu den anderen Programmen sagen, die von Ihnen erhältlich sind?

Lippert: Ich habe zwei Spiele geschrieben: „Das verrückte Labyrinth“ und „Kensington“. Bei diesen Programmen habe ich meine ersten Erfahrungen in der Programmierung von GEM in C gesammelt. „Ratsch“ ist ein Tool, das das Abreißen von Menüs aus der Menüleiste ermöglicht. „Manitor“ ist dagegen ein System-Monitor, hilfreich für Programmierer. Mehr Informationen zu meinen Programmen können auf meiner Homepage unter http://www.mani.de gefunden werden.

ST-Computer: Warum nutzen Sie MagiC auf Ihrem Apple? Haben Sie das Gefühl, dass es dem MacOS und Windows überlegen ist?

Lippert: MagiC ist ein tolles System: Es ist modern, es ist schnell, es ist einfach zu programmieren, und es wird nach wie vor weiterentwickelt. In vielen Punkten ist es dem MacOS überlegen. In allen Punkten ist es Windows überlegen. Aber auch das MacOS hat einige Punkte, die meiner Ansicht nach besser als bei MagiC sind.

ST-Computer: War jinnee eigentlich von Anfang an als Ersatz fair den Desktop Ease gedacht, den ASH bis dahin für MagiC vertrieb?

Lippert: Nein, das war nicht das offizielle Ziel. Es war einfach mein Ziel, einen Desktop für mich selbst zu entwickeln. Der Grund dafür, dass jinnee Ease ersetzt hat, ist ganz einfach, dass Ease nicht mehr weiterentwickelt wurde.

ST-Computer: Auf was für Überraschungen können wir uns in Zukunft freuen? Vielleicht auf ein neuen Web Browser? Oder ist jinnee Ihr wichtigstes Projekt im Moment?

Lippert: Es wird sicher andere, neue Projekte geben. Sie verstehen sicher, dass ich noch nichts darüber sagen kann. Aber ich kann sagen, dass ich keinen neuen Web-Browser programmiere. Das ist der Job von Alexander Clauss, der CAB für den Atari und iCAB für MacOS geschrieben hat. Es ist bereits ein toller Browser, ich brauche keinen weiteren zu schreiben.

ST-Computer: Gibt es etwas, was Sie den Atari-Anwendern mitteilen möchten?

Manfred Lippert: Vielen Dank.

ST-Computer: Ich bin sicher, dass auch die Atari-Welt Ihnen dankt.

MagiC-Online Service
Das Original dieses Interviews findet sich auf der MagiC-Online-Homepage: <bengy.atari.org>
Die Übersetzung stammt von Thomas Raukamp

Der jinnee-Tip

Es kann vorkommen, dass das softwaremäßige Upgraden der Version 2.01 (von 1.02) nicht einfach aus dem Starten des Installations--Programmes besteht. So kann es bei einigen Systemen zum Crash führen, wenn Sie nach der Installation jinnee oder Jinicons starten. Die Fehlermeldung lautet dann „Programm gab zurück: 68000 Exeption (Fehler #-69)“.

Der Grund hierfür kann mit Home-Verzeichnis zusammenhängen. jinnee speichert seine Einstellungen im Horne Verzeichnis ab, sofern dieses vorhanden ist. Das Icon-Handling der Version 2 ist der Version 1 gegenüber jedoch geändert, da die Version 1.x nur ein Icon-Rsc-File verwalten kann, während die neue Version mehrere verwaltet. In der Datei Icons.lnf ist ein bestimmter Pfad vorgesehen, in dem die Icons abgelegt werden. In der Standard Einstellung ist es "ICONS". Liegt ein Home Verzeichnis vor, sucht jinnee die Icons in folgendem Pfad "HOME\ICONS" und nicht in "JINNEE\ICONS".

Die Lösung ist dann, entweder den Icon-Ordner in das Horne-Verzeichnis zu verschieben oder den vollständigen Pfad "C:\JINNEE\ICONS\ einzustellen.


Bengy Collins Thomas Raukamp (Übersetzung)
Aus: ST-Computer 10 / 1999, Seite 20

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