Atarium

It's A Kind Of MagiC

ATARI-Besitzer sind in Sachen neuer Rechner nicht gerade verwöhnt. Seit dem Erscheinen des Falcon030 sind nun zwei, seit dem des TT bereits fünf Jahre ins Land gegangen. 040er-Beschleunigerkarten gibt es trotz vollmundiger Ankündigungen immer noch nicht. Der einzige zur Zeit lieferbare Clone - die Medusa - ist zwar schnell, aber leider recht kostspielig. GESofts "Eagle", sobald er denn lieferbar ist, wird wohl preislich etwas attraktiver sein. Nachdem die Firma Commodore allem Anschein nach aus dem Rennen ausgeschieden ist und von ATARI zunächst keine neuen Maschinen zu erwarten sein dürften, ist Apple der letzte verbliebene Hersteller von 68K-Rechnern.

Von Apple und Birnen ...

So mancher ATARI-Besitzer hat sicherlich schon mit einem Mac geliebäugelt bzw. hat ihn vielleicht sogar als Zweitgerät neben seinem ATARI stehen. Nun jedoch gibt es Aussicht auf eine Möglichkeit, auf "sanfte" Art beide miteinander zu "verbinden": die Hardware von Apple, aber die ATARI-Software weiter benutzen. Möglich macht es die Portierung von "MagiC" auf den Macintosh. Mit diesem Betriebssystem sollten alle Programme laufen, die auch unter "MagiC" auf der ATARI-Hardware funktionieren und direkt auf die Hardware zugreifen - das sollte auf praktisch alle sauber geschriebenen Programme zutreffen ...
Wie kommt es zu dieser überraschenden Entwicklung? Trotz aller Erfolge hat es auch Apple nicht gerade leicht, gegen die Übermacht der Intel-basierten Systeme anzukommen. Was liegt da näher, als gerade die Kunden anzupeilen, die zur Zeit nicht nur ein wenig im Regen stehen, sondern auch erwiesenermaßen dem "Industriestandard" eher kritisch gegenüberstehen? Apples Schlachtplan geht dieses Vorhaben auf mehreren Ebenen an. Die Hardware-Frage ist gelöst - erschwingliche 040er-Macs sind verfügbar. Software- Entwickler werden ermutigt, ihre GEM-Applikationen auf Mac und PowerMac zu portieren (auf der Messe stellte zum Beispiel die aus dem ATARI-Markt bekannte Firma"Cicero" Cross-Platform-Tools aus). Und schließlich soll dem potentiellen Kunden eine Möglichkeit gegeben werden, seine TOS-Applikationen direkt weiterzuverwenden - daher also Apples Interesse und tatkräftige Hilfe, MagiC auf den Mac zu portieren.
Jeder, der sich schon mal etwas genauer mit dem Macintosh auseinandergesetzt hat, weiß, daß die Entwickler von Mac-Software kaum anders können, als saubere Software zu entwickeln - die einzelnen Mac-Modelle unterscheiden sich nämlich mehr als nur in Details voneinander. Die MagiC-Portierung für den Mac versucht daher gar nicht erst, direkt auf die Hardware zuzugreifen, sondern setzt auf die bestehenden Routinen des Mac-Betriebssystems auf. Damit sollte die Lauffähigkeit auf allen 030er- und 040er-Macs garantiert sein. Warum nicht auf älteren Maschinen und dem PowerMac? Zur Emulation von Systemvariablen und -traps muß die PMMU benutzt werden (und der 68KEmulator im PowerMac emuliert "nur" einen 020er).
Das Aufsetzen auf die Mac-Systemroutinen bringt sowohl Vor- als auch Nachteile: so werden viele nette Eigenschaften des Systems (etwa vorhandene Netzwerk- und CD-Treiber, Unterstützung des Mac-Dateisystems) unter MagiC direkt mitbenutzt werden können. Andererseits ist Apples Betriebssystem noch immer nicht präemptiv, und man darf darauf gespannt sein, wie die MagiC- Entwickler dieses Problem lösen werden.
Wenn Software auf ein System portiert wird, an das man ursprünglich nicht ge- dacht hat, ist es normal, daß man plötzlich auf Designschwächen im eigenen System trifft. So ist es schon jetzt vorhersehbar, daß die Arbeit mit GEM- Applikationen auf dem Mac-Dateisystem problematisch wird, wenn die Software- Entwickler nicht endlich dazu übergehen, die seit Jahren vorhandenen Funktionen zur Unterstützung langer Dateinamen auch wirklich zu benutzen. Daß dies bislang nicht im gewünschten Maße der Fall war, liegt mit Sicherheit auch an der Firma ATARI, die es nicht fertigbrachte, MultiTOS einen brauchbaren Fileselector zu verpassen oder wenigstens ein brauchbares API dafür zu definieren. Und diejenigen, die sich mit Wartung und Fortentwicklung der MINTLibrary beschäftigen, sollten nun endlich die Beseitigung aller MiNT- spezifischer Versionsabfragen ins Auge fassen.

Sega goes ATARI

Auch aus Sunnyvale gibt es Neues zu berichten, allerdings nichts über TOS oder TOS -Maschinen. Die Freigabe von MINT 1.11 hat sich wieder verzögert, da Eric Smith noch immer seine ganze Arbeitskraft in Jaguar- Software stecken muß (das Weihnachtsgeschäft steht bevor ... ). Einiges Aufsehen erregte allerdings ATARIs Flirt mit der Firma Sega, der dazu führte, daß Sega nun Teilhaber ist, Lizenzen für Spieleportierungen getauscht und Patentfragen geklärt wurden. Außerdem hat nun ATARI rund 90 Millionen Dollar mehr auf der hohen Kante, womit ATARIs Existenz wohl wieder für einige Zeit gesichert sein dürfte.

XHDI-News

Schließlich und endlich gibt es auch Neuigkeiten über XHDI, die offene Schnittstelle zu "intelligenten" Harddisk-Treibern. XHDI 1.25 [Maus MS2:
xhdi-125.zoo, ftp.uni-muenster.de:pub/atari/Docs/xhdi-125.zoo]
wurde um einige Funktionen erweitert. So kann man nun erfragen, ob ein Gerät gestoppt oder der Auswurf verriegelt wurde. Für"Auto-Parker" dürfteXHLastAccesso interessant sein, da man nun den Zeitpunkt des letzten Zugriffs auf ein Gerät erfragen kann, ohne sich dazu in die BIOS-Routineu zu hängen. Speziell für Desktops gibt es XHReAccesso, das es möglich macht, Wechselplattensymbole "dynamisch" erscheinen oder verschwinden zu lassen.


Julian F. Reschke
Aus: ST-Computer 12 / 1994, Seite 77

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