Draconis Internet Packet 1.5

Der einzig wirklich ernstzunehmende Konkurrent zu CAB erhält sein erstes großes Update.

Schon die 1.1-Version von Adamas hatte einen guten Eindruck hinterlassen und hielt im Grunde das, was man sich von WenSuite versprochen hatte. Besonders Internet-Software muss sich ständig weiterentwickeln, denn die großen Firmen wie Netscape treiben die Entwicklung ständig voran. Das Draconis Packet besteht aus dem Browser Light of Adamas, dem PPP-Vebindungsprogramm Draconis und dem Emailer Marathon. Neben diesen drei Programmen befinden sich noch HTML-Help 2.0, GEMJing und HS-Modem im Lieferumfang.
Grundlage des Tests ist Draconis 1.5 Patchlevel 2.

Konfiguration

Die Installation und Konfiguration erfolgt wie schon bei der Vorgängerversion erfreulich einfach. Der nächste Schritt wird sein, den Internet-Provider zu bestimmen, i.d.R. reicht dazu der Draconis Wizard. Mit "Weiter" und "Zurück" klickt man sich durch die verschiedenen Dialoge, um am Ende eine (hoffentlich) funktionsfähige Internet-Verbindung zu bekommen. Für etwas ausführlichere Konfigurationen gibt es natürlich auch ein Programm.

Provider-Auswahl

Die Anzahl der Provider ist schlichtweg erschlagend: über 40 Provider sind schon in der Datenbank vorhanden. Die Möglichkeit, daß der eigene Provider in dieser Liste auftaucht, ist ziemlich groß. Für Internet-Einsteiger empfehlen sich auch die sogenannten Internet-by-Call-Dienste: die neuen Telefon-Firmen bieten Internet-Zugänge an, bei denen die Telefonkosten schon enthalten sind. Wer einen Uni-Zugang hat, sollte jedoch bei dem bleiben, denn die Internet-by-Call-Dienste sind umgerechnet auf die Stunde nicht mehr sonderlich preiswert. Die Geschwindigkeit kann sich jedoch durchaus mit "normalen" Internet-Providern messen.

Start

Nach der Einwahl verkleinert sich das Fenster zu einer kleinen Uhr in der linken Bildschirmecke. Wer also genau mitrechnet, kann schon ungefähr abschätzen, wie hoch die Telefonrechnung diesmal wird. In dem Zusammenhang wären sicherlich auch Warnungen zur vollen Stunde eine gute Idee, denn ein kurzzeitiger Schreck während des Browsens ist sicherlich nichts gegen den Schreck, den eine überhöhte Telefonrechnung auslösen kann.

Die Draconis-Clients

Alle Draconis-Clients laufen z.Z. nur unter Draconis. Dies wird sich jedoch in nicht allzuferner Zukunft ändern, denn eine MiNTNet-Anpassung wird es bald geben. Das bedeutet, das Light of Adamas und die anderen Draconis-Clients unter MiNTNet laufen werden.

Light of Adamas

Der Browser ist sicherlich der am besten gelungene Teil des Draconis-Packets und wurde gründlich überarbeitet.

Oberfläche

Beim ersten Starten fallen schon die neuen Icons im Browser-Fenster auf. Dieses sehen nicht nur viel schöner aus als in der v1.1, sondern sind offensichtlich auch wohlgenährter, sprich: größer. Neu in der Leiste ist ein Icon zum Beenden des Browsers. Auch die Dialogboxen sehen wesentlich zeitgemäßer aus. So gibt es jetzt Check- und Radiobuttons im mittlerweile üblichen Mac-Design und Registerkarten, die den Optionen-Dialog übersichtlich halten.

Funktionen

Schön für interessante Internet-Seiten ist die Funktion "Seite speichern". Die Seite kann inkl. Bildern und Objekten abgespeichert werden, die Verweise werden auf Wunsch angepasst. Die übliche Hotlist heißt unter Adamas "Favoriten" und wird in einem normalen Dialog angezeigt. Trotzdem kann man sie vom Komfort mit der CAB-Hotlist vergleichen, so ist das Verwalten und Sortieren von Lesezeichen kein Problem. Abgespeichert werden die Favoriten in einem Adamas-eigenen Format, was nicht mehr zeitgemäß ist. Selbst Microsofts Internet Explorer speichert seine Lesezeichen mittlerweile im HTML-Format ab. Die Zeichensatzauswahl wurde nicht erweitert, insbesondere die Größenangabe ist etwas ungewöhnlich, denn die Normalschriftgröße wird nicht etwa in Punkt angegeben, sondern relativ ("Normal", "Groß", "Klein" etc.). Dies ist zumindest gewöhnungsbedürftig und vielleicht sollte da doch auf die üblichere Punkt-Größe zurückgegriffen werden.
Viel getan hat sich in den Optionen. In der Registerkarte "Browser" fallen zwei Funktionen auf: "Systempalette verwenden" und "Standard-Fenster". Ist ersteres aktiviert, werden in Auflösungen mit 16 oder 256 Farben nicht mehr die Farben verstellt. Dadurch könnten zwar einige Bilder etwas schlechter aussehen, aber im Test fiel das kaum auf. "Standard-Fenster" stellt das etwas ungewöhnliche Window-Resizing von Adamas ab. Dann läßt sich ein Fenster nicht mehr von allen Seiten in der Größe ändern, sonden nur über einen Standard-Resizer. Das Adamas-eigene Resizing funktionierte ohnehin nicht mehr unter MagiC6. Unter Multimedia hat sich nicht allzuviel geändert. Drei Dithering-Verfahren stehen für Bilder zur Auswahl, große Geschwindigkeitsunterschiede konnten beim Testen nicht festgestellt werden.
Neu sind die "embedded Plugins". Dahinter verbirgt sich nicht etwa OLGA, sondern ein eigenes Plugin-Konzept, das auch unter Single-TOS funktionieren soll. Das mitglieferte neue Overlay um X32-Sound-Dateien abzuspielen stürzte jedenfalls beim Test ab. Ebenso kann man sich darüber streiten, ob soviel Rücksichtnahme auf die Single-TOS-Benutzer noch berechtigt ist, denn zumindest ist die Basisfunktionalität (im Web browsen, Emails verschicken) unter Single-TOS voll funktionsfähig. Da OLGA nicht unterstützt wird, kann auch der beliebte Aniplayer nicht als Plugin eingesetzt werden. Eine OLGA-Unterstützung ist jedoch angekündigt. Unter "Sicherheit" bleiben Java und JavaScript unselektierbar. Zumindest JavaScript wird mit der angekündigten Pro-Version auch auf dem Atari verfügbar sein. Was Java angeht, wird man wohl noch warten müssen, aber auch da gibt es interessante Neuigkeiten (siehe "Another Cup of Coffe - Java for free").

Protokolle

Alles was Adamas an Kommunikation mit anderen Programmen beherrscht, ist VA_Start. Für die Bubble-Blasen wird eine eigene Lösung verwendet, anstatt BubbleGEM zu unterstützen. Die Adamas-Blasen sind jedoch nicht so gut lesbar und auch nur für die Icons verfügbar. Ansonsten wäre für die nächsten Versionen sicherlich OLGA, BubbleGEM und GEMScript ein Muß, da diese drei Protokolle einfach zu jeder modernen Anwendung gehören.

HTML

Da der Schwerpunkt bei diesem Adamas-Release mehr auf Bugfixes und Bedienkomfort lagen, hat sich bei den HTML-Tags nicht allzuviel getan. Einzig das AU-Tag ist dazugekommen, daß dem HTML3-Standard entstammt.

Geschwindigkeit

Gleich vorweg: wer glaubt, solche aufwendigen Seiten wie die der NASA innerhalb von Sekunden auf seinem Atari zu sehen, der irrt. Zwar ist Adamas nicht langsam, aber speziell bei grafikintensiven Seiten bei denen die Grafiken auch noch viele Farben enthalten, wird der Geduldsfaden ziemlich strapaziert. Auf dem Testrechner (unbeschleunigter Falcon) war es durchaus ratsam, die Grafiken abzuschalten. Traumhaft ist dagegen das Browsen mit dem Milan040: Surfen mit 65000 Farben und das in einer Geschwindigkeit, wie man sie von schnellen PCs gewohnt ist, lassen Netscape & Co. schnell vergessen. Auch wenn sich an der Geschwindigkeit der Grafik-Routinen von Adamas sicherlich etwas verbessern ließe, bleibt die Feststellung, daß das heutige WWW nicht unbedingt für die alten Ataris gestaltet wird. WenSuite, das noch flotter ist, erkauft sich seine Geschwindigkeitsvorteile mit einer grauenhaften Darstellungsqualität.

Darstellungsqualität

Durch die hohe Anzahl an interpretierten HTML-Tags sehen viele Seiten mit Adamas am besten aus. Was aber bei CAB kritisiert wurde, muss auch bei Adamas - wenn auch, aufgrund der Versionsnummer, in etwas abgeschwächter Form - krisitisiert werden: die fehlende Unterstützung von HTML4. Damit sind nicht unbedingt die paar neuen HTML-Tags gemeint, sondern die mit zum Standard gehörenden Cascading Style Sheets. Diese ermöglichen Layouts, wie man sie bislang nur von CD-ROM-Präsentationen kannte und erleichtern zudem ein einheitlicheres Layout bei umfangreicheren Web-Projekten.
Zwar nennen sich sowohl CAB als auch Adamas HTML3.2-Browser, aber dank des "etwas" behäbigen W3C-Konsortiums, daß die HTML-Standards festlegt, dürften sie sich auch HTML4-Browser nennen, denn Frames, schon vor Jahren von Netscape eingeführt, wurden erst seit HTML4 zum HTML-Standard hinzugefügt.

Bugs

Der einzige größere Bug, der aufgefallen ist, ist die gelegentlich fehlende Scrollleiste. Es liegt jedoch kein Fehler in der HTML-Datei vor, Adamas scheint vielmehr zu vergessen, diese zu zeichnen. Scrollen kann man mit den Cursurtasten trotzdem.

Änderungen in nächster Zukunft

Für Adamas hat mir Jens Heitman verraten, was in der nächsten Version kommt: tastaturbedienbare Dialoge, verschiedene Tools (z.B. um ganze Sites herunterzuladen), automatischer Aufruf von Telnet bei entsprechenden Links, vielleicht ein paar Plugins, evtl. OLGA und JavaScript. Außerdem ist ein weiterer Dither-Algorithmus geplant, der die Bilder zwar in schlechter Qualität ausgibt, dafür aber sehr schnell ist.

Adamas-Fazit

Adamas hat mit der v1.5 einen großen Schritt in Sachen mehr Benutzerfreundlichkeit getan. Zwar macht CAB einen solideren Gesamteindruck, aber zu sagen Adamas würde in nächster Zeit nicht an CAB heranreichen, wäre unfair. Es ist eher abzusehen, das in nächster Zeit die Wahl des Browsers zur Geschmacksfrage mutiert. Dies ändert sich aber, wenn ein Browser Schlüsseltechnologien wie JavaScript, Cascading Style Sheets, HTML4-Events oder Java unterstützt.

Marathon

Der Emailer befindet sich bei Draconis mit im Lieferumfang. Newsgroups kann Marathon nicht verwalten.

Oberfläche

Marathon präsentiert sich ähnlich wie Adamas, nur sind die Icons etwas schlichter.

Adressbuch

Die Hotlist jedes Mail-Programms ist das Adressbruch. Neben der Email-Adresse lassen sich auch Angaben zum Wohnort und Telefon/FAX machen. Die Gruppenbildung ist ebenfalls möglich, falls die Adressliste überquellen sollte.

Mails empfangen

Etwas Verwirrung herrschte, als zum ersten Mal die Emails abgerufen werden sollten. Unter dem Menü "Mail" war nur "Server prüfen" anwählbar, nicht aber "Empfangen" und "Empfangen & löschen". Mit "Server prüfen" werden nur die Kopfzeilen geladen, die gewünschten Nachrichten müssen dann markiert und heruntergeladen werden - dazu wird dann "Empfangen" angewählt. Üblich ist "Empfangen & löschen", denn sonst bleiben die Mails auf dem Server. Wie sich herausstellte läßt sich das umständliche Empfangen von Emails auf die Standardmethode umstellen, indem man in den Optionen "Sofort übertragen" und "Nach Empfang löschen" anwählt. Es wäre nur schön, wenn diese Optionen voreingestellt wären. Beim Herunterladen wäre es wünschenswert, wenn gleich der Absender und die Länge der Mail in KB angezeigt werden würde.

Mails beantworten

Nachdem Empfang der Mails sollten diese auch beantwortet werden. Verwirrend ist die Art und Weise, wie Mails beantwortet werden. List man sich eine Mail aus dem Posteingang gerade durch und geht dann in das Mail-Menü, bleibt der Eintrag "Antworten" unselektiert obwohl die Mail, die beantwortet werden soll, im obersten Fenster dargestellt wird. Beantorten kann man Mails nur, wenn man im Posteingang die gewünschte Mail selektiert und dann "Antworten" im Mail-Menü auswählt. Es gibt auch ein Kontextmenü über die rechte Maustaste, doch das selektiert leider nicht automatisch den Eintrag, der sich unter dem Mauszeiger befindet.
Der Editor zum Bearbeiten der Antwort ist nur spartanisch ausgestattet. Das Clipboard wird nicht unterstützt, besonders bei Control+C sollte man vorsichtig sein, denn Control+C war in der Testversion der Shortcut für "Fenster schließen" - und das macht Marathon prompt und ohne Sicherheitsabfrage.

Filter

Die Filterfunktionen sind so gut wie nicht vorhanden, es gibt nur einen Schutz gegen übergroße Attachments indem man die Länge der erlaubten Emails begrenzt.

Änderungen in nächster Zukunft

Auch für Marathon erfuhr ich schon, was in der nächsten Version wohl dazukommen wird. Darunter befinden sich auch einige Verbesserungen der Kritikpunkte. So wird es die normalen Blockfunktionen geben, Toolbar-Leisten, direktes öffnen von Text/HTML-Attachments, Speichern und Beantworten der Mail direkt aus der Anzeige heraus und tastaturbedienbare Dialoge.

Marathon-Fazit

Marathon ist ein eher leistungsschwacher Email-Client. Für den Einstieg ist er zwar geeignet, aber auf der anderen Seite zu umständlich zu bedienen. Der Emailer ist alles andere als intuitiv zu bedienen und speziell wenn man Email-Clients von anderen Systemen kennt. Es bleibt also noch viel zu tun am Marathon oder Draconis wird STinG-kompatibel.

Drac-Ping

Ping ist ein kleines Programm, mit dem die Verbindung zu einem Server getestet werden kann. Das Programm wird zwar nicht alltäglich gebraucht, kann aber manchmal nützlich sein.

Exklusv erhielt ich noch die Vorversionen des Telnet- und FTP-Clients, die in der Pro-Version zum Lieferumfang gehören. Auf die Pro-Version wird bei deren Erscheinen eingegangen, daher hier nur eine Art Vorbericht.

DR-Telnet

Der Telnet-Client ist komplett in GEM eingebunden und benötigt damit keinen VT52-Emulator. Ansonsten gibt es noch nicht viel über das Programm zu sagen, aber Telnet ist auch kein sonderlich anspruchsvoller Internet-Dienst.

Draconis FTP

Verwunderung herrschte beim Start des FTP-Clients, denn sofort war klar, welcher FTP-Client hier Pate gestanden hat: WS-FTP, der wohl beliebteste FTP-Client unter Windows95/NT. Große Teile sind von der Bedienung her identisch und im Vergleich zu Fiffi fällt auf, das sowohl das Host- als auch Server-Verzeichnis ständig sichtbar sind. Bei den Optionen gibt sich Draconis FTP keine Blöse: automatische Konvertierung von Dateinamen mit einstellbaren Regeln, Protokollierung, automatische Unterscheidung zwischen Binären- und ASCII-Dateien und noch einiges mehr. Natürlich lassen sich die automatischen Funktionen auch ausschalten. Die Benutzerführung ist im FTP-Client am weitesten fortgeschritten: Iconify und Tastaturbedienung in den Fenstern. Vorläufiges Fazit: Auf diesen FTP-Client darf man sich freuen. Wenn noch etwas Fenschliff betrieben wird, stellt Draconis FTP ganz klar den besten FTP-Client für Atari-Systeme dar.

Fazit des Gesamtpackets

Das Packet hinterläßt insgesamt einen guten Eindruck. Zwar fällt Marathon ziemlich ab, aber das benutzerfreundliche Verbindungsprogramm und der gelungene Browser gleichen das Manko aus. Für die Zukunft ist sicherlich neben der Unterstützung gängiger Standards auch die Lauffähigkeit unter STinG wichtig, damit die Auswahl größer wird. Ich persönlich würde eher auf die Pro-Version warten, die voraussichtlich 99 DM kosten wird und wohl auf der Atari-Messe in Neuss vorgestellt wird. Denn mit FTP und Telnet hat man dann ein komplettes Internet-Packet und FTP wird man früher oder später mit Sicherheit brauchen. Auf jeden Fall sollte man die Leistung des Adamas-Programmierers würdigen, der im Alleingang das programmiert, was im CAB/Emailer-Packet vier Programmierer leisteten. Das dabei noch nicht alles so ausgereift erscheint ist verständlich.


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 03 / 1999, Seite 16

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