Im Gegensatz zum Amiga hat sich der Atari nie als echter Multimedia- und Video-Computer durchsetzen können, und dennoch macht sich ein Programmierer an die Arbeit, dieses Defizit aufzuholen und dem Atari ganz neue Fähigkeiten zu verleihen.
Bereits vor rund zwei Jahren stellten wir Ihnen eine der ersten Versionen von Funpaint vor. Das Programm aus der Feder von Patrick Eickhoff wurde seinerzeit als Freeware vertrieben, eine Idee und ein Konzept, das auch auf einem wirtschaftlich nicht immer lukrativ erscheinenden Atari-Markt gut aufgegangen ist, denn schnell erfreute sich das einstige Zeichenprogramm einer großen Anwenderschaft, die die Weiterentwicklung mit vielen konstruktiven Vorschlägen und Anfragen vorangetrieben hat. Positiver Effekt auf der anderen Seite: Der Programmierer wurde stets darin bestätigt, dass seine Software von vielen Anwendern genutzt und gemocht wird, was sicherlich eine motivierende Auswirkung auf die Lust zur Weiterentwicklung hatte.
Seit der Atari-Messe im vergangenen Herbst gehört nun auch Patrick Eickhoff zu den begeisterten Milan-Besitzern, und es trifft fast zweimal pro Woche eine neue Version des Programmes ein. Vorstellen wollten wir es schon eine ganze Weile, aber da wir dachten, die Weiterentwicklung abwarten zu müssen, haben wir den Test immer wieder verschoben, bis die Redaktion die Einsicht gewann, es sei an der Zeit, einen Einschnitt zu machen und Funpaint in der aktuellen Version vorzustellen, auch auf die Gefahr hin, dass der Test in Kürze schon wieder überholt ist.
Da berichten wir immer von einem Multimedia-Genie, wenn von Funpaint die Rede ist, aber was zeichnet Funpaint denn als Multimedia-Genie aus? Nun, Funpaint beherrscht nicht nur die wichtigsten Zeichenfunktionen und darüber hinaus eine Reihe von 3D-Werkzeugen, es ist in der Lage, eigene Animationen zu erstellen und diese mit einer Vielzahl von Effekten zu versehen; außerdem ist es mit Funpaint möglich, Filme zu schneiden, betiteln und einiges mehr. Damit steht es mit Sicherheit allein auf weiter Flur, und es ist bestimmt auch nicht übertrieben zu sagen, dass kaum ein anderes Atari-Programm zur Zeit mit vergleichbarer Intensität weiter entwickelt wird.
Dies ist der sicherlich älteste Abschnitt dieses Programmes, denn aus ihm ist das jetzige Werk herangewachsen. Zunächst hat der Anwender die Möglichkeit, bestehende Bilder zu laden bzw. eine neue Grafik anzulegen. Leider werden nicht zu viele Grafikformate unterstützt, so dass es sicher durchaus empfehlenswert ist, mit einem entsprechenden Converter, wie z.B. Smurf oder Gemview, zu arbeiten.
Legt man eine neue Grafik an, so kann diese eine beliebige Größe und Farbtiefe zugewiesen bekommen, die auch dann berücksichtigt wird, wenn man selbst mit einer niedrigeren Anzahl von Farben arbeitet. Bereits bei diesem ersten Schritt kann man bestimmen, ob man mit UNDO arbeiten möchte oder nicht, da diese Funktion natürlich zusätzlichen Arbeitsspeicher und Rechenzeit benötigt. Auf die einzelnen Zeichenwerkzeuge von Funpaint einzugehen, wäre sicherlich müßig, denn diese sind von vielen Malprogrammen her bekannt und bedürfen keiner ausführlicheren Erläuterung. Ob nun Linien, Sprühdose, Freihand-Zeichnen. Kreise, Dreiecke, Ovale oder Vielecke, alles kann mit verschiedenen Farben und unterschiedlichen Strichstärken gezeichnet werden.
Als gelungen möchte ich die Lupe bezeichnen, die eine variable Größe haben kann. Ein beliebiger Bildschirmbereich wird markiert und in einem separaten Fenster vergrößert dargestellt. Dieses separate Fenster kann wiederum beliebig vergrößert oder verkleinert werden, wodurch auch der Wert der Vergrößerung erhöht oder gesenkt wird (siehe Bild 2). Sämtliche Zeichen- und Bearbeitungswerkzeuge des Hauptprogrammes können anschließend auch in der Lupe verwendet werden, wodurch das präzise Nachbearbeiten von Bildern möglich ist. Um schnell etwas zu korrigieren, kann mittels der Taste T die Farbe des Bildpunktes an der aktuellen Mausposition ermittelt und sofort damit weitergemalt werden. So muss nicht umständlicherweise erst in das Farbmenü gewechselt werden, um die Farbe zu ändern.
Dadurch, dass Funpaint nun in allen möglichen Farbtiefen arbeitet, wäre es wünschenswert, im reinen Grafikmodus den Schritt weg vom reinen Zeichenprogramm hin zum Retuschier-Werkzeug zu wagen. Kopierstifte, Verwischwerkzeug, Aufheller und Abdunkler wären sicherlich wichtige und sinnvolle Ergänzungen zum Bearbeiten von Bildern.
Nicht nur für seine Funktion als Video-Titel-Generator wurde Funpaint mit einem guten Textmodul ausgestattet. Wenngleich dieses auch Standard-Fonts unterstützt, so empfiehlt es sich doch, zum Erreichen einer adäquaten Darstellungsqualität mit Vektorfonts zu arbeiten, die über NVDI oder SpeedoGDOS eingebunden werden können. Diese Fonts können von Funpaint stufenlos bis ins Unendliche vergrößert, gedreht, gekippt ... werden. Ähnlich wie bei einer Textverarbeitung auch, so werden hier die wichtigsten Attribute wie z.B. Fettschrift, gekippte Schrift, Unterstrich aber auch die Formatierung "links- und rechtsbündig", zentriert und Blocksatz, unterstützt.
Die Bedienung funktioniert einfach und intuitiv: Durch Klick auf die Eckmarker wird der Text stufenlos skaliert, der mittlere Marker verschiebt den Text, hält man die Shifttaste dabei gedrückt, wird der Text gedreht.
Kleines Special-Feature: Texte können auch mit Farbverläufen versehen werden, die entweder horizontal oder vertikal verlaufen (siehe Bild 3 und 4).
Mit diesen Funktionen lässt sich Funpaint bereits als schnell und einfach zu bedienender Textgenerator für externe Programme einsetzen.
Ein nächster aber sicherlich auch aufwendiger Schritt zum Profi-Werkzeug wäre sicherlich das Einbinden eines Antialia-sing-Effektes, der ab dem High-Colour-Modus eingesetzt werden kann und dafür sorgt, dass die Kanten der Texte durch geschickte Farbübergänge zum Hintergrund aufgeweicht werden. Zur Zeit ist mir aber noch kein Atari-Programm bekannt, das diesen Effekt ohne das Anwenden zusätzlicher Effektprozesse direkt im Textmodus einsetzen kann.
Ein Leben in Echtzeit, das hat sich schon so manch Atarianer gewünscht, und mit der wachsenden Geschwindigkeit der DOSen und Macs schien dieser Wunsch für TOSser immer weiter wegzurücken, doch was gute Programmierung alles ergeben kann, beweisen die Bildausschnitt-Funktionen von Funpaint. Wurde das Programm darauf ausgelegt, mit einem Falcon zufriedenstellend schnell zu arbeiten, so vermag es dies jetzt auf dem Milan systemübergreifend zügig und beeindruckend.
Funpaint verfügt über eine Reihe von Bildausschnitt-Funktionen. Zunächst selektiert der Anwender einen gewünschten Bildschirmbereich. Dieser kann anschließend in Echtzeit modifiziert werden. In Bild 5 sehen Sie links die Reihe von Funktionen, die zur Verfügung stehen. Bildausschnitte können beliebig gedreht und skaliert werden, aber auch Effekte wie 'auf Gitter legen' oder Kippen, Verzerren usw. sind mit Funpaint kein Problem. Sämtliche Funktionen werden in Echtzeit berechnet, was bedeutet, dass Sie die Auswirkung einer Funktion direkt sehen und nicht noch einer Berechnungszeit abwarten müssen. Während diese Echtzeit-Kalkulation auf einem Falcon noch durchaus zufriedenstellend, aber ein wenig ruckelig vonstatten geht, sieht sie auf dem Milan butterweich aus, geradezu so, als wenn man auf einer Workstation arbeiten würde.
Hier kann man die Farbpalette ändern, den Bereich für Farbverläufe wählen oder einfach nur eine beliebige Farbe auswählen. Zum Beispiel ist es möglich, Farben untereinander zu vertauschen, Verläufe zu erzeugen usw.
Mit 'Palette laden können die Farbpaletten aus diversen Bildern gelesen werden. Mit 'Suchen' kann ein bestimmter Punkt im Bild angeklickt werden, dessen Farbe in der Palette angezeigt wird. Ab einer Farbtiefe von 16 Bit wird immer der 256. Farbstift benutzt, der dann der Farbe des Bildpunktes entsprechend angepaßt wird. Da ab 16 Bit keine Farbpalette vorhanden ist, sind die 256 Farben als Stifte zu betrachten. Diese Stifte können beliebig geändert werden, ohne das Bild zu verwandeln. Eigene Farbpaletten können auf Wunsch gespeichert werden.
EBV steht für die elektronische Bildverarbeitung, ein Thema, das wir schon eingangs mit dem Erwähnen verschiedener Retuschier-Stifte angesprochen haben. Daß Funpaint erste Ansätze in diese Richtung macht, beweisen die neuen Funktionen, die das Editieren von Parametern für den Kontrast und die Helligkeit ebenso wie das Einstellen der Gradationskurve ermöglichen. Hierbei kann der Effekt sowohl auf den gesamten Bildschirm als auch auf einen gewählten Bildbereich angewendet werden. Diese Funktionen eigenen sich ebenfalls dazu, z.B. Scans nach-zubearbeiten. Ab einer Farbtiefe von 16 Bit (nur mit Grafikkarten möglich) ist die
Darstellung der Helligkeits- und Kontrastregelung auch in Echtzeit zu begutachten, was definitiv schneller geht als auf dem mir ebenfalls zur Verfügung stehenden 300 MHz-PC mit dem Programm Picture Publisher 8. Und auch hier ein Tip an den Programmierer: Im Zusammenhang mit der Gradationskurven-Editierung gäbe es auch die Möglichkeit, eine Funktion einzubauen, die das schnelle und einfache Verändern von Farbtönen erlaubt, indem eine Reihe von Grundfarben vorgegeben werden, die über Regler in jede andere Farbe gewechselt werden können. Auf diese Weise könnte man schnell und effektiv Farbräume tauschen und variieren. Aber dies ist sicherlich ein Punkt, der sehr speziell ist.
Schon der reine Grafikteil von Funpaint weiß zu überzeugen. Insbesondere die Text- und die Bildausschnitt-Funktionen sind nicht nur einfach zu bedienen, sondern teilweise absolute Neuheiten für den Atari-Sektor. Der Wunsch, aus Funpaint auch ein EBV-Programm zu machen, mag im Zusammenhang mit dem Preis der Software ein wenig vermessen klingen, doch die aktuellen Ansätze zeigen, dass der Programmierer etwas von seinem Fach versteht und sicherlich sehr geeignet wäre, aus Funpaint mittelfristig ein riesiges Werkzeug zu machen. Gerade mit Hinblick auf die vielfältigen Video-Funktionen, auf die wir in der kommenden Ausgabe ausführlich eingehen werden, wäre es sicherlich interessant, Bild und Sequenzen professionell und "unsichtbar" verändern und beeinflussen zu können. Was im Vergleich zu modernen PC- und Mac-Programmen, aber auch mit Hinblick z.B. auf die neue Grafiksoftware aus Frankreich (wir berichteten in Heft 10/98), als optisches Manko auffällt, ist die Tatsache, dass sämtliche Icons innerhalb der Funpaint-Menüs geradezu "altbacken" aussehen, als wären sie von Grafikprogrammen der 80er Jahre übernommen worden. Hier sollte der Autor sich mit Grafikern in Verbindung setzen und sich ein Beispiel an den konkurrierenden Systemen nehmen, um einen moderneren und filigraneren Look hinzubekommen.
Aber mit Sicherheit werden wir schon im kommenden Monat über aktuelle Neuigkeiten zu berichten wissen. Seien Sie also gespannt darauf, wie es Ihnen mittels dieser preiswerten Software gelingen wird, sich persönlich mit Hilfe einer Aufnahme in den Jurassic-Park inmitten einer Herde wild gewordener Dinosaurier zu plazieren.
Preis:
Disketten-Version: 30 DM
CD-ROM Version mit vielen Bild- und Filmbeispielen: 50 DM
Bezugsquelle: Patrick Eickhoff Felsenstr. 37 59602 Ruthen