Der Atari als Kommunikationsgenie (3): TeleOffice

Der dritte und letzte Teil unserer Softwareübersicht. Zum Abschluß unserer Serie nun noch einmal ein Blick zu einem reinen Fax-Programm, das erfreulicherweise nun doch weiterentwickelt wird: TeleOffice von TKR.

TeleOffice stellt mit Sicherheit den "Oldie" unter den für den Atari erhältlichen Faxprogrammen dar. Da es aber mittlerweile als Freeware in vielen MAUS- und anderen Mailboxen gefunden werden kann, ist es allemal eine Betrachtung wert. Die "aktuelle" Version 3.04 stammt vom Juli 1995.

Das Programm

TeleOffice ist mittlerweile ein echter "Klassiker" und hat nach wie vor viele Freunde sowohl unter privaten als auch semiprofessionellen Anwendern, was in erster Linie auf seine unkomplizierte Bedienung und die Tatsache, dass es auch auf kleinen ATARIs mit weniger Speicher (notfalls auch von Diskette) läuft,zurückzuführen ist. Entwickelt wurde das Programm 1990 vom Kieler Telekommunikationsunternehmen TKR, vor einiger Zeit hat sich die Firma CME Hard & Software der Weiterentwicklung angenommen und plant mittelfristig eine aktualisierte Version.
Anders als CoMa oder STarCall handelt es sich bei TeleOffice um eine reine Faxsoftware ohne zusätzliche Daten- oder Voicefunktionen. Unterstützt werden alle Faxmodems nach Class-2-Norm.

Wohin mit was?

Die Installation von TeleOffice ist schnell vorgenommen: Nach dem Entpacken des Gesamtpakets muss einfach nur darauf geachtet werden, dass die Ordnerstruktur unverändert erhalten bleibt, damit das Hauptprogramm seinen eigentlichen Faxtreiber finden kann. Alternativ kann man diesen jedoch auch als "Stand-alone-Treiber" in FAXDRV ACC umbenennen, was den Vorteil hat, dass auch ohne das geladene Hauptprogramm Telefaxe versendet und empfangen werden können und der Speicherverbrauch trotzdem minimal bleibt. Wer jedoch viel Speicher sein Eigen nennt und jederzeit den vollen Komfort von TeleOffice genießen will, kann auch die Hauptapplikation in ein ACC umwandeln, womit man dann jederzeit das gesamte Programm, inklusive des Faxtreibers als Modul, "zur Hand" hat. Unter Multitasking-Systemen wie MagiC macht diese Vorgehensweise natürlich wenig Sinn, für SingleTOS-User mag sie eine Alternative darstellen.
Beim ersten Programmstart prüft Tele Office automatisch die gesetzten Pfade, die ggf. mit dem Fileselector nachgesetzt werden müssen. Auch Neueinsteigern und "Sonntagsusern" wird die Installation der Software also auf jeden Fall gelingen.

Die Konfiguration

Nachdem die Installation erfolgreich vorgenommen wurde, kommt die erste Überraschung auf den Anwender zu: Statt sämtliche Funktionen in einer ellenlangen Reihe von Menüpunkten unterzubringen, erwarten nur deren drei den Kummer gewöhnten User. Grund dafür ist der modulare Aufbau des Programms, der auch den geringen Speicherverbrauch erklärt. Es werden nämlich immer nur die Module im RAM gehalten, die auch gerade benötigt werden.
So ist auch die Konfiguration der Gesamtsoftware in einem Modul untergebracht. Nach Anwahl des entsprechenden Eintrages erscheint ein Pop-Up-Menü unter dem Mauszeiger, in dem die einzelnen Konfigurationspunkte ausgewählt werden können. Diese Arbeitsweise wirkt auf dem ATARI auf den ersten Blick vielleicht etwas fremd; wahrscheinlich hat man diese Lösung aber gewählt, da nicht unter allen TOS-Versionen die heute gebräuchlichen Untermenüs ohne weiteres unterstützt werden. Hat man sich an das Popup aber erst einmal gewöhnt, lässt sich recht zügig damit arbeiten. Etwas unschön ist auf Dauer lediglich, dass die Redraws von Konfigurationsdialogen nicht immer sofort klappen.
Sowieso sind alle Dialoge modal aufgebaut, so dass sie den Rechner blockieren, wenn sie geöffnet sind, was jegliches Multitasking "im Keim erstickt". Hier muss man dem "etwas in die Jahre gekommenen" Programm also Tribut zollen.

Wir basteln uns ein Fax

TeleOffice bietet zwei Möglichkeiten, ein Fax zu erstellen: Entweder kann dieses von einem externen Programm per spezifischem Faxtreiber übergeben oder mit dem internen Layout-Modul (siehe Abbildung 8) zusammengestellt werden.
Das Layout-Modul erinnert in seiner Konzeption an ein Mini-DTP-Programm, ist aber komplett in einem eigenen GEMFenster untergebracht. In diesem fndet sich auf der linken Seite eine Icon-Leiste zum Anwählen der verschiedenen Funktionen. Die rechte Seite des Fensters stellt das zu erstellende Fax stilisiert dar.
Das Layout-Modul dient nun dazu, ASCII-Texte und IMG-Grafiken anschaulich auf einer Faxseite frei zu kombinieren. Hat man eine Datei ausgewählt, so erscheint auf der Faxseite ein verschiebbarer Blockrahmen, der an der Stelle abgelegt wird, an welcher der Text oder die Grafik plaziett werden sollen. Die Datei wird daraufhin verkleinert angezeigt. Das Clipboard wird dabei unterstützt. Hält man bei der Anwahl des Text- oder Grafik-Icons die Control-Taste gedrückt, wird der Inhalt des GEM-Clipboards übernommen.
Soll ein neuer Texteingegeben oder eine neue Grafik erstellt werden, ruft Tele Office den vorkonf gurietten externen Textbzw. Grafikeditor auf, in dem die entsprechende Dateibearbeitet werden kann.
Direkt aus dem Layout-Modul heraus ist auch die Adreßverwaltung von Tele Office aufrufbar. Hier können wie gewohnt Telefon- und Faxnummer, aber auch Anschrift und Zusatzinfos verwaltet werden. Nach Doppelklick auf einen Eintrag werden die Daten an den Faxtreiber übertragen und das erstellte Telefax kann direkt verschickt werden. Hält man die Shift-Taste gedrückt und wählt mehrere Nummern aus, so können mehrere glückliche Empfänger für ein Serienfax bestimmt werden. Beim Versand können der Datei außerdem mehrere Footer bzw. Header (z.B.für Logo und Unterschrift) hinzugefügt werden.
Unter Multitasking-Betriebssystemen ist auch der Faxversand im Hintergrund möglich. Allerdings sollte für eine sichere übertragung bei mehreren gleichzeitig aktiven Applikationen schon mindestens ein MegaSTE verwendet werden, ST und MegaST sind im allgemeinen zu langsam, weshalb Fehlermeldungen auftreten können.
Interessant für ambitioniette Anwender ist auch die Möglichkeit, Synonyme, die in einem ASCII-Text angegeben werden, während des Versendens durch aktuelle Daten ersetzen zu lassen. Zu diesen Synonymen zählen z.B. das Systemdatum, die Datenfelder des selektierten Adreßdatensatzes oder die Anzahl der zu versendenden Seiten. Auch Fax-Deckblätter lassen sich so effektiv für wiederkehrende Anwendungen vorbereiten.
Wie die zu verwendenden Synonyme aussehen sollen, kann der Anwender dabei sogar selbst bestimmen. Eine eigene Definitionsliste kann mit jedem Texteditor erstellt werden.
Wie erwähnt, ist es auch ohne weiteres möglich, ein Fax direkt in einer Textverarbeitung wie papyrus, einem DTPProgramm wie Calamus oder einer Grafiksoftware wie papyrus zu erstellen und danach an TeleOffice zu übergeben. Im Gesamtpaket der Software finden sich Faxtreiber für eine Vielzahl der bekannten Anwenderprogramme (siehe Auflistung 1). Interessanterweise wird auch das neue NVDI 5 einen Treiber für TeleOffice enthalten, so dass in Zukunft aus jeder GDOS-tauglichen Software heraus gefaxt werden kann.
Natürlich ist mit TeleOffice auch ein zeitversetztes Faxen möglich. In das Hauptprogramm ist außerdem eine recht komfortable Faxverwaltung integriett, aus der heraus auch ein erneutes Versenden eines vielleicht unbeantwottet gebliebenen Telefaxei erledigt werden kann.

Maaa maaa, 's Telefon piept!

Zum Empfang von Faxen bietet TeleOffice zwei Möglichkeiten: den manuellen und den automatischen Empfang. Entscheidet man sich für letztere Lösung, fragt der Faxtreiber die Ring-Indicator-Leitung der seriellen Schnittstelle ab und geht auf Empfang, sobald ein Anruf registriert wird. Klarer Nachteil von TeleOffice ist jedoch, dass die Anzahl der Klingelzeichen, die vor einer Rufannahme ignoriert werden, nicht einstellbar ist, und ein ankommender Anruf daher immer als Fax (eventuell miß-) gedeutet wird. Der automatische Empfang erweist sich also nur dann als brauchbar, wenn Sie für Ihr Faxmodem eine eigene Rufnummer haben oder Sie ein grundsätzlicher Menschenfeind sind, der Telefonteilnehmer gerne mit fiesen Pieptönen nervt.

Treffen die zwei letzteren Möglichkeiten jedenfalls nicht permanent auf Sie zu, können Sie, wenn Sie ein Faxsignal bei einem ankommenden Anruf vernehmen, den Faxtreiber auch nachträglich in Gang setzen. Keine Angst, ein Faxgerät wird in der Regel mehr Geduld mitbringen als Sie, so dass Ihnen keine Nachricht verloren geht und Sie sich auch nicht sonderlich hetzen müssen. Zumeist haben Sie sogar noch Zeit, den ATARI hochzufahren - versuchen sie das mal mit einem Windows-PC.

Als besonderen Komfort bietet TeleOffice sogar eine Faxabruf-Funktion an. Leider kann dieses Feature nur beim Anruf von Abruffaxen (Fax-On-DemandSystemen) genutzt werden, jedoch nicht bei Geräten, die nach dem immer weiter verbreiteten Poll-Verfahren arbeiten. Vielleicht kann dieses in einer späteren Version nachgeholt werden.
Eingegangene Faxe können aus der Faxauswahl heraus betrachtet und auch ausgedruckt werden (siehe Abbildung 9). Das in einem Anzeigefenster dargestellte Fax kann zum späteren Editieren auch archiviert und an andere Empfänger weitergeleitet werden. Das GEM-Fenster paßt sich übrigens der gerade aktiven Auflösung an, so dass Besitzer von Grafikkarten und größeren Bildschirmen auch mehr von dem dargestellten Fax sehen. Ist die Anzeige jedoch immer noch nicht ausreichend, kann die Faxdarstellung auch bei gedrückter Maustaste verschoben werden.

Fazit und Wünsche für die Zukunft

TeleOffice an dieser Stelle mit den weitaus aktuelleren Lösungen CoMa oder STarCall zu vergleichen, macht sicher auch wegen seiner Beschränkung auf die reinen Faxfunktionen wenig Sinn. Auch diese sind mittlerweile selbstverständlich von den jüngeren Konkurrenten in den Schatten gestellt worden; TeleOffice bleibt die Rolle des nahezu "idiotensicher" zu bedienenden Pioniers.
Immer noch beeindruckend ist die lange Liste der Faxtreiber - fast kann man hier von einem Faxstandard für den ATARI sprechen. Entwickler anderer Programme sollten überlegen, ihr Treiberformat vielleicht an TeleOffice anzupassen.
Betrachtet man die nach wie vor große Anwenderschar von TeleOffice, ist es natürlich um so erfreulicher, dass das Programm in Zukunft weiterentwickelt wird. Als erstes sollen dabei alle Dialoge zeitgemäß in eigenen GEMFenstern ausgegeben werden, womit bereits eines der Hauptmankos behoben wäre. Außerdem sollten zumindest einfache Faxjobs in das Programm Einzug halten, damit auch hier zu einem Komfortfaxgerät aufgeschlossen werden kann.
Wer nur hin und wieder einmal ein Fax zu versenden hat und daher die Anschaffung eines eigenen Faxgerätes oder sogar einer kommerziellen Faxsoftware scheut, sollte sich TeleOffice 3.04 einmal aus einer Mailbox oder von einem FTP-Server herunterladen und anschauen. Private Anwender können mit dem Programm durchaus glücklich werden, besonders Besitzer älterer ATARIs mit kleinem RAM werden zufrieden sein. Die Flexibiltät, den Faxtreiber als Accessory auch unter Single-TOS quasi im Hintergrund laufen zu lassen, macht TeleOffice für sie um so interessanter.

Preis:
Die zur Zeit erhältlichen Versionen bis 3.04 sind Freeware, ein gedrucktes Handbuch inkl. des Original-Diskettensatzes kann bei SoftwareService Seidel für DM 49,- erstanden werden. Zukünftige Versionen, so wurde uns auf Anfrage bestätigt, werden von der Firma CME Hard& Software entwickelt und sollen ggf.bis zum Jahresende lieferbar sein.

Außerdem ist TeleOffice in verschiedenen MAUS- und anderen Mailboxsystemen zu finden. Kostenfrei, jedoch ohne gedruckte Anleitung.

Faxtreiber

Bezugsquellen:

CME Hard- & Software
Tel. (0 61 51)28 25 94
Fax (0 61 51)28 25 95

Software-Service Seidel
Heikendorfer Weg 43
24149 Kiel

http://www.seidel-soft.de


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 10 / 1998, Seite 26

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