RaySTart 3.0 - Lichtstrahlverfolger

Nach einem Jahr soll uns wieder das Thema Raytracing, Rendering und Animation beschäftigen. Der Markt hat sich allerdings im letztem Jahr bislang nur unwesentlich geändert. Aus diesem Grund wollen wir hier nur auf die neue Version von RaySTart eingehen.

Das komplette Lexikor-Paket (Xenomorph, Cybersculpt, Prism-Paint...) ist nun bei der Firma Digital Arts unter dem Mantel DA’s 3D-System zu erhalten.

InShape 2.0 von der Firma InShape GmbH liegt noch immer im Beta-Stadium vor, so daß von dieser Seite nichts Neues zu berichten ist.

Ein neuer Stern am 3D-Himmel ist das Programm NEON, welches ursprünglich auch in dieser Ausgabe vorgestellt werden sollte. Da die Firma Team Computer aber mit Animations-Aufträgen sehr stark ausgelastet ist, war es nicht möglich, eine Einweisung ins Programm zu bekommen. Wir werden aber auf jeden Fall am Ball bleiben und über Neon in naher Zukunft berichten.

Ständig weiterentwickelt allerdings wurde das Programm RaySTart. Schon vor Weihnachten war die dritte Version erhältlich und es hat sich wieder einiges getan, was wir im folgenden beleuchten werden.

Beim Start des mittlerweile über 600 KB großen Programms fällt sofort ein Tribut an Multitasking-Systeme ins Auge. Es wird nach der gewünschten Speicherkonfiguration gefragt, um nicht unnötig viel RAM zu belegen. Um aber mit RaySTart vernünftig arbeiten zu können, sollten mindestens 4 MB RAM vorhanden sein. Eine weitere Neuerung ist der 3D-Look, der zeitgemäß über einen Radio-Button anschaltbar ist. Im gleichen System-Dialog entscheidet man sich auch für das Farbmodell (RGB, HLS oder CMYK).

Überhaupt hat sich das Outfit an vielen Stellen zum Positiven geändert. So wurde der vorher unübersichtliche Materialdialog komplett neu gestaltet, so daß der Anwender nun wesentlich besser agieren kann. Der Dialog paßt allerdings nur noch auf Bildschirme ab 640 * 200 Pixel. Für diejenigen, die noch auf die kleine ST-Auflösung angewiesen sind, ist folgende Lösung realisiert worden: Der Dialog ist jetzt in beide Bestandteile (Objektauswahlbox nebst Farbbestimmung auf der einen Seite und Material /Texturen auf der anderen Seite) unterteilt worden. In der niedrigen ST-Auflösung ist jeweils nur eine Hälfte des Dialogs zu sehen. Ein einfacher Tastendruck auf die „*“-Taste des Ziffernblocks genügt und es wird die jeweils andere Seite des Dialogs angezeigt.

Weiterhin fällt auf, daß es nun hierarchische Objektstrukturen gibt. Sinn und Zweck solcher Strukturen ist die Definition von Zusammengehörigkeiten und Abhängigkeiten mehrerer Objekte. So gehören z.B. Finger an eine Hand, welche wiederum an einem Arm hängt. Bewegt man nun den Arm, werden auch alle angehängten Objekte mitbewegt.

Als neue Eigenschaft befindet sich im Material-Dialog das Eigenleuchten. Dieses kann getrennt für ein Objekt oder eine Bitmap eingestellt werden. Eine Neonröhre wäre eine Anwendung für solch ein Eigenleuchten eines Objekts. Mit einer selbstleuchtenden Bitmap wäre ein Fernsehbild realisierbar. Der Bildschirm leuchtet, während das Gehäuse dunkel bleibt.

Ein schönes Beispiel für die Anwendung des skalierbaren Rohrkörper-Editors

Als letzte Neuheit befindet sich noch ein Schalter für die Animation von Objekten im Material-Dialog: die B-Spline-Interpolation. Mit Hilfe dieses Schalters läßt sich für jedes Objekt getrennt einstellen, ob die Bewegungspositionen während einer Animation linear ermittelt werden sollen oder ob sich das Objekt auf einer geglätteten B-Spline-Kurve bewegt. Dazu aber später noch mehr.

Schneller

Um einen schnellen Preview von seinem Bild zu bekommen, wurde in Ray-STart ein kleiner Trick integriert. Durch negatives Anti-Aliasing verringert sich die Berechnungszeit um einiges. Dabei wird nur die halbe Pixelanzahl berechnet. Die Zwischenwerte werden interpoliert, um sich ein beschleunigtes Kontrollbild im Raytracing-Verfahren berechnen zu lassen.

Als neuen Grundkörper kann man sich nun Rohrkörper anfertigen. Ein neuer Editor, der im Anschluß an den Extrude-Editor aufgerufen wird, bietet die Möglichkeit, Rohre entlang einer Linie zu kreieren. Dabei kann das Rohr zusätzlich skaliert werden, so daß der Anfang und das Ende verschieden große Durchmesser haben. Ein schönes Beispiel ist der Teetopf, den wir abgedruckt haben.

Im Hintergrunddialog stehen jetzt als Ergänzung zu den anderen Hintergrundmodellen noch die beiden Optionen „Nebel“ und „Nebel mit Wirbel“ zur Verfügung. Einstellbar ist die Farbe des Nebels und die Nebeldichte. Wurde die Option „Linear“ gewählt, nimmt die Dichte des Nebels gleichmäßig mit der Entfernung des Objekts zu der Kamera zu. Mit dem Himmel und dem Nebel ist schon fast eine Landschaft zu realisieren. Wer Berge und Täler haben möchte, der sollte sich mit dem neuen Fractal-Körper-Editor auseinandersetzen. Die fractalen Netzkörper basieren auf einer quadratischen Grundfläche mit n*n Seitenpunkten. Die Höheninformationen der einzelnen Punkte werden mit Hilfe eines fraktalen Algorithmus so berechnet, daß die entstehenden Netzkörper verblüffende Ähnlichkeit mit natürlichen Landschaftsformationen haben. Nachdem ein solcher Körper berechnet wurde, kann er nachträglich noch bearbeitet werden. Die Proportionen lassen sich somit den eigenen Wünschen nach skalieren. Wenn solche Objekt noch mit fels- und steinartigen prozeduralen Texturen belegt werden, sieht dies schon sehr realistisch aus.

Das Bild mit den Glaskugeln als 3D-Bild
Der Material-Dialog hat sich sehr verändert.
Mit der dritten Version von RaySTart lassen sich nun auch magische Bilder berechnen.

Ich seh’ alles in 3D

In aller Auge sind zur Zeit die magischen Bilder, auch bekannt als Autostereogramme. In RaySTart 3.0 können Sie auch solche 3D-Bilder berechnen lassen. Dabei geht man folgendermaßen vor: Statt nur einen ‘Endpunkt’ zu berechnen, wird die Tiefeninformation der Szene dazu genutzt, für jeden Bildschirmtiefenwert zwei verschiedene horizontal auseinanderliegende Bildpunkte zu berechnen. Diese beiden Punkte erhalten den gleichen Farbwert. Sorgt man dafür, daß das linke Auge den linken und das rechte Auge den rechten Bildpunkt wahrnimmt, entsteht der dreidimensionale Eindruck des Punktes. Es gibt zwei Möglichkeiten, solch ein Bild wahrzunehmen. Als erstes kann durch bewußtes Defokussieren (in die Ferne durch das Bild durchsehen) der Augen erreicht werden, daß die Sehachsen auseinandergehen und beide Augen die für sie bestimmten Punkte wahrnehmen. Als zweite Möglichkeit bietet sich das Schielen an, wobei die Tiefeninformation allerdings umgedreht wird.

Unbedingt beachtet werden muß das Ausgabegerät. Wenn das Autostereogramm am Bildschirm betrachtet werden soll, muß es anders berechnet werden, als wenn man es mit 300 dpi ausdruckt. Dies resultiert aus dem Umstand des vorgegebenen Augen-und Projektionsebenenabstands. Der Pixelabstand für linkes und rechtes Auge läßt sich so genau bestimmen. Wer ein DIN-A4-Blatt mit einem Auto-Stereogramm bedrucken will, sollte sich auch überden Speicherbedarf im klaren sein. Eine Bildgröße von 3500 * 2500 Punkte in TrueColor benötigt immerhin satte 25 MB Plattenkapazität. Dies entspricht einer Druckauflösung von 300 dpi.

Für die Berechnung eines Bildes brauchen Sie nichts weiter als Ihre Szene, die Sie gerade in RaySTart eingeladen haben. Wenn Sie im Autostereogramm-Dialog den Eintrag Zufallsfarben wählen, erhalten Sie als Ergebnis ein 3D-Bild Ihrer Szene. Wir haben das Intro-Bild mit den Glaskugeln mal als Autostereogramm berechnet und das Ergebnis sollte schnell erkennbar sein.

Volle Fahrt voraus

Wie Sie schon weiter oben gelesen haben, gibt es in der neuesten Ray-STart-Version auch einen Animationsteil. Wir haben zum Test mal unseren Schriftzug um einen Globus rotieren lassen. Die Erstellung einer Animation ist relativ einfach. Bewegt werden können Kamera, Lichtquellen und natürlich die Objekte. Da gerade die Berechnung von Animationen viel Rechenzeit verbrauchen, arbeitet man zuerst nur mit Gittern und Animationspfaden. In der Regel wird ein Objekt auf geradem Weg von Position A nach B bewegt. Dies reicht aus, wenn ein Objekt einfach von links nach rechts oder von oben nach unten bewegt werden soll. Das Anfangs- und Zielbild bilden die sogenannten Keyframes, und die Anzahl der Bilder zwischen den beiden Keyframes bestimmt nun die Filmlänge, die Sie erreichen wollen. Soll ein Objekt aber in Schlangenlinien bewegt werden, sind Pfade als B-Spline-Interpolation unerläßlich. Ein von links nach rechts hüpfender Ball benötigt z.B. eine solche Kurve. Wenn Sie also die Kurven für die Objekte und gegebenenfalls für Licht und Kamera erstellt haben, sollten Sie sich unbedingt die Animation im Grid-Modus anschauen. Dort wird jedes Bild als Gittermodell errechnet, was natürlich wesentlich schneller geht, als die TrueColor-Berechnung. Entspricht die Animation Ihren Vorstellungen, sollten Sie sich noch über den Platzbedarf der Bilder im klaren sein. Das Handbuch gibt einem eine Formel vor, mit der man ziemlich präzise den benötigten Plattenplatz errechnen kann. Sollte auf einer Partition nicht genügend Platz sein, berechnet man einfach einen Teil der Animation und anschließend den nächsten. Da der Rechner durch solche Berechnungen schon mal ein oder zwei Wochen belegt sein kann, empfiehlt es sich unbedingt die Multitasking-Option anzuwählen. Diese findet man wie gewohnt im Kameramodus-Dialog.

Was kann bewegt und verändert werden?

Grundsätzlich kann in jedem Keyframe an einem Objekt, einem Licht oder der Kamera alles geändert werden, was Sie auch ohnehin durch RaySTart verändern können. Bei der Animation wird dann zwischen den Keyframes ein fließender Übergang berechnet. Objekte können also schrumpfen, sich verformen, das Licht kann seine Farbe ändern und plötzlich taucht Nebel auf. Die Kamera zoomt und bewegt sich durch Objekte hindurch und vieles mehr. Der Fantasie sind dort keine Grenzen gesetzt. Da die Optionen sehr einfach sind und das Handbuch ausführlich alles erklärt, sollte die Animations-Erstellung kein Problem sein. Die berechneten Bilder liegen dem Anwender als einzelne Dateien vor, so daß der Filmgenuß noch auf sich warten lassen muß. Einzige Möglichkeit ist die Beschaffung des Render-Kits von Digital Arts, bei dem ein Tool zur FLC-Erstellung enthalten ist. Dieses Vergnügen kostet aber 99,- DM.

Grenzen

Wer sich nun ein 3D-Studio für Arme vorstellt, muß an dieser Stelle in seinen Vorstellungen gebremst werden. Vieles des technisch Machbaren ist in RaySTart nicht enthalten. Vermißt wurde der DXF-Import, mit dem sich erst eine gigantische Anzahl an vorhandenen Objekt-Dateien erschließt. Da es auch ein ASCII-Format von 3DS-Dateien (3D-Studio-Animationsdateien) gibt, wäre ein solcher Import auch wünschenswert. Ein Traum für jeden Animations-Designer wäre die Möglichkeit der inversen Kinematik. Puppen so real wie möglich laufen und bewegen zu lassen, ist der große Traum. Aber man sollte die Ansprüche nicht so hochschrauben und sich mit dem Vorhandenen be- und vergnügen. RaySTart 3.0 ist wieder einen großen Schritt weiter, und man darf schon jetzt auf die nächste Version gespannt sein. Derzeit ist die Portierung auf die PC-Plattform im vollem Gange und einige Bilder, die Sie hier gesehen haben, sind dort in sehr kurzer Zeit berechnet worden. Die Entwicklung neuer Funktionen wird aber weiterhin parallel auf beiden Plattformen geschehen, so daß der Support auch weiterhin auf längere Sicht gewährleistet ist.

JH

Bezugsquelle:
Reinhard Epp Donauschwabenstr. 75a 33609 Bielefeld

Preis: DM 399,-

Positiv:

viele neue Funktionen
Berechnung magischer Bilder
Animationsberechnung integriert

Negativ:

Kein DXF oder 3DS-Import
Animationen liegen nur als einzelne Bilder vor



Aus: ST-Computer 04 / 1995, Seite 38

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