SMS2 - Ein Betriebssystem der neuen Generation

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Betriebssysteme für verschiedene Rechnerplattformen gibt es genug: TOS bzw. MultiTOS, MagiC!, UNIX, DOS, Windows, OS/2 etc. Diese Betriebssysteme werden immer weiter entwickelt. Das ist alles gut und schön, nur hat die ganze Sache einen Haken: sie werden immer größer, brauchen immer mehr Platz auf der Festplatte bzw. einen großen RAM-Speicher sowie immer schnellere Prozessoren. Solange die Entwicklung der Hardware mit der Software Schritt hält, stört das die wenigsten.

Wäre es aber nicht sinnvoller, ein Betriebssystem zu haben, das die Hardware besser ausnutzt und sich nicht selbst ständig bremst? Diese Frage hat man sich auch bei Furst Ltd, in Großbritannien gestellt und sich entschlossen, ein neues Betriebssystem zu entwickeln. Das Ergebnis ist 'SMS2' für den ATARI ST. SMS2 steht für 'Small Micro Systems' der zweiten Generation.
Warum wird aber ein neues Betriebssystem für den ATARI ST geschrieben, wo er doch schon lange totgesagt ist und keine so große Verbreitung wie PCs hat? Ein möglicher Grund: Der ATARI ST ist günstig zu haben und für seinen Preis recht leistungsfähig. Darüber hinaus hat er 'serienmäßig' eine MIDI-Schnittstelle, die bei SMS2 für die Netzwerkverbindung genutzt wird. Doch darüber später Näheres.

Eigenschaften

SMS2 ist ein netzwerkfähiges Multitasking-Betriebssystem. Erhältlich sind das Betriebssystem und die gesamte mitgelieferte Hilfs-Software auf programmierbaren EPROMS, auch PEROMs (Programmable Erasable Read Only Memory) genannt. Das hat den Vorteil, daß man bei Updates nicht immer wieder neue EPROMS benötigt, sondern die Neuerungen selber auf die PEROMs brennen kann. Zusammen mit der Hilfs- Software umfaßt SMS2 weniger als 160 KB!

Installation

Die gesamte Installation besteht bei SMS2 darin, das Modul in den ROM-Port des ATARI zu stecken und den Rechner einzuschalten, Es leuchtet dann ein Kontrollämpchen am Modul, und nach weniger als neun Sekunden präsentiert sich das Desktop. Dabei muß man sagen, daß SMS2 ein völlig selbständiges Betriebssystem ist. TOS wird nicht benötigt. Beim Einschalten des Rechners greift SMS2 direkt auf die Hardware des ATARI zu, bevor noch TOS in Aktion tritt. Dadurch wird einem enormen Geschwindigkeitsverlust vorgebeugt. Möchte man zwischendurch mal wieder mit TOS arbeiten, so muß man beim Neustart des Rechners einmal die 'Escape'-Taste drücken und ist sofort im TOS. Dadurch entfällt das Ein- und Ausstecken des Moduls im ROM-Port, was auf die Dauer sicherlich auch die Hardware schonen wird.

Das Desktop erfordert ein wenig Umgewöhnung von jahrelangen TOS-Anwendern, Der System-Font ist recht klein ausgefallen. Der Grund dafür ist die bessere Ausnutzung der kleinen Bildschirmfläche. Für den Mega ST/STE ist übrigens eine Grafikkarte zur Nutzung eines (Farb-)Großbildschirms erhältlich, Der 'Button Frame', eine Art Menüleiste, befindet sich am oberen Bildschirmrand. Bei einem Neustart erscheinen außer dem Button Frame (am oberen Bildschirmrand) ein Fenster für den CLI sowie ein kleines Systemfenster. Doch kein Grund zur Panik. Der CLI wird zum einen selten gebraucht, und zum anderen ist die Bedienung sehr schnell erlernbar.

Im Systemfenster erscheinen das System betreffende Meldungen, So z.B. beim Systemstart die automatisch geladenen Utilities oder bei Formatiervorgängen die Rückfragen etc. Mit Freude stellt man beim Systemstart fest, daß SMS2 sich nicht damit aufhält zu prüfen, ob eine Diskette im Laufwerk des ST ist. Das kommt daher, daß SMS2 keine Speichermedien benötigt. Doch um sinnvoll arbeiten zu können, sollte man schon mindestens ein Diskettenlaufwerk haben.

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Der mit SMS2 mitgelieferte Taschenrechner enthält alle grundlegenden Funktionen. Auch gibt es schon Spiele sowie den Editor MicroEmacs für SMS2. Ganz unten finden Sie das Fenster zur Systemvoreinstellung.

Peripherie

Da wären wir auch schon beim Thema Laufwerke. SMS2 hat sein eigenes Disketten- bzw. Festplattenformat. Der Grund dafür ist die Optimierung der Zugriffsgeschwindigkeit. Die Festplattenzugriffszeit unter SMS2 ist um ein Vielfaches schneller als z.B. unter TOS. Für Festplattennutzer hat sich Furst Ltd. noch etwas besonderes ausgedacht. Welcher TOS-Anwender wird schon seine gesamte Software wegwerfen, wenn er noch die Möglichkeit hat, sie weiterhin zu benutzen? Damit man nicht die gesamte Festplatte neu formatieren muß und somit auf seine TOS-Software nur noch per Diskette zugreifen kann, ist es unter SMS2 möglich, einzelne Partitionen der Festplatte zu formatieren. Dadurch kann eine Festplatte für beide Betriebssysteme benutzt werden. Der Zugriff auf SCSI-Festplatten (mit z.B. 'ICD The Link') oder auf eine Megafile ging ohne Probleme. Der Grund dafür ist die Tatsache, daß SMS2 die notwendigen Gerätetreiber enthält. Nur HD-Laufwerke werden momentan noch nicht unterstützt, was eigentlich schade ist. Nach Informationen des Vertreibers in Deutschland, Jochen Merz Software, ist dies ohne Probleme zu realisieren. Da jedoch ein Großteil der ATARI STs noch mit DD Laufwerken arbeitet, ist man vorerst bei DD-Format geblieben.

Auch bei verschiedenen Druckern macht SMS2 keine Schwierigkeiten. Ohne Voreinstellungen und Nachfragen druckte z.B. die Textverarbeitung 'QD' sowohl auf einem HP Deskjet als auch auf einem alten Nadeldrucker. Ein- und Ausgaben sind bei SMS2 geräteunabhängig. Ein Ausdruck kann z.B. vom Parallel-Port zum Seriell-Port umgeleitet werden.

Das Betriebssystem unterstützt bis zu acht RAM-Disks, acht Diskettenlaufwerke und acht Festplatten. Bei den RAMDisks gibt es zwei verschiedene Arten: dynamische und feste RAM-Disks. Die dynamische RAM-Disk wächst mit der darauf enthaltenen Datenmenge. Die feste hat, wie der Name schon sagt, eine bestimmte Größe, die nur durch Formatieren der RAM-Disk veränderbar ist. Das Prinzip von dynamisch und fest wird auch beim Druckerpuffer verwendet. Ein Ausdruck ist, wie alle anderen Ausgaben, gepuffert. Der Druckerpuffer kann wie eine RAM-Disk dynamisch oder fest sein. Welche Art im gegebenen Fall sinvoller ist, muß der Anwender natürlich selber entscheiden.

Desktop

Der 'Button Frame', eine Art Menüleiste, befindet sich am oberen Bildschirmrand. Die Fensterumgebung von SMS2 ist ein wenig an 'XWindows'(UNIX) angelehnt. Jedes Dateifenster verfügt über ein Menü. Hier gibt es Funktionen wie z.B. Ansehen, B ackup, Drucken, Formatieren, Kopieren, Verschieben etc. Die linke Maustaste dient hier zum Anwählen von verschiedenen Dateien. Nach dem Anwählen kann eine der oben erwähnten Funktionen ausgeführt werden. Es besteht auch die Möglichkeit, zuerst eine Funktion, dann Dateien zu selektieren, was allerdings böse Fol- gen haben kann. Denn die Funktion wird dann ohne Rückfragen ausgeführt. Sehr unangenehm kann dies bei der Funktion 'Löschen' sein, da man mit den Gedanken oft woanders ist oder nicht mehr darauf achtet, was man vor zwei Minuten für eine Funktion selektiert hat.

Beim Start eines Programmes erscheint ein kleines Fenster, worin man Parameter übergeben kann. Man muß hierin auch den Programmstart bestätigen. (Ich frage mich nur, warum z.B. beim Löschen keine solche Rückfrage erscheint.) Läuft ein Programm, so kann man dies bei Bedarf in Schlaf versetzen. Eine Box, "Button" genannt, welche den Namen des Programms enthält, wird dann im ButtonFrame abgelegt. Es ist möglich, schlafende Programm mit einem Mausklick (rechte Maustaste) zu wecken. Eine Begrenzung der Anzahl von 'schlafenden' bzw. wachen Programme von seiten des Betriebssystems gibt es nicht. Doch auch wenn die Programme bei SMS2 im Multitasking um einiges schneller laufen als bei MultiTOS, darf man nicht vergessen, daß man an einem 8-MHz-ATARI sitzt und nicht an einer Workstation.

Multitasking

Da wären wir auch schon bei einer der wichtigsten Fähigkeiten von SMS2, dem Multitasking. Bei den aktiven Anwendungen können, wie unter UNIX, die Prioritäten der bearbeiteten Programme geändert werden. Dadurch ist es möglich, rechenintensiveren Anwendungen mehr Rechenzeit zur Verfügung zu stellen. Laufen mehrere Anwendungen gleichzeitig auf dem Bildschirm, und möchte man einen Text in einem Fenster eingeben, so geht man einfach mit dem Mauszeiger über dieses Fenster, ohne es anzuklicken. Doch so gut das Multitasking auch funktionieren mag, das Arbeiten mit einem Laufwerk bei gleichzeitig laufenden Anwendungen vermindert die Arbeitsgeschwindigkeit sehr stark; beim Formatieren einer Diskette ist das Weiterarbeiten gar nicht mehr möglich. Ich habe bisher immer nur von der 'Maus' gesprochen. Dabei hat man bei SMS2 die Möglichkeit, jegliche anfallende 'Mausarbeit' auch per Tastatur zu erledigen.

Im Bereich Multitasking hat SMS2 noch eine weitere Besonderheit: das Prinzip der geteilten Ressourcen. D.h im Klartext, daß diverse laufende Anwendungen bestimmte Software-Ressourcen (Speicherbereiehe) anderer Anwendungen teilen und mitbenutzen können. Die mögliche Folge: kleinere Anwendungen.

Netzwerkfähigkeit

SMS2 ist von Haus aus netzwerkfähig. Das Netzwerk wird über den MIDI-Port realisiert, welcher meistens der einzige freie Port des ATARI ist. Die Übertragung durch den MIDI-Port beträgt maximal 32 KB/s. Diese Geschwindigkeit erscheint zwar etwas langsam, reicht aber völlig aus. Wem es zu langsam ist, der kann sein Netzwerk auch über die serielle Schnittstelle betreiben. Dazu ist allerdings etwas Programmiererfahrung notwendig. Seit kurzem wird nun SMS2 in zwei verschiedenen Versionen ausgeliefert: eine Version ohne Netzwerkfähigkeit für 249 DM sowie eine Version mit Netzwerkfähigkeit für 349 DM. Der Netzwerktreiber wird zusätzlich auf Diskette mitgeliefert und kann vom Anwender selbst bei den günstigeren Versionen auf die PEROMs geschrieben werden. So wie das Betriebssystem ausgeliefert wird, ist ein Netzwerk mit 50 ATARIs möglich, wobei rein theoretisch über 5mal so viele (256) Rechner vernetzt werden können. Jeder am Netzwerk angeschlossene Rechner bekommt eine Nummer, wodurch gezielt auf die Rechner zugegriffen werden kann. Es ist z.B. möglich, einen ATARI mit einer Festplatte als Server zu nutzen, auf dem sämtliche Software bereit liegt, und vom eigenen Rechner aus diese Software entweder auf dem eigenen oder auf einem anderen am Netzwerk angeschlossenen Rechner (oder auch beides zu starten). Vom Netzwerk aus kann man auch Anfragen starten und Ausgaben von auf anderen Rechnern laufenden Programmen auf den eigenen Rechner umleiten. Die Bedienung der Peripherie ist ebenfalls über das Netzwerk möglich. Will man eine nicht existierende Festplatte auf einem anderen im Netz befindlichen Rechner ansprechen, so braucht das System sehr lange, um dies festzustellen. Bemerkt man selber den Fehler, so besteht die Möglichkeit, den Vorgang mit der 'Tab'-Taste abzubrechen. Bei der Druckersteuerung gibt es noch eine Besonderheit. Ab einer Kabellänge von ca. 5m zwischen Computer und Drucker kann es zu Problemen mit der Datenübertragung kommen. SMS2 bietet die Möglichkeit, den 'Strobe-Pulse' so zu verändern, daß auch längere Verbindungen möglich sind.

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Der Anwender kann den Hintergrund durch ein beliebiges Bild auflockern. Im 'Printer-Panel' sind sämtliche Druckervoreinstellungen möglich

Anwendung

Was sind die möglichen Anwendungsbereiche von SMS2? Außer beim Privatanwender ist z.B. wegen der geringen Kosten ein Einsatz in Schulen denkbar oder auch in kleineren bis mittelgroßen Betrieben, da sich für diese meist die Anschaffung eines Netzwerkes aus Kostengründen nicht lohnt oder nicht erschwinglich ist. SMS2 wird z.B. schon in einem kleinen Unternehmen zur CNC-Steuerung sowie für die Auftragsabwicklung einge- setzt. In diesem Unternehmen sind 14 ATARI STs vemetzt, die Aufstockung auf 24 Rechner ist geplant. Die notwendige Software für die CNC-Steuerung wurde von einem Mitarbeiter des Betriebes geschrieben.

Software

Da SMS2 vier Jahre lang getestet wurde, bevor es auf den Markt kam, gibt es auch schon einiges an Software, wie z.B. C- und BASIC-Compiler, Makro-Assembler, Packer, Texteditoren, Spiele etc., auf dem Markt. Auch wird schon UNIX-Software auf SMS2 umgeschrieben.
Im Lieferumfang enthalten sind außer dem Betriebssystem noch einige Utilities sowie eine 'light'-Version des Editors 'QD' und eine meiner Meinung nach etwas zu knapp ausgefallene Anleitung. Während des gesamten Tests kam es ein einziges Mal zu einem Systemabsturz. Und zwar beim Kopieren größerer Datenmengen auf eine zu kleine RAM-Disk. Hierbei erscheint dann im Systemfenster die Meldung 'insufficient memory'. Dabei kann es passieren, daß das System entweder völlig abstürzt oder der Bildschirmaufbau nicht mehr ganz korrekt ist. Dieser Fehler soll jedoch demnächst behoben werden.
SMS2 läuft zur Zeit auf allen ATARI ST/STE, MegaST/ STE. Falcon und TT werden noch nicht unterstützt.

Fazit

SMS2 ist ein leistungsfähiges, etwas anderes, recht absturzsicheres Betriebssystem. Es eröffnet neue Möglichkeiten, nicht nur im Einsatz im ATARI, sondern durch seinen extrem kleinen Kern von 7 KB auch in anderen Geräten. Der Preis ist in meinen Augen für ein neues, unbekanntes Betriebssystem, das sich erst einmal eine Position am Markt erringen muß, etwas hoch. Aufgrund seiner Netzwerkfähigkeiten dürfte SMS2 allerdings für so manche Unternehmen eine günstige Alternative zu Netzwerken auf anderen Rechnerplattformen sein.

Preis:
Netzwerkversion 349 DM
Single-Version 249 DM

Bezugsadresse:
Jochen Merz. Software
Im stillen Winkel 12
47169 Duisburg

Positiv:

extrem betriebssicher
einfache bzw. keine Installation
relativ hohe Arbeitsgeschwindigkeit
vielfältige Möglichkeiten im Netzwerk
Gerätetreiber im Betriebssystem enthalten

Negativ:

relativ hoher Preis
knappe Anleitung
läuft nicht auf TTs bzw. Falcon
noch recht wenig Software

NameArt
kommerziell:
QSpreadTabellenkalkulation
QDEditor
text87Textverarbeitung
JMONDisassembler/Monitor/Debugger
LineDesignVektorgrafik-Pgm.
QPrommerEPROM-Programmier-Software
LBASICBasic Compiler
SMACMacro Assembler
DataDesignDatenbank
QMenuProgrammier-Hilfsmittel
BrainSmasherSpiel
The OracleSpiel
BlackKnightSchach
PD/Shareware:
QEDEditor
MicroEmacsEditor
C68C Compiler
QTPITerminal Emulator
QFAXFax-Software
QBOXMailbox-System
Packer/EntpackerARC/UNARC/LHA/ZIP/UNZIP
GhostscriptPS Interpreter

Turgay Coruh
Aus: ST-Computer 02 / 1995, Seite 83

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